Erst tölpelhaft, dann trotzig: Dem Last-Minute-Schock beim 1:1 gegen Getafe maß beim FC Bayern München niemand große Bedeutung bei, vielmehr beschäftigte sich Uli Hoeneß schon mit der ersten großen Reifeprüfung für das Team beim Viertelfinal-Rückspiel in einer Woche. "Eine Uefa-Pokal-K.o.-Runde besteht aus zwei Spielen. Große Mannschaften müssen dann eben das zweite gewinnen", forderte der Manager und fieberte schon vor dem Liga-Zwischenstopp am Sonntag gegen den VfL Bochum dem "heißen Spiel" in Spanien wie auch Oliver Kahn entgegen.
"Wir freuen uns auf eine schöne Europapokalnacht. Wir werden da weiterkommen und wenn es im Elfmeterschießen ist", kündigte der Kapitän mit unerschütterlicher Überzeugung an; zuvor hatte er vor den Augen des von ihm ungeliebten Jürgen Klinsmann einen höchst ärgerlichen Fußball-Abend erlebt.
Plötzlich war der Schwung weg
Eine gute halbe Stunde warben Lukas Podolski & Co. mit Powerfußball beim ersten Besuch ihres künftigen Trainers im Stadion. Luca Toni (26. Minute) untermauerte mit seinem achten Uefa-Pokal- Treffer im achten Spiel den Ruf als "Mr. Europacup" und wandelt weiter auf Klinsmanns Spuren, der die Bayern 1996 mit 15 Toren zum Titel geführt hatte. Doch plötzlich war das Spiel der Bayern wie abgeschnitten, am Ende bettelten sie förmlich um den Ausgleich. "Wir haben das 2:0 sträflich nicht gemacht", klagte Coach Ottmar Hitzfeld, den das späte Gegentor (90.) durch Joker Cosmin Contra den erhofften triumphalen Abschied mit drei Titeln kosten könnte. "Ein Fehler reiht sich an den nächsten. Für die Abwehr ist es immer schwierig, wenn die Stürmer sündigen."
Nachdem "Schlüsselchancen" (Bastian Schweinsteiger) verschenkt wurden, stellte sich die Bayern-Defensive Sekunden vor dem Schlusspfiff wie eine Schülermannschaft an. Andreas Ottl grätschte irgendwo im Mittelfeld herum, Christian Lell kümmerte sich nach einem ersten geglückten Abwehrversuch lieber um den Torpfosten als um den Ball, Martin Demichelis legte per Querschläger auf - nur Contra machte alles richtig. "Weltklasse", urteilte Stefan Effenberg, der die Bayern ebenso wie die spanische Presse nicht mehr als klaren Favoriten für das Rückspiel am Donnerstag (20.45 Uhr) sieht. "Beckenbauer, jetzt weißt Du, wer Getafe ist. Der FC Getafe ist ein "Kaiser" des Fußballs. Ein bescheidenes Team, das aber mit den Größten auf Augenhöhe spielt, wenn es in Fahrt kommt", spottete die Sportzeitung "Marca".
Auf dem rasanten Trip zum Triple droht an der Münchner Luxuskarosserie der Lack abzublättern. Nun muss die Millionen-Truppe im Rückspiel beim Provinzclub ihre Größe beweisen. "Wir sind Bayern München und wir müssen uns jetzt nicht in die Hose machen, weil wir nach Getafe fahren", stellte Kahn aber schon mal klar. Ausgerechnet beim Besuchs Klinsmanns zeigte er Unsicherheiten und bei einem Ellbogenschlag Unbeherrschtheit. Dagegen drehte Podolski wie beflügelt von seinem WM-Trainer auf; allerdings traf er bei seinen zahlreichen Schussversuchen das Tor nicht und musste ebenso wie seine Mitspieler ein Pfeifkonzert nach dem Schlusspfiff über sich ergehen lassen. "Ich bin stinksauer", ärgerte sich auch Toni über das Remis.
Getafe immer selbstbewusster
Während die Münchner nun gegen Bochum aufpassen müssen, nicht an Selbstvertrauen einzubüßen, bringt sich Getafe beim Branchenriesen FC Barcelona in Form für die Bayern. Hemmungen wie zu Beginn des Hinspiels werden die Kicker von Coach Michael Laudrup wohl eh nicht mehr haben. "Wir hatten die ersten 15 Minuten großen Respekt, ich möchte nicht sagen Angst", sagte Laudrup und rechnet sich Chancen für das Halbfinale gegen den mutmaßlichen Bayer-Leverkusen-Rauswerfer Zenit St. Petersburg aus. "Man kann nicht sagen, dass die Chancen 50:50 sind, aber es ist offen."
DPA/jef