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Ortstermin am Fliegerhorst Wunstorf Problemflieger der Luftwaffe: Der Airbus A400M fliegt – mehr oder weniger

Drei Airbus A400M auf dem Vorfeld
Drei von 31 Airbus A400M, die beim Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf bei Hannover stationiert sind.
© Till Bartels
Es ist still geworden um den milliardenteuren Transportflieger der Bundeswehr, den Airbus A400M. Der stern hat sich am Fliegerhorst Wunstorf, wo 31 Maschinen stationiert sind, umgesehen. Das Hauptproblem des Flugzeuges ist nach wie vor nicht behoben.

Keinerlei Geruch von Öl und Kerosin: In der Halle ist es blitzsauber wie auf einer Intensivstation. Tatsächlich ist dieser Hangar eine Klinik - für Flugzeuge. Nicht für irgendeinen Jet, sondern für den umstrittenen Airbus A400M der Bundeswehr. In das brandneue Wartungs- und Ausbildungszentrum des Lufttransportgeschwaders 62 hat der Bund in den vergangenen Jahren 750 Millionen Euro investiert.

Das knapp 15 Meter hohe Aluminiumgerüst umrahmt das T-Leitwerk im Heck eines A400M. Die Techniker müssen ihre Köpfe einziehen, um nicht gegen das Höhenruder zu stoßen. Unter ihnen erstreckt sich der graue Rumpf des Militärfliegers mit seinen vier Turbopop-Triebwerken, dessen Oberfläche an die die stumpfe Haut eines Haifisches erinnert.

Hier in Wunstorf bei Hannover sind alle 31 bisher an Deutschland ausgelieferten Maschinen jenes Flugzeuges stationiert, das ein Alleskönner werden sollte: Der von Airbus im Auftrag von sieben europäischen Nato-Staaten entwickelte Schulterdecker soll als Transportflieger die zum Teil schon 50 Jahre alten Flugzeuge vom Typ Transall C-160 und Lockheed C-130 ablösen.

"Die Einsatzbereitschaft liegt heute bei ungefähr 50 Prozent", sagt Oberst Ludger Bette, der Kommodore des Lufttransportgeschwaders. "Die Einsatzreife muss verbessert werden." Mit der nüchternen Feststellung nennt er eines der Hauptprobleme des Flugzeuges: den großen technischen und personellen Aufwand pro Flugstunde. Daher befindet sich ein Teil der Flotte immer in der Wartung und Instandhaltung.

Notausstiegsanleitung des Airbus A400M
Im Laderaum sitzen die Soldaten quer zur Flugrichtung. Statt Paletten können in der Mitte auch zusätzliche Sitze installiert werden.
© Till Bartels

"Wir wollen auch auf unbeleuchteten Pisten starten und landen", sagt Oberst Bette. Er nennt damit eine von vielen Fähigkeiten, die dem Flugzeug nach und nach beigebracht werden. Denn aufgrund der Kinderkrankheiten wird der Militär-Airbus auch Pannenflieger genannt: Die Indienststellung verzögerte sich um elf Jahre, und die Kosten erhöhten sich um rund 1,5 Milliarden Euro.

Der erste A400M von 53 bestellten Exemplaren wurde erst Ende 2014 an die deutsche Luftwaffe nach Wunsdorf ausgeliefert, wo neben der Wartung auch das Ausbildungszentrum für Piloten und Lademeister inklusive Simulatoren betrieben wird. Im Anfangsflugbetrieb klagten die Soldaten über die extrem geringe Einsatzbereitschaft und zahlreichen Qualitätsmängel des Flugzeuges.

A400M Simulator
Im Cockpit auf der Startbahn: Der Airbus A400M rollt im Simulator zum Start
© Till Bartels

Für negative Schlagzeilen in der Presse sorgte auch die Panne im Februar 2017, als die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erstmals mit dem "modernsten Militärtransporter der Welt" dienstlich unterwegs war und aus Litauen wegen technischer Probleme auf eine alte Transall-Maschine umsteigen musste, um zurück nach Berlin zu fliegen. Die Abkürzung "M" bei diesem Airbus sehe nicht für "Militär", sondern für "miserabel", wurde gewitzelt.

Shuttle-Flüge nach Afghanistan

Zwei Jahre später funktioniert immerhin der Truppentransport. Einmal pro Woche geht es von Hannover nonstop in sechs Stunden nach Masar-e Scharif in Afghanistan. Bei höherer Zuladung wird in Baku ein Tankstopp eingelegt.

Auch nach Gao in Mali zum UN-Einsatz transportiert der Militär-Airbus regelmäßig Menschen und Material. Inzwischen kann er auch nachts "je nach Bedrohungslage" auf unbeleuchteten und unbefestigten Pisten starten und landen, wobei die Crew im Cockpit Nachtsichtbrillen trägt.

