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Europäischer Reisekonzern Thomas Cook ist pleite: Ist mein Urlaub noch zu retten?

Nichts geht mehr am 23. September: Die unbesetzten Schalter von Thomas Cook im South Terminal von London-Gatwick
Nichts geht mehr am 23. September: Die unbesetzten Schalter von Thomas Cook im South Terminal von London-Gatwick
© Tolga Akmen / AFP
Der zweitgrößte europäische Reisekonzern Thomas Cook ist insolvent. Die Auswirkungen auf den deutschen Reisemarkt sind erheblich: Gerade beginnen die Herbstferien, hunderttausende Urlauber werden betroffen sein. Der stern beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Pleite.

Thomas Cook Deutschland hatte am Mittwoch, den 25. September, einen Insolvenzantrag gestellt und inzwischen Buchungen bis einschließlich 31. Oktober gestrichen. Reisen in diesem Zeitraum könnten, auch wenn sie teilweise oder ganz bezahlt wurden, "aus insolvenzrechtlichen Gründen" nicht angetreten werden, erklärte das Unternehmen am Donnerstagabend. Die betroffenen Kunden werden demnach "so schnell wie möglich" vom Veranstalter informiert.

Betroffen seien Buchungen der Marken Thomas Cook Signature, Thomas Cook Signature Finest Selection, Neckermann Reisen, Öger Tours, Bucher Reisen und Air Marin. Für Reisen ab dem 1. November 2019 werde in Abstimmung mit der Insolvenzversicherung die weitere Vorgehensweise geprüft.

Der Urlaub sowie die Rückreise von Gästen, die eine Pauschalreise gebucht haben und sich derzeit in den Zielgebieten befinden, seien im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen über den Versicherer Zurich abgesichert und könnten wie geplant angetreten werden (Stand: 27. September)

Was bedeutet die Insolvenz des britischen Reisekonzerns Thomas Cook?

Der Brite Thomas Cook hat 1841 die Pauschalreise erfunden. Der nach ihm benannte Konzern ist ein Riese im europäischen Reisemarkt und hat unzählige Tochterunternehmen. Momentan sind rund 600.000 Urlauber mit ihm unterwegs, darunter 140.000 aus Deutschland. Millionen weitere haben Buchungen bei Thomas Cook und seinen Töchtern. Alleine am Dienstag und Mittwoch wollen 21.000 Reisende aus Deutschland mit dem Konzern starten. Das gesamte Ausmaß ist – kurz vor den Herbstferien – kaum absehbar.

Welche Reiseveranstalter und Marken sind außerdem betroffen?

In Deutschland gibt es neben Thomas Cook unter anderem die Gesellschaften Neckermann, Bucher, Air Marin und Öger Tours. Nicht betroffen ist laut dem Unternehmen jedoch die Marke Aldiana. Formal sind die deutschen Töchter noch nicht insolvent, doch die Lage kann sich schnell verändern und die Firmen haben jeglichen Neuverkauf eingestellt. Letzte Optionen würden geprüft, heißt es. Scheitere dies, sei eine Insolvenz nicht ausgeschlossen.

Wie ist die rechtliche Lage für Pauschalreisende?

Für Pauschalreisende muss es nach europäischem Recht eine Absicherung gegen Insolvenz des Reiseveranstalters geben. Thomas Cook ist beim Zurich-Konzern in der Schweiz versichert, einer solventen Adresse. Das ist die gute Nachricht. Die Schlechte: In Deutschland ist die Leistung aus dieser Absicherung auf 110 Millionen Euro gedeckelt. Man wollte die Prämienzahlungen der Veranstalter gering und damit das Reisen günstig halten. Noch ist unklar, wie hoch die Absicherung in diesem Fall genau ist und ob auch Tochtergesellschaften eigene Policen haben. Doch angesichts der Größe von Thomas Cook reicht der Betrag wohl längst nicht. Bei etwa 500.000 deutschen Kunden würde die Summe gerade für eine Zahlung von 220 Euro je Fall reichen. Das "Handelsblatt" geht von einer Deckungslücke von rund 300 Millionen Euro aus.

