Er rang mit sich, er griff danach, er probierte sie sogar kurz an - ganz so weit war Pep Guardiola dann aber doch nicht, dass er sich zum Titelgewinn eine kecke Schirmmütze in den Vereinsfarben aufgesetzt hätte. Auch die befürchtete Bierdusche blieb dem Trainer erspart. Die Bayern feierten die Meisterschaft 2014 erstmal nüchtern, es ist der erste Titel in dieser unfassbaren Saison, und eines ist klar: Es soll nicht der einzige bleiben.
Sie haben ihn sich ohne Frage verdient. Am 27. Bundesliga-Spieltag zeigte der FC Bayern von Anfang an, warum er diesen Wettbewerb so früh, so dominant, so unangefochten wie nie gewonnen hat. Noch kein anderer Verein hat den Titel im März geholt, kein anderer Verein hatte zu so einem frühen Zeitpunkt so viele Tore, so viele Punkte, so viele Rekorde. Und wieder einmal zeigten die Bayern in Berlin das, was sie am besten können: drückenden Ballbesitz.
An die 85 Prozent waren es in den ersten Minuten, die sich dank gewohnter Effizienz rasch in Toren auszahlten - 1:0 durch Toni Kroos in der 6. Minute nach einer Hereingabe von Thomas Müller. Müller spielte ebenso wie Mario Götze, dafür blieben Mandzukic und Ribéry erstmal draußen. Die übliche Rotation im Münchner Luxus-Kader.
Bayern blickt schon auf Manchester
Und auch sonst war eigentlich alles wie immer. Man konnte nie sicher sein, wo es die Münchner hinzog, weil sie sich in der Ära Pep Guardiola nicht mehr an überkommene Positionen halten. Mit Mario Götze versenkte ausgerechnet einer der eher kürzeren Spieler nach einer Flanke von Toni Kroos das 2:0 mit dem Kopf. Das einzige, was nach diesem turbulenten Beginn vielleicht nicht so sehr zur bisherigen Saison passte, war, wie es in der zweiten Halbzeit weiterging. Da nämlich ließen die Bayern streckenweise etwas nach und wollten offensichtlich nicht mehr viel riskieren - schon gar keine Verletzung vor dem wichtigen Champions-League-Viertelfinale.
Es ist nun nach diesem 3:1 wieder Zeit für größere Aufgaben. Die Bayern sind in dieser Saison ja immer und überall Favorit, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. Die Mannschaft hat unter Guardiola ein Niveau erreicht, auf dem bisher noch kein anderes deutsches Team so konstant gespielt hat. Dabei waren viele Fans zu Saison-Beginn gar nicht so glücklich mit dem Trainerwechsel. Hier Glamour und schneidige Anzüge, da rustikale Väterlichkeit. Pep statt Jupp: Die Namen erzählen schon die ganze Geschichte.
Nun haben die Bayern den Meistertitel einen Spieltag früher in der Tasche als in der Vor-Saison, das ist kaum mehr als ein Indiz, aber es passt zur Spielweise und Art des Titelgewinns. Vermutlich werden sie Guardiola bei Bayern irgendwann einen Orden allein für die Idee verleihen, Philipp Lahm auf die Sechserposition zu versetzen. Lahm als Ballverteiler ist das Herz von Guardiolas Taktik, die sich beim FC Bayern nie im Klein-Klein zu verlieren droht. Die Mannschaft ist so flexibel wie nie, sie kann sich je nach Gegner und Situation neu erfinden. Und sie spielt meist, als ginge es nicht um den Sieg, sondern nur ums nächste Tor. Wie sehr dieses Team sich das angeeignet hat, was Karl-Heinz Rumenigge vor dem Spiel den "positiven Fanatismus" des Pep Guardiola nannte, war am Gesicht von Manuel Neuer abzulesen, als er beim Elfmeter zum 1:2 von Herthas Adrian Ramos verladen wurde.
Schwächephase nach der Pause
Das Gegentor war Ergebnis einer Schwächephase der Bayern. Nach der Auswechslung von Müller und Robben in der 54. Minute, für die Mandzukic und Ribéry in Spiel kamen, ließen die Münchner gegen besser angreifende Berliner nach - bis Ribéry mit dem 3:1 die Meisterschaft endgültig entschied. Es war keine Gala, aber ein überlegenes Spiel des frisch gebackenen Meisters. Weniger hätte übrigens auch gereicht: Weil Dortmund und Schalke sich unentschieden trennten, wäre Bayern sogar bei einer Niederlage durch gewesen.
Die Feier nach dem Schlusspfiff war gelassen-ausgelassen, zurückhaltender als bei vielen früheren Titeln. Vielleicht hatte es der Meisterschaft an Spannung gefehlt, es fehlten Bier und Uli Hoeneß. Wie der Abend weitergehen würde, wusste erstmal niemand ganz genau zu sagen. "Beim FC Bayern ist man es gewohnt, dass alles top organisiert ist", sagte Manuel Neuer lapidar. Und hatte natürlich ganz überhaupt Recht. Es war eine gute Saison für Rekorde-Zähler, Statistik-Fans und Fußball-Ästheten. Wer am Fußball das liebt, was ihn von vielen anderen Sportarten unterscheidet, dass er nämlich unberechenbar ist bis zur Ungerechtigkeit - für den war es keine gute Saison. Nichts deutet darauf hin, dass sich an der Überlegenheit der Bayern in der kommenden Zeit etwas ändern wird. Pep Guardiola sieht noch Verbesserungspotenzial. Wo, das muss er erstmal zeigen.