Christmas-Shopping in New York, übers Wochenende nach London und für ein Fußballspiel nach Barcelona - günstige Flugpreise erlauben grenzenlose Mobilität. Umweltschutzorganisation wie Greenpeace fordern allerdings, Fliegen deutlich teurer zu machen. Denn wer im Billigflieger sitzt, denkt häufig kaum über die Folgen für die Umwelt nach. Bislang jedenfalls, inzwischen hat die Debatte über den Klimawandel nämlich auch die Tourismusbranche erreicht: Wird es am Mittelmeer bald zu heiß sein, um dort noch Ferien zu machen? Nicht nur wegen der Erderwärmung dürfte sich das Reisen künftig ändern. Eine Rolle dabei spielen werden auch das Altern sowie das Auseinanderdriften der Gesellschaft, das Internet und virtuelle Welten. Wer auf die Kanaren und zurück fliegt, verursacht nach Berechnungen von Greenpeace den Ausstoß von zwei Tonnen Kohlendioxid - genau so viel wie in einem Jahr beim Fahren (12 000 Kilometer) eines Mittelklassewagens entsteht. Fliegen ist pro Kilometer nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA/Dessau) im Durchschnitt drei Mal klimaschädlicher als Autofahren.
Auswirkungen auf die Reisebranche
Zudem fliegen Deutsche immer öfter: Im vergangenen Jahr führten nach der Reiseanalyse 2007 der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (F.U.R/Kiel) 37,2 Prozent der Reisen durch die Luft - 1995 lag dieser Anteil noch bei 28 Prozent. Dies hänge auch mit dem ungebrochenen Höhenflug der Billigflieger zusammen. Nach einer weiteren repräsentativen F.U.R-Studie ist die Klimadebatte zwar bei den deutschen Urlaubern angekommen: So sind 22 Prozent der befragten Flugreisenden bereit, künftig eine freiwillige Abgabe als Kompensation zum Beispiel an das Klimaschutzprojekt Atmosfair zu zahlen. "Wie viele es dann aber tatsächlich auch tun werden, wissen wir nicht. Das Bewusstsein über den Klimawandel führt noch lange nicht zu wirklich geändertem Verhalten", sagt F.U.R-Forscher Martin Lohmann vom Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Kiel. Der Deutsche ReiseVerband (DRV/Berlin) erwartet keine gravierenden Auswirkungen der Klimadebatte auf das Urlaubsverhalten. Nationale Zusatzsteuern und europäischer Emissionshandel griffen zu kurz, schädigten nur die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Branchenprimus TUI räumt ein, dass die ökologischen Folgen des Luftverkehrs beträchtlich sind. "Fliegen ist aber unverzichtbar. Es geht darum, den Kerosinverbrauch weiter zu senken. Energieeffizienz ist die effektivste Form von Klimaschutz", sagt Wolf Michael Iwand, Direktor Konzern-Umweltmanagement/Nachhaltige Entwicklung. Er fordert seine Branche auf, mehr für den Klimaschutz zu tun. "Es wird sonst noch dramatischer kommen, wenn wir nicht entsprechend gegensteuern."
Reisen in Zeiten des Klimawandels
Wer umweltbewusst verreisen will, stößt auf ein wachsendes Angebot: Das Forumandersreisen (Freiburg) spricht von zunehmenden Interesse für nachhaltigen Tourismus. In dem Verband haben sich den Angaben zufolge mittlerweile rund 140 kleine und mittelständische Unternehmen zusammengeschlossen, die einen sanften Tourismus anbieten. "Das Thema Klima ist so stark wie nie", sagt Verbandsgeschäftsführer Rolf Pfeiffer. Nach seiner Einschätzung wird Fliegen mittelfristig teurer, zudem werden sich die Touristenströme verlagern. "Die Türkei wird kein Sommerziel mehr sein, weil es dort zu heiß sein wird. Skandinavien und Deutschland werden attraktiver." Tourismusforscher Lohmann warnt davor, wegen der Debatte um den Klimawandel andere Trends im Tourismus zu vernachlässigen. Die Polarisierung der Gesellschaft in Arm und Reich wirke sich bereits aus: So habe es bis Mitte der 90er Jahre eine "Demokratisierung des Reisens" gegeben, inzwischen führen Arbeitslose immer weniger in den Urlaub. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist für den Experten der demographische Wandel. "Von den über 60-Jährigen sind vor zwanzig Jahren nur wenige gereist. Heute nehmen die Menschen ihr Reiseverhalten mit, die Lebensmitte wird verlängert." Das Internet wird seinen Platz als Informations- und Buchungsort ausbauen. "Aber Urlaub in einer virtuellen Welt macht keinen Spaß, das ersetzt nicht den Jahresurlaub", ist sich der Experte sicher. "Die Menschen werden die Lust am Reisen nicht verlieren, das Fernweh bleibt."