Nichts geht mehr am 23. September: Die unbesetzten Schalter von Thomas Cook im South Terminal von London-Gatwick
Nichts geht mehr am 23. September: Die unbesetzten Schalter von Thomas Cook im South Terminal von London-Gatwick
© Tolga Akmen / AFP

Und was ist, wenn ich nur einzelne Komponenten wie Flug oder Hotel bei Thomas Cook gebucht habe?

Eine Pauschalreise besteht immer aus mindestens zwei Komponenten. Wer nur eine gebucht hat, ist ein normaler Kunde einer x-beliebigen Dienstleistung, der nur Ansprüche nach Insolvenzrecht hat. Das bedeutet: Die Buchung dürfte hinfällig sein, das Geld muss man sich vom Insolvenzverwalter zurückholen - sofern der noch welches findet.

Ist noch mit einer schnellen Rettung des Konzerns zu rechnen?

Eher nicht: Seit Monaten laufen bereits Sanierungsversuche des angeschlagenen Unternehmens: Die Verschuldung ist hoch, Investoren sind abgesprungen und der britische Staat hat eine Unterstützung bereits abgelehnt.

Thomas Cook-Stewardessen sind über Pleite schockiert – und zeigen ihre Trauer bei Twitter

Was ist mit dem Flugbetrieb?

Die britischen Airlines des Konzerns sind bereits in die Insolvenz verstrickt. Am Montagmittag landete die vorerst letzte britische Thomas-Cook-Maschine in Manchester. Jetzt steht der Betrieb. Die deutsche Tochter Condor, bei der rund die Hälfte der etwa 100 Maschinen des Konzerns fliegt, hält momentan den Flugbetrieb weiter aufrecht und verkauft sogar noch Tickets. Gespräche mit der Bundesregierung über einen Überbrückungskredit von 200 Millionen Euro laufen. Condor gibt sich optimistisch, weiter machen zu können.

Allerdings akzeptiert man selber keine Touristen mehr, die über Thomas Cook gebucht haben. Denn für die würde man wohl kein Geld mehr bekommen. Eine schwierige Lage, zumal neue Kunden angesichts der Turbulenzen nur spärlich buchen dürften und viele Flughäfen, etwa beim Betanken, nun Vorkasse verlangen.

Übernehmen andere Fluggesellschaften den Flugbetrieb der Condor?

Gespräche mit der Lufthansa und anderen Airlines sind bisher ergebnislos gewesen. So lange der Betrieb bei Condor noch läuft, gibt es aber Hoffnung. Allerdings hat die Airline eine ziemlich alte Flotte aus teils 28 Jahren alten Flugzeugen. Technisch ist das kein Problem, doch der Spritverbrauch ist im Vergleich zu modernen Typen viel zu hoch. Und die Ölpreise steigen gerade.

Wieso ist Thomas Cook gerade jetzt pleite gegangen?

Das Ende der Sommersaison ist in der Reisebranche gefürchtet: Der Buchungsboom der Sommerferien ist vorbei, jetzt kommen die Rechnungen von Hotels, Airlines und anderen Dienstleistern. Nachdem man in den ersten Monaten des Jahres viel Geld eingesammelt hat, wird nun fast nur noch ausgezahlt, denn die neue Reisesaison nimmt erst nach Weihnachten Fahrt auf. Auch Air Berlin ging vor zwei Jahren Jahr um diese Zeit pleite. Thomas Cook befand sich außerdem seit Monaten in der Sanierung, hatte mit steigenden Kerosinpreisen, dem Brexit und dem enormen Preisdruck im Markt zu kämpfen.

Sind auch andere Unternehmen in Folge der Pleite bedroht?

Der Verband der Insolvenzverwalter Deutschland rechnet tatsächlich mit weiteren Branchenpleiten. Der Markt ist unübersichtlich und kleinere Charterfluggesellschaften könnten durchaus in die Krise reingezogen werden. Zumindest zu Verschiebungen oder Ausfällen im Flugplan könnte es kommen, wenn plötzlich in einer Maschine 100 Sitze, die über Thomas Cook gebucht waren, leer sind und sich der Flug nicht mehr lohnt. Auch Hotels könnten vorzeitig für den Winter schließen, wenn die Auslastung durch die Pleite kollabiert. Selbst wer dann über andere Veranstalter gebucht hat, muss mit Umbuchungen rechnen.

Ist bei einer Rettung des insolventen Konzerns damit zu rechnen, dass meine Buchungen doch noch gelten?

Nein, selbst wenn ein Investor einsteigt, wird er die vor dem Insolvenzantrag gemachten Buchungen wohl nicht mehr akzeptieren. Allenfalls eine günstigere Neubuchung ist vorstellbar. Ähnlich lief es auch bei Air Berlin.

Wird die Bundesregierung dem Konzern helfen?

Thomas Cook ist ein britisches Unternehmen mit großen deutschen Tochterfirmen. Staatshilfen sind da nicht so leicht zu rechtfertigen, zumal Großbritannien eine Rettung ablehnt. Allenfalls bei der Airline Condor, die klar abgegrenzt ist, sind deutsche Hilfen vorstellbar.

Sollte ich günstige Flugangebote bei Condor jetzt nutzen?

Aktuell ist die Situation recht unübersichtlich: Auch, wenn die Preise niedrig sind, sollte man vorsichtig sein. Gerade längerfristige Buchungen sind dort etwas für Abenteuerlustige.

Wie schnell komme ich bei der Insolvenzversicherung an mein Geld?

Wie bei Versicherungen üblich müssen zunächst alle Ansprüche gesammelt und überprüft werden. Bei einem derart großen Fall wird das eher Monate als Wochen dauern. In den ersten Wochen dürften außerdem alle Kapazitäten und Mittel in die Rückholung gestrandeter Passagiere fließen.

Wer hilft mir jetzt, einen neuen Urlaub zu buchen?

Vielleicht das Reisebüro, über das man gebucht hat. Wer Onlineplattformen genutzt hat, dürfte auf sich selbst gestellt sein. In jedem Fall muss eine neue Reise komplett selbst finanziert werden. Mehrkosten und zusätzlicher Aufwand bleiben an den Kunden hängen. Aus der Insolvenzversicherung besteht nur Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises, nicht auf Schadensersatz.

In Großbritannien organisiert der Staat die Rückholung – was ist in Deutschland?

Noch fliegt die deutsche Tochter Condor Urlauber von ihren Reisezielen zurück, bringt aber keine neuen Passagiere auf Thomas-Cook-Ticket in die Fremde. Die Bundesregierung beobachte die Lage, heißt es in Berlin. Eine Aktion wie in Großbritannien ist eher unwahrscheinlich, denn dort ist die Insolvenzabsicherung der Reisenden direkt beim Staat angesiedelt. Eigentlich soll die dafür sorgen, Urlauber aktiv aus den Reisezielen zurück zu holen. Allerdings ist das angesichts der Größe des Konzerns sehr schwierig. Viele deutsche Urlauber sind also auf sich gestellt. Oft verkaufen andere Airlines gestrandeten Kunden aber Rückflugtickets aus Kulanz günstiger.

Was mache ich, wenn ich schon im Urlaub bin?

Eine schwierige Lage: Fluggesellschaft und Hotel wissen nun, dass sie vermutlich von Thomas-Cook kein Geld mehr bekommen werden. Und auch wenn Sie natürlich den Urlaub schon bezahlt haben, ist ihr Geld bisher noch nicht dort angekommen. Damit sind sie gestrandet, sind auf den Goodwill der Menschen vor Ort angewiesen. Problematisch ist auch, dass die Reiseleiter im Urlaubsland gerade ebenfalls arbeitslos geworden sind und sich möglicherweise neu orientieren.

Sammeln Sie so viele Informationen wie möglich und setzen Sie auf Eigeninitiative: Kontaktieren Sie die Fluggesellschaft direkt, sprechen Sie Ihren Hotelier an, sitzen Sie die Lage nicht aus, denn in den nächsten Tagen dürfte das Chaos eher zu- als abnehmen, besonders, wenn auch die deutschen Töchter in Insolvenz gehen sollten.

Wenn sich eine Möglichkeit bietet, vorzeitig auf eigene Faust zu überschaubaren Kosten zurückzureisen, sollten Sie das in Erwägung ziehen.

Können mich Hotels einfach vor die Tür setzen, obwohl ich schon bezahlt habe?

Fakt ist: Die ersten haben es bereits getan. Andere haben von Gästen die Begleichung der gesamten Hotelrechnung verlangt, bevor sie abreisen durften. Das ist vermutlich auch in Tunesien, wo dies passiert ist, nicht legal. Allerdings dürfte es schwer sein, sein Recht durchzusetzen. Auch hier ist Verhandlungsgeschick gefragt, denn seinen Rückflug sollte man momentan lieber nicht verpassen.

Droht ein Hotel mit Rausschmiss, sollte man ebenfalls verhandeln: Vielleicht geht der Hotelier im Preis runter, wenn man zunächst auf eigene Kosten bei ihm wohnen bleibt, denn seine Zimmer stehen ja sonst leer.

Kann mich eine Fluggesellschaft einfach stehen lassen, obwohl ich ein Ticket habe?

Ja, sofern sie noch keine Zahlung für den Flug erhalten hat. Condor transportiert seit Montag zum Beispiel keine Thomas-Cook-Fluggäste mehr in die Ferien. Und auch wenn sie über einen anderen Reiseveranstalter des Konzerns gebucht haben und Linie fliegen, kann das Ticket jetzt wertlos sein. Informieren Sie sich rechtzeitig bei der jeweiligen Airline, ob Ihr Ticket noch gilt.

Wer hilft mir, wenn ich irgendwo strande und kein Geld für die Weiterreise habe?

Von einem insolventen Reiseveranstalter ist Hilfe nur im Rahmen der Insolvenzabsicherung zu erwarten. Deutsche Konsulate im Ausland helfen Bundesbürgern in absoluten Notfällen mit Geld für eine Übernachtung aus. Die Bundesregierung sagt, sie sei vorbereitet. Doch natürlich sind die personellen Kapazitäten begrenzt und die Urlauberzahlen riesig. Am meisten Hoffnung auf Hilfe besteht durch die Reiseregionen, die ein Interesse daran haben, ihre Gäste nicht buchstäblich im Regen stehen zu lassen. Erste Hilfsaktionen gibt es bereits auf einigen griechischen Inseln.

Was mache ich, wenn ich in den nächsten Tagen mit Thomas Cook verreisen wollte?

Die Nachrichten verfolgen und sich darauf einstellen, dass die Reise ausfällt und das gezahlte Geld monatelang nicht verfügbar ist. Ob man eine neue Reise bucht, muss jeder selbst entscheiden: Die Kosten sind selbst zu tragen und die Preise dürften kurzfristig deutlich höher liegen – sofern die Wunschziele überhaupt noch verfügbar sind.

Andererseits dürften Hotelkapazitäten, die jetzt frei geworden sind, bald deutlich günstiger auf den Markt kommen. Unter Umständen gibt es ja doch noch Last-Minute-Schnäppchen.

Kann ich meine Reise jetzt noch stornieren?

Wenn noch nicht der gesamte Reisepreis bezahlt wurde, kann das durchaus Sinn machen. Aber hier entscheidet der Einzelfall. Eventuell kann das Reisebüro helfen – oder auch die Verbraucherzentralen. In jedem Fall sollte man ausstehende Zahlungen bis zur Klärung der Situation hinauszögern.

Ist der gesamte Preis schon bezahlt, nützt eine Stornierung nichts mehr, denn insolvente Unternehmen sind dazu verpflichtet, alle Gläubiger, auch die Kunden, gleich zu behandeln.

Was passiert mit Reisen, die ich über Thomas Cook gebucht habe, bei denen Flug und Hotel aber von anderen Anbietern kommen?

Auch hier kommt es darauf an, ob der Reisepreis schon an den sogenannten Leistungserbringer weitergeleitet wurde: Haben Sie im Zuge einer Pauschalreise etwa ein Lufthansa-Ticket und der Flugpreis wurde von Thomas Cook schon angewiesen, könnten Sie Glück haben. Auskunft gibt die Fluggesellschaft oder das Hotel. Gerade bei längerfristigen Buchungen dürfte das Geld aber nun Teil der Insolvenzmasse sein – mit ungewissen Aussichten, etwas davon zurück zu bekommen.

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