Es riecht nach Kerosin und Schmieröl. In dem abgelegenen und verschlossenen Hangar des Flughafens Friedrichshafen stehen luftfahrttechnische Raritäten: eine De Havilland Dove, zwei Dornier-Flugboote und in der hinteren Ecke der Rumpf eines betagten Jets. Diese Boeing 737 ist nicht irgendein ausrangiertes Flugzeug, sondern die "Landshut" der Lufthansa, die im Herbst 1977 von palästinensischen Terroristen auf ihrem Flug von Palma nach Frankfurt entführt wurde, um RAF-Häftlinge freizupressen.
Im Gegensatz zu den anderen geparkten Maschinen glänzt die Boeing nicht. Kein Logo oder Schriftzug ziert das Leitwerk. Der Lack ist schon lange ab. Das 30 Meter lange Wrack liegt mit dem Bauch auf dem Boden, ohne Fahrwerk und Tragflächen. Die demontierten Flügel ruhen zusammen mit dem Leitwerk in einer anderen Ecke der Halle.
Der 9000 Kilometer langer Irrflug
Die "Landshut" repräsentiert ein Kapitel deutsche Nachkriegsgeschichte. Mit 91 Menschen an Bord irrte das Terrorkommando fünf Tage lange zuerst nach Rom, dann nach Dubai und Aden im Jemen. Dort wurde der Pilot Jürgen Schumann von den Entführern durch einen Kopfschuss getötet. Copilot Jürgen Vietor steuerte die Boeing nach Mogadischu in Somalia. Kurz nach Mitternacht des 18. Oktobers 1977 stürmte die Anti-Terror-Einheit GSG-9 die Maschine, erschoss drei der vier Entführer und befreite die Geiseln. Ein ruhmreiches Kapitel im Vergleich zur gescheiterten Geiselbefreiung beim Münchner Olympiaattentat 1972.
Nach der Aktion "Feuerzauber" wurde die "Landshut" noch in Mogadischu repariert und flog bis 1985 für die Lufthansa im Liniendienst. Dann wechselten mehrmals die Eigentümer. Bis zur Ausmusterung war sie bis 2008 als Frachtflugzeug bei der brasilianischen TAF Linhas Aéreas im Einsatz. Nach 38 Dienstjahren wurde der Flieger ausgemustert. Fast zehn Jahre war die Boeing am Rande des Flughafens von Fortaleza abgestellt, dem tropischen Wetter ausgesetzt und rostete vor sich hin.
Ein fast 50 Jahre alter Jet
"Die 'Landshut' ist kein Wrack, sie ist in einem guten Zustand und hat Patina angesetzt", sagt Barbara Wagner, die kuratorische Projektleiterin der geplanten Landshut-Ausstellung in Friedrichshafen. Die zierliche Dame steht auf der obersten Stufe der Treppenstufe und versucht die verklemmte Flugzeugtür zu öffnen. Auch innen sieht man der Maschine das Alter an: eine dunkle, muffige Röhre, ohne Passagiersitze und Gepäckfächer. Teilweise fehlt schon die Innenverkleidung. Aber das enge Cockpit ist noch im Originalzustand.
Die "Landshut" ist für Barbara Wagner ein "archäologisches Objekt". Dieses Flugzeug sei ein "Dokument eines für unsere Geschichte wichtigen Ereignisses. Noch immer verbinden Zeitzeugen mit dem Namen 'Landshut' die Auseinandersetzung der bundesdeutschen Demokratie mit dem linken Terrorismus. Das möchten wir gerne auch für die nächsten Generationen bewahren."
Barbara Wagner ist seit vergangenem Jahr an Bord des Teams, das ein Ausstellungskonzept entwirft und sich durch die Archive arbeitet und mit Zeitzeugen spricht. Projektträger ist die gemeinnützige Dornier Stiftung für Luft- und Raumfahrt mit Sitz in Friedrichshafen, die auch am Flughafen das 2009 eröffnete Dornier Museum betreibt.
Dass die "Landshut" vor der Verschrottung gerettet und von Brasilien nach Friedrichshafen kam, ist der Hauruck-Aktion zweier Männer zu verdanken: dem damaligen Außenminister Sigmar Gabriel und David Dornier, dem Leiter des Museums und Enkel des Luftfahrtpioniers Claude Dornier.
Über den passenden Ort für das riesige Exponat in einem deutschen Museum, sei es in Bonn oder Berlin, wurde nicht lange diskutiert. Das Friedrichshafener Luftfahrtmuseum hat schließlich Rollbahnanschluss. Ein ukrainisches Transportflugzeug vom Typ Antonow An-124 flog die zerlegte "Landshut" im September 2017 an den Bodensee. "Friedrichshafen ist der ideale Standort. Hier gibt es schon ein Museum", sagt die Kuratorin.
Massive Förderung durch die Bundesregierung
20.000 Euro bezahlte das Auswärtige Amt für den Schrottwert des Flugzeuges. Doch vor der Auseinandersetzung um ein Ausstellungskonzept begann das Ringen um die Finanzierung. DasAuswärtige Amt hat nicht nur die Kosten für die Transport der "Landshut" übernommen, sondern auch den Bau einer neuen Ausstellungshalle neben dem Museum. Und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert "die Erstellung und Umsetzung des Ausstellungskonzepts einschließlich der erforderlichen Personalkosten sowie der nötigen Arbeiten am Flugzeug", heißt es auf der Homepage des Projekts.
Die jährlich auf 200.000 Euro geschätzten Betriebskosten wird das Dornier Museum tragen müssen, das keinerlei öffentliche Gelder von Land oder Stadt erhält und auf höhere Besucherzahlen hofft. Die zukünftige Ausstellung "versteht sich als demokratiegeschichtlicher Ort" und soll "eine bisher in der bundesdeutschen Museumslandschaft bestehende Lücke" schließen, heißt es. Die Macher haben sich hohe Ziele gesteckt: "Wir zeigen mehr als nur ein Flugzeug, sondern einen Teil der bundesdeutschen Geschichte, der sich auf die weitere gesellschaftliche Entwicklung auswirkte. Die Besucher werden die politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge lebendig erfahren können", sagt Kuratorin Wagner.
Keine der Beteiligten mag sich auf einen Zeitplan festlegen, nicht einmal, wann es zum Baubeginn kommen wird. "Es kam zu unerwarteten Verzögerungen", formuliert Barbara Wagner diplomatisch und stellt fest: "Das Ausstellungskonzept bedingt die Architektur und die Größe des neuen Gebäudes."

Noch scheint das Projekt "Landshut" zu schweben, obwohl die Ausstellungsobjekt seit fast zwei Jahren am Boden des Hangars liegt. Die Odyssee des einst entführten Flugzeuges geht weiter. Die an dem dem Terror-Kapitel der 70er Jahre interessierten Besucher müssen sich noch gedulden.
Aber im Foyer des Dornier Museum gibt es in einer Vitrine bereits zwei Exponate der "Landshut" zu sehen (siehe Fotostrecke weiter oben): das zerbrochenes Trimmrad und das von einem Projektil getroffene Fluginstrument aus dem Cockpit. Beides sind Leihgaben des damaligen Copiloten Jürgen Vietor. Ein Vorgeschmack, auf das was kommen wird.
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