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Bundesliga im stern-Check Schalke 2020 – oder: Wenn man sich auch noch für den Rassismus anderer rechtfertigen muss

Schalkes Ozan Kabak beim 1:4 in Mönchengladbach
Bedient: Schalkes Ozan Kabak beim 1:4 in Mönchengladbach
© Marius Becker/dpa
Kuriositätenkabinett Bundesliga: Der Tabellenletzte schöpft Hoffnung aus einem 1:4, ein Wunderstürmer trifft aus anderthalb Metern das Tor nicht, und im "Doppelpass" wird dummes Zeug geredet. Na gut: Letzteres ist nicht wirklich kurios, sondern Gewohnheit – aber diesmal war's wirklich besonders dumm.

So lief der Spieltag

Alle Ergebnisse des 9. Spieltags, die Tabelle und Statistiken zum Nachlesen finden Sie hier im stern-Ticker.

Aufreger des Spieltages

Manuel Neuer hat in den letzten Monaten gehalten wie der Weltmeister, der er ist. Da kann es schon mal passieren, dass der Gegner glaubt, gegen ihn nur mit unlauteren Mitteln ein Tor erzielen zu können. So wie die Stuttgarter nach dem Heim-1:3 gegen den Rekordmeister. Da wurde Neuer beim Stand von 1:1 gefoult, als VfB-Mittelfeldmann Tanguy Coulibaly ihn mit einem Griff an den rechten Unterarm aus dem Gleichgewicht brachte – der anschließende Treffer für die Schwaben wurde daraufhin von Schiri Osmers folgerichtig aberkannt.

Was aber die Stuttgarter nach dem Spiel nicht daran hinderte, mächtig zu jammern. Sportvorstand Thomas Hitzlsperger nannte die Entscheidung "grenzwertig", denn: "Ich finde, der ist nicht so gravierend, dass Manuel komplett aus dem Konzept kommt." Der verletzte VfB-Profi Nicolas Gonzales schrieb bei Instagram beleidigt: "Sie benutzen den VAR, wenn sie wollen." Und Trainer Pellegrino Materazzo sagte nach dem Spiel über das vermeintliche "Zupferle", wie es die "Bild"-Zeitung nannte: "Manuel Neuer war schon auf dem Weg nach unten, bevor er überhaupt berührt wurde. Das ist kein Foul, das man pfeifen muss. Für mich wäre es ein ganz normales Tor gewesen." Womit Materazzo doppelt falsch liegt, schließlich gibt es nur Fouls, die man pfeifen muss – denn jene, die man nicht pfeifen muss, sind auch keine. Und: Ein "normales" Tor wäre es schon deshalb nicht gewesen, weil es eben gegen Manuel Neuer gefallen wäre. Und der ist auf "normalem" Wege kaum zu bezwingen, sodass ein kleines Foul gegen ihn offenbar grundsätzlich erlaubt sein sollte. Wäre sonst auch irgendwie unfair.

Diego Maradona

Dieses Tor sollten Sie (nochmal) sehen

So mancher Beobachter war vor der Saison der Meinung, dass Union Berlin mit der Verpflichtung von Max Kruse in Anlehnung an dessen Leidenschaft fürs Zocken sozusagen "all in" gehen würde. Aber das Risiko zahlt sich aus, sind die Köpenicker doch nach dem 9. Spieltag seit acht Partien ungeschlagen und der 32-Jährige war mit sechs Toren und fünf Vorlagen an mehr als der Hälfte der 21 Treffer seines Teams beteiligt – von denen er zum Endstand gegen Eintracht Frankfurt den schönsten höchstselbst erzielte, aus 20 Metern in den Winkel.

"Das 3:3 war natürlich ein fantastisches Tor", geriet anschließend sogar Unions stets kritischer Trainer Urs Fischer ins Schwärmen wie ein Fan: "Ich habe mir das Tor nochmals von der Hintertor-Kamera angeschaut. Die Flugbahn ist wirklich außergewöhnlich. Den hat er schon toll getroffen."

