Humor-Notruf aus der "Nachgetreten"-Redaktion: "Wir haben keine Ideen!", offenbarte Moderator Ingolf Lück am Ende der EM-Comedy-Show kurz vor Mitternacht und appellierte an die Zuschauer: "Wenn Sie Ideen haben... helfen Sie uns!". Konkret gesucht wird ein witziges Sprüchlein zu einer Szene aus dem Spiel Deutschland gegen Österreich, ein grimmiger Lukas Podolski brüllt da seinem Gegenspieler Emanuel Pogatetz drei sehr deutliche Worte ins Gesicht. Die Schwierigkeit: Das passende Worte müssen mit den Buchstaben F, D und M beginnen, Podolskis Lipppenbewegungen legen das nahe. Damit auch wirklich jeder weiß, was er tun soll, präsentierte Lück drei Beispiele, die seiner Comedy-Runde eingefallen waren: Fang den Mond, Fön deine Mutter, Flick deine Mofa. Alles klar?
Bis zu Lücks Aufruf war es ein sehr entspannter Fußballtag im ZDF. Allgemeines Aufatmen nach dem Sieg im Gruppenendspiel gegen Österreich, auch Johannes B. Kerner und seinen beiden Experten auf der Bregenzer Seebühne war die Erleichterung anzumerken. Man verlustierte sich bei Sonneschein und blauen Himmel mit ein paar Gomez-Chancentod-Zeitlupen und einigen Wiederholungen von Ballacks