Es war mal wieder alles angerichtet. Der Rest der Bundesliga hatte dem FC Bayern vor dessen Spitzenspiel in der heimischen Allianz Arena am Sonntagabend gegen RB Leipzig beste Voraussetzungen beschert: Der BVB leistete sich eine unnötige Niederlage in Leverkusen, die Borussia aus Mönchengladbach konnte wegen Sturm "Sabine" ihr Derby gegen den 1. FC Köln gar nicht erst ausrichten.
So hätte der Tabellenführer aus München seine direkten Verfolger mit einem Sieg erstmals in dieser Saison ein wenig distanzieren können. Der neutrale Fan stöhnte deshalb schon am Samstagabend reflexartig auf, denn die traumatisierende Langeweile im Titelrennen der letzten Jahre hat ihre Spuren hinterlassen. Nicht wenige erwarteten deshalb einen Sieg des Rekordmeisters mit zwei bis fünf Toren Vorsprung, also ein einschüchterndes Statement zur rechten Zeit, wie so oft seit 2013.
FC Bayern: "Spiel bewusst langsam gemacht"
Und dann ist es doch anders gekommen, so ganz anders als gewohnt: "Wir haben es verpasst, aus diesem Spiel unser Spiel zu machen", so Thomas Müller im Anschluss an das torlose Unentschieden. Man habe nicht mehr diese Energie, diesen absoluten Siegeswillen gehabt, wobei die risikoarme Spielweise durchaus Teil des Matchplans gewesen sei: "Wir wussten das ganze Spiel über, dass die Leipziger ihre Stärken im Umschalten haben, deshalb haben wir bewusst das Spiel langsam gemacht", ließ der Ur-Bayer wissen. "Wir haben uns dabei aber unserer Stärken, unserer Impulse und unserer Aktivitäten beraubt."

Diese zögerliche Herangehensweise sagt mehr über die Münchner Mannschaft im Jahr 2020 aus, als viele Bayern vielleicht wahrhaben wollen: Denn auch wenn das Team unter Flick zuletzt stabiler wirkte, handelt es sich doch immer noch um die gleichen Spieler, die in dieser Saison zum Beispiel Punkte in Augsburg liegen ließen, zuhause gegen Hoffenheim verloren und in Frankfurt mit 1:5 unter die Räder kamen.
Kurz: Der FC Bayern ist den Beweis echter Klasse – trotz Kantersiegen gegen den BVB und bei einer indisponierten Truppe von Tottenham Hotspur – bislang schuldig geblieben, weil sie sich, zugegeben, auch erst in Spielen wie gestern oder den späteren Runden der Champions League zeigen kann.
Doch die Prognose, erst recht im unfairen Vergleich mit den großen Mannschaften der Heynckes- oder Guardiola-Ära, fällt nicht allzu schwer: Diesen FC Bayern sollte man nicht überschätzen! Ein entsprechend klares Signal hat der Seriensieger spätestens mit der Nullnummer gegen Leipzig an den Rest der Liga gesendet.
Konstanz dürfte in diesem Jahr zum Titel reichen
Dies nimmt allerdings die Verfolger mehr denn je in die Pflicht: In Dortmund werden sie sich nach diesem Spieltag umso heftiger ärgern über den möglichen Sieg, den die Mannschaft von Lucien Favre in der BayArena auf törichte Weise verschenkt hat. Auch die Leipziger sind seit Beginn der Rückrunde bereits mit Fahrlässigkeiten in Liga und Pokal aufgefallen. Und Borussia Mönchengladbach zeigt sich in direkten Duellen mit den Bayern schon lange auf Augenhöhe, versäumt es aber ebenso regelmäßig, diese Klasse gegen "kleine" Gegner zu bestätigen.
Für alle Bayern-Jäger gilt: Wer Konstanz in seine Leistungen bringt, hat in diesem Jahr beste Chancen auf den Titel. Sie sollten auch im Sinne des deutschen Fußballs genutzt werden. Denn wenn es selbst für diese Münchner noch zur Meisterschaft reichen sollte, dürften den wohlgesonnenen Hofberichterstattern von "Sky" bis "Sportschau" endgültig die Superlative ausgehen, mit denen sie dem vermeintlichen Premiumprodukt Bundesliga ständig so schamlos ein bisschen Spannung einreden wollen.