Gewinner des Spieltages

Glückwunsch in Richtung Geißbockheim: Wer nach 18 sieglosen Spielen seine Negativserie ausgerechnet mit einem 2:1-Auswärtserfolg bei Borussia Dortmund beendet, muss zwingend als Gewinner des Spieltages betitelt werden.

Dabei profitierte der 1. FC Köln allerdings auch von der vergebenen Hundertprozentigen des Spieltages, die sich in der Nachspielzeit ereignete, als ausgerechnet Wunderstürmer Erling Haaland mit seinem Fehltritt anderthalb Meter vor dem Tor den Beweis erbrachte, dass auch Tormaschinen manchmal nur Menschen sind.

Verlierer des Spieltages

Wie hoffnungslos die Lage auf Schalke wirklich ist, zeigten die Reaktionen nach dem 1:4 bei Borussia Mönchengladbach. So bezeichnete zum Beispiel Teammanager Sascha Riether die deutliche Pleite als "Schritt nach vorne", und auch Vereinsikone Benedikt Höwedes sprach in der Fußball-Talkshow "Doppelpass" davon, dass dieses Spiel ihm, ja wirklich, Hoffnung mache.

Apropos "Doppelpass": Abgesehen davon, dass den seit 25 Bundesliga-Spielen sieglosen Knappen jetzt nur noch sechs solcher Misserfolgserlebnisse fehlen, um den vermeintlich ewigen Rekord von Tasmania Berlin aus der Saison 1965/66 einzustellen, hatte Königsblau am Sonntag plötzlich auch noch einen anderen Aufreger an der Backe – als Steffen Freund in besagter Sport1-Sendung eine Verbindung zwischen undisziplinierten Verhaltensweisen der suspendierten Schalker Spieler Nabil Bentaleb und Amine Harit und deren Nationalität zog.

Bentaleb sei einer der besten Spieler: "Aber er ist französisch-algerischer Herkunft", so Freund. "Wenn sie einen Kaderplaner haben, muss man wissen, dass da auch eine Disziplinlosigkeit schnell kommt, wenn er nicht derjenige ist, der gesetzt ist." Es sei aber wichtig zu "malochen" auf Schalke: "Und dann bin ich eben bei Harit – auch er kann das natürlich nicht, mit seinen Wurzeln", sagte Freund weiter. Harit ist ein in Frankreich geborener marokkanischer Nationalspieler.

In derselben Sendung versuchte Freund später seine Aussagen zu erklären. "Ich habe in den öffentlichen Medien gehört, dass das rassistisch rübergekommen ist", sagte der 50-Jährige, der davon offenbar allen Ernstes überrascht wurde. "Das war so natürlich nicht gemeint." Jedoch spiele die Herkunft eine Rolle, wie man als Mensch aufwachse und bezüglich der Mentalität: "In Tottenham, wenn ihm das Spiel nicht gefallen hat, hat er das Spielfeld einfach verlassen", so Freund, der ebenso wie Bentaleb früher für die Hotspurs spielte.

Der Verein sah sich anschließend seltsamerweise zur Rechtfertigung gezwungen. "Die Denkpause für #Harit und #Bentaleb hat nichts mit deren Wurzeln zu tun!", schrieb der FC Schalke 04 bei Twitter. "Sowas hat für uns grundsätzlich nichts mit der Herkunft zu tun."

Mmh. Man kann den Schalkern in diesem verfluchten Jahr 2020 zwar viel vorwerfen – aber zumindest DAS hatte ja auch niemand behauptet. Nicht einmal Steffen Freund.

Bild des Spieltages

Maradona-Trikot auf der Tribüne in Dortmund
© Friedemann Vogel - Pool/Getty Images

Er war an diesem Fußball-Wochenende rund um den Globus allgegenwärtig. Und auch in der deutschen Bundesliga wurde dem am vergangenen Mittwoch im Alter von 60 Jahren einem Herzinfarkt erlegenen Fußball-Mythos Diego Maradona mit Gedenkminute und Trauerflor gedacht – oder wie hier auf der leeren Tribüne des Signal-Iduna-Parks in Dortmund sogar mit Trikots und argentinischer Flagge.

tim

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