In der Bundesliga häufen sich die Gesichtsverletzungen. In der Hinrunde traf es unter anderem die Dortmunder Sven Bender und Neven Subotic sowie Klaas Jan Huntelaar (Schalke), Michael Ballack (Leverkusen) und Gojko Kacar (Hamburger SV). Nach dem zweiten Spieltag der Rückserie sind schon drei weitere schwere Verletzungen zu verzeichnen, nach Sebastian Prödl und Benedikt Höwedes erwischte es nun Christoph Janker von Hertha BSC.
Seitdem kochen in der Bundesliga die Diskussionen hoch, wie dieser unschöne Trend gestoppt werden kann? Oder gehört es einfach zum Spiel dazu, vor allem wegen der zunehmenden Athletik und Dynamik. Schnell wurden Überlegungen laut, eine Helmpflicht einzuführen. Wir zeichnen die aktuellen Fälle nach und stellen das Für und Wider verschiedener Lösungen dar.
Drei Verletzte, drei unterschiedliche Fälle
Auch wenn es Janker, Prödl und Höwedes allesamt im Gesicht traf, das Zustandekommen zeigt doch die ganze Bandbreite der Gefahr. Janker wurde nach einem Freistoß von HSV-Keeper Jaroslav Drobny "abgeräumt", Drobny erfüllte dabei die rücksichtslose Pflicht, die von Torhütern gerne verlangt wird.
Höwedes übersah seinen Mitspieler Marco Höger und krachte mit ihm zusammen, die krassesten Bilder lieferte aber die Blessur von Prödl. Der Lauterer Dorge Kouemaha wollte vor dem eigenen Tor mit einem Fallrückzieher klären, traf den Österreicher dabei im Gesicht und sorgte für triefendes Blut.
Wenn man die häufig vorkommenden Ellbogenchecks in Kopfballduellen oder die unglückliche Verletzung von Bender in der Champions League (im Fallen vom Fuß des Gegenspielers getroffen) hinzunimmt, wird schnell deutlich, wie breit das Spektrum ist. Der Trend ist trotzdem da und deshalb stellen wir verschiedene Verbesserungsvorschläge vor:
1) Helmpflicht für alle Spieler
Petr Cech (FC Chelsea) und Christian Chivu (Inter Mailand) haben es nach ihren Schädelbrüchen vorgemacht. Der ansonsten vor allem im Rugby verbreitete Schutzhelm ermöglichte beiden Spielern eine schnellere Rückkehr in den Profifußball und sorgte für Sicherheit. Mittlerweile könnten beide aus medizinischer Sicht auf die Helme verzichten, Gewöhnung, Aberglaube und der Tragekomfort haben dies aber verhindert. Schalke-Manager Horst Heldt hält eine Einführung für möglich: "Warum nicht, wenn es ein Vorteil ist? Aber das muss jeder Spieler selbst entscheiden."
Zweckmäßigkeit: Die Helme sind nicht teuer und könnten problemlos verpflichtend eingeführt werden. Sie dienen als Schutz für die Schädeldecke, schließen das Gesicht aber nicht mit ein. Eine Studie von Dr. Michael Lipton vom Albert Einstein College of Medicine in New York warnt zudem vor Langzeitschäden von Kopfbällen, doch auch in diesen Fällen reicht die Dämpfung der Helme nicht für einen größeren Schutz aus.
Schutzfaktor: In der aktuellen Diskussion helfen die Rugby-Helme nicht weiter. Geschützt wird der Schädel, Gesichtsbrüche sind mit den Helmen aber nicht zu verhindern.
Fazit: Nur für im Fußball sehr selten vorkommende Schädelverletzungen machen die Helme Sinn.
2) Maskenpflicht für alle Spieler
Der Anblick wirkt häufig sehr martialisch. Wenn nur die Nase gebrochen ist, lassen sich Spieler in der Bundesliga eine Carbon-Maske anpassen, um nicht aussetzen zu müssen. Ob die beschriebenen Verletzungen damit hätten verhindert werden können, kann nicht einwandfrei geklärt werden, die Masken verdecken aber die betroffenen Stellen.
Zweckmäßigkeit: Aus optischer Sicht wäre es schon eine riesige Umstellung, wenn plötzlich 22 dann sehr ähnlich aussehende Spieler über den Platz laufen würden. Anders als die Helme sind die Masken keine Massenanfertigung, sie müssten für jeden Spieler in der Liga extra produziert werden. Einige Spieler berichten zudem von einem eingeschränkten Sichtfeld.
