Formel 1 Stille Genugtuung der Silberpfeile

Von Elmar Brümmer, Melbourne
51 Grad auf dem Teer und eine selten da gewesene Wetterfühligkeit der Rennwagen: Nach dem Rennen in Melbourne lassen sich kaum Schlüsse auf den weiteren Verlauf der Formel 1-Saison ziehen. Nur eins: so viel deutsch war nie.

Auf die Gefahr hin, dass wir uns an dieser Stelle wiederholen: so viel deutsch war nie. Wer die stärkste Fraktion unter den Piloten der Formel 1 stellt und noch zwei Teams ins Rennen schickt, der muss nach der Quantität auch die Qualität an den Tag legen. Die Beweispflicht ist erfüllt, wie der Blick auf das Podium des Großen Preises von Australien zeigt. Den Motoren nach siegt Mercedes vor BMW, bei den Piloten belegen Nick Heidfeld und Nico Rosberg die Ränge zwei und drei hinter Lewis Hamilton. Die aus dem Winter zurück gekehrte Formel 1 zeigt fürs Erste ein neues, frisches Gesicht.

Einen schwierigeren und chaotischeren Start in die Saison der Revanche hätte die Formel 1 sich nicht aussuchen können. 51 Grad auf dem Teer und eine selten da gewesene Wetterfühligkeit der Rennwagen in Kombination mit einer neuen Startprozedur führten zu einer Rekord-Ausfallquote: Ganze sieben Autos im Ziel, der Ehrenpunkt für den Achten musste an den düpierten Weltmeister Kimi Räikkönen nachgereicht werden, der fünf Runden vor Schluss ausrollte.

"Der Beginn eines guten Rückspiels"

Crash, Boom, Bang - aus der Wundertüte Melbourne schon trifftige Schlüsse für den weiteren Verlauf dieses Rennjahres zu ziehen, trauen sich nicht mal die Beteiligten zu. Die einen, wie die ohne Fehl und Tadel gebliebene Silberpfeil-Fraktion, genießen eher still die Genugtuung. Für Mercedes-Sportchef Norbert Haug ist es "der Beginn eines guten Rückspiels". Sein Münchner Gegenüber Mario Theissen hält es technischer: "Wir sind gut dabei, die Zielrichtung ist es jetzt, den Kontakt zur Spitze zu halten."

Gut, wenn es Jungs wie Nico Rosberg gibt, die sich nicht konzernpolitisch korrekt zu verhalten haben. Vor Weihnachten hatte er es noch abgelehnt, als Partner von Lewis Hamilton zu McLaren zu wechseln; im australischen Spätsommer hüpften er und der Tagessieger ausgelassen wie Springteufel auf dem Podium herum. Dritter - so gut war Rosberg noch nie zuvor in zwei Jahren und einem Rennen Formel 1 gewesen, und das mit dem Auto des Dinosaurier-Teams Williams. Hamilton bewies, in dem er unter allen Umständen unbedrängt vorneweg fuhr, dass er als Vorjahres-Zweiter diesmal Erster wird.

Glück ist wichtig

Beinahe mit großväterlicher Güte beobachtete der - acht Jahre ältere - Nick Heidfeld den Übermut der beiden 22-Jährigen. Ein stiller Genießer, er ist den langen Weg nach oben gegangen. In einem Rennen, das in drei Safety-Car-Phasen zerstückelt wurde, war er zur richtigen Zeit zur Stelle. Ferraris Debakel hatte sich schon samstags in der Qualifikation abgezeichnet, und auch da waren Mercedes und BMW die Profiteure. Immerhin weiß man jetzt, dass die Ankündigungen der beiden Top-Teams von Melbourne ganz gezielt so tief gestapelt ausfielen, um den Druck zu lindern. 58 Runden reichten, um ihn jetzt erst recht aufzubauen. Der Überraschungseffekt, man könnte ihn auch Bluff nennen, ist jetzt weg.

Das Aufatmen, dass alle Autos auch ohne Startautomatik gut durch die berüchtigte Startkurve kamen, hielt nicht lange an. Einige, darunter Sebastian Vettel, würgten das Auto schon weit vor dem gefährlichen Knick ab, und schon splitterte es im Mittelfeld an allen Ecken und Enden.

Bitter für Adrian Sutil und Timo Glock, dass sie im Abstauber-Grand-Prix leer ausgingen - das Beispiel von Debütant Sebastien Bourdais, der zwei Pünktchen für ToroRosso kassierte, zeigte die Wichtigkeit des Faktors Glück in einem ansonsten von der schnöden Berechnung lebenden Sports. Aber es war dann fast ein bisschen zu viel, was an spektakulären Nebenhandlungen die Dramaturgie des Hauptrennens durcheinander wirbelte. Timo Glock hatte Riesenglück im Pech, als sein von der Piste abgekommener Toyota durch eine Bodenwelle im Kiesbett hoch katapultiert wurde und sich dreieinhalb Mal drehte, bis er in die Mauer krachte. Eine kleine Erinnerung daran, dass Chaos in der Formel 1 nicht immer nur lustig ist.

Die italienische Seele leidet, während alle Welt sich über die neue Mischung freut. Ein paar mal waren Kimi Räikkönen und Felipe Massa ganz nah dran, wieder in ihre angestammten Regionen vorzustoßen, aber die Scuderia Ferrari in ihrer Gesamtheit ist einfach noch nicht in WM-Form, das schlechteste Ergebnis seit 32 Rennen. Die fahrerischen und technischen Verfehlungen verhinderten ein Happy-End. Obwohl: Was das eine Pünktchen wert ist, dass Räikkönen durch die nachträgliche Disqualifizierung Barrichellos noch in den Schoß fiel, weiß man erst Anfang November. Beim letzten Finale in Brasilien war der eine Punkt der entscheidende für den Titel.

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