Evakuierungsflüge gehören zum Aufgabenspektrum der Lufttranssportstaffel ebenso wie medizinische Einsätze des A400M, sogenannte AirMedEvac, die seit August 2018 möglich sind. Von der Alarmierung bis zum Start dauert es zwölf Stunden, um verletzte Soldaten ausfliegen zu können. Denn zuvor muss der Laderaum zur Intensivstation umgerüstet werden. Bis zu sechs Patienten können von dem mitfliegenden Sanitätspersonal gleichzeitig betreut werden.

Cargo Hold Trainer-Enhanced
Blick durch die geöffnete im Cargo Hold Trainer: Ein Hubwagen wird eingewiesen.
© Till Bartels

Zur Schulung der Beladungsvorgänge gibt es in einem weiteren Hangar ein eigens für die Bundeswehr entwickelten Cargo Hold Trainer, einen Belade-Simulator, der aus einem Nachbau des A400M-Rumpfes im Maßstab 1:1 besteht, inklusive beweglicher Heckklappe. Alle Steuereinheiten für dem Laderaum funktionieren wie beim richtigen Flugzeug.

Fliegende Tankstelle über Jordanien

Seit März dieses Jahres hat der Airbus A400M endlich die luftfahrtrechtliche Genehmigung zur Luftbetankung erhalten. Nach fünf Jahren Flugbetrieb ist Air-to-Air-Refueling möglich. Ein zum Tanker umgerüsteter A400M ist im jordanischen Al-Asrak stationiert und kann jetzt deutsche Aufkläungs-Tornados und spanische F-18 und Eurofighter mit bis zu 50 Tonnen Kerosin aus der Luft versorgen.

Womit peu à peu die Maschinen nachgerüstet werden, sind auch die Armouring Kits und Selbstschutzsysteme gegen feindlich Beschuss. Dieses "Breitbandantibiotikum", so Oberst Bette, das von Anfang an zur Standardausrüstung gehören sollte, dient durch den Ausstoß von Täuschkörpern zur Ablenkung radargelenkter und wärmesuchender Flugkörper.

Außerplanmäßige Überprüfungen

Im dem 20 Meter Hangar ist Platz für zwei Flugzeuge nebeneinander, um die aufwändigen C-Checks durchzuführen, die alle zwei Jahre vorgeschrieben sind und eine Standzeit von drei Monaten benötigen. Doch zu schaffen macht den Einsatzplanern, Technikern und Kommodore die hohe Frequenz und Anzahl von Sonderinspektionen. Darunter fallen das Inspizieren der Brennkammern oder die wiederkehrende Kontrolle der Befestigung mit Spezialmuttern am Propellerflansch.

Stern Logo

"Das Instandhaltungsprogramm ist zu kompliziert: Es ist kalendarisch getrieben", sagt Oberst Bette im Gespräch mit dem stern. "Wir plädieren dafür, wesentliche Anteile auf ein Flugstunden basiertes Programm umzustellen." Denn der Militär-Airbus unterliegt Wartungsintervallen wie ein ziviler Jet, der pro Tag wenig Zeit am Boden verbringt. Airlines verdienen nur Geld, wenn ihre Flugzeuge möglichst lange in der Luft sind.

"Die kürzesten Intervalle sind in der Regel nach sieben Tagen fällig und beinhalten die Kontrolle der Flüssigkeitsstände oder das Abschmieren der Federbeine des Fahrwerks", ergänzt Hauptmann Doris Lammers. "Es gibt Aufgabenpakete in Intervallen von drei Monaten, fünf Monaten und sechs Monaten." Letzter entspricht dem A-Check, bei dem Komponenten ausgetauscht werden, die einer befristeten Laufzeit unterliegen, wie die Lüftungsfilter der Klimaanlagen Ölfilter am Triebwerk.

A400M in Wartungshalle
Der Wartungsaufwand der A400M-Flotte in Wunstorf: Besonderheit sind die beiden Propeller unter einer Tragfläche, die sich in entgegengesetzter Richtung drehen.
© Till Bartels

Doch der Flug-Rhythmus eines Transportfliegers unterliegt einem eher unregelmäßigen Flugplan mit weniger Flugstunden. Eine Neujustierung der planbaren Instandsetzung wurde erarbeitet, muss aber von Industrie, Luftwaffe und Behörden abgestimmt werden. Bis es soweit ist, müssen zu viele Flieger am Boden blieben.

Ludger Bette blickt stets nach vorn und versucht seine Truppe von Soldaten und die 40 Prozent zivilen Fachkräfte in der Flugzeugwartung zu motivieren. In Anlehnung an den Spruch der Kanzlerin gibt sich der Oberst gegenüber den immer noch bestehenden technischen Herausforderungen des A400M zweckoptimistisch: "Wir kriegen das hin."

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