Schutzfaktor: Je wuchtiger der Zusammenstoß sein wird, desto geringer wird auch der Schutz sein. Sebastian Prödl, der mit totaler Vehemenz von einem Fuß getroffen wurde, wäre auch mit einer Carbon-Maske nicht ohne Verletzung vom Platz gegangen. Bei leichteren Zusammenstößen wären die Masken dagegen hilfreich.
Fazit: Optik sollte in der Frage der Gesundheit keine große Rolle spielen, aber in dieser Frage outen wir uns als altmodisch. Verhältnismäßig erscheint eine flächendeckende Einführung auch nicht. Deshalb plädieren wir dafür, den Hebel eher bei den Verursachern anzusetzen:
3) Rigorose Bestrafung von Ellbogeneinsätzen
Hier wären in erster Linie die Schiedsrichter gefragt, denn mit ausgestreckten Armen oder Ellbogen in ein Kopfballduell zu gehen, ist derzeit sehr ausgeprägt. "Gerade Ellbogenvergehen haben wir seit geraumer Zeit auf der Agenda", sagte Schiedsrichter-Boss Herber Fandel. Bereits vor der Saison gab der DFB seinen Schiedsrichtern mit auf den Weg, vor allem Angriffe auf das Gesicht härter zu ahnden bisher ist aber noch keine einheitliche Linie zu erkennen.
Zweckmäßigkeit: Durch neue Regeln könnten die Schiedsrichter als eine Art Erzieher auftreten. Vergleichbar ist das Verbot von Grätschen von hinten, hier wurde nach einer Regeländerung mit Roten Karten rigoros durchgegriffen. Der Erfolg ist messbar, diese Unsitte kommt im modernen Fußball nur noch sehr selten vor.
Schutzfaktor: Das Spiel ist sicherlich schneller und athletischer geworden, ob deshalb die Ellbogen beim Kopfball eingesetzt werden müssen, muss angezweifelt werden. Bleiben die Arme am Körper, wäre eine große Verletzungsquelle ausgemerzt.
Fazit: Mit einer klareren Richtlinie könnte der DFB zur Eindämmung des Problems beitragen.
4) Verbot von Fallrückziehern
Innerhalb von einer Woche war das Spezialgebiet von Klaus Fischer zweimal in aller Munde. In der letzten Woche guckte bei Kouemahas verunglücktem Versuch die gesamte Redaktion weg, eine Woche später entbrannte unter unseren Usern eine Diskussion, ob die Tore von Eren Derdiyok und Sasche Rösler nicht viel schöner waren, als das Tor des Jahres von Raúl.
Zweckmäßigkeit: Die Schiedsrichter sind ja bereits angewiesen, Fallrückzieher, die zu nah am Körper des Gegners ausgeführt werden, als gefährliches Spiel abzupfeifen. Dies sollte ausreichen, zumal wir Tore wie von Derdiyok und Rösler sehr vermissen würden.
Schutzfaktor: Die Verletzung von Prödl wäre so sicher verhindert worden, der Zweikampf war aber auch eine absolute Ausnahme.
Fazit: Ein Verbot von Fallrückziehern wäre purer Aktionismus.
5) Sperren mit der Dauer der Verletzungen koppeln
Diese Forderung wird immer mal wieder laut, wenn sich ein Spieler nach einem Foul seines Gegners verletzt und lange ausfällt. Doch wo werden die Grenzen gezogen? Welches Foul ist einwandfrei Absicht (und nur das könnte als Kriterium durchgehen) und wann kann von einem "normalen" Foul gesprochen werden?
Zweckmäßigkeit: Beschäftigt wären wohl insbesondere die Sportgerichte, die aber in Bereiche der normalen Gerichtsbarkeit eingreifen.
Schutzfaktor: Fouls und Verletzungen gehören zum Sport dazu. Kollektivsperren werden die Opfer nicht schützen.
Fazit: Diese Maßnahme ist nur eine Alternative, wenn wirklich Absicht zu erkennen ist. Und selbst dann müssen solche Maßnahmen mit Vorsicht genossen werden. Was passiert bei einer drohenden Invalidität des verletzten Spielers? Darf der Täter dann nie wieder spielen? Das käme einem Berufsverbot gleich und wäre aus rechtlicher Sicht zweifelhaft.
Marcus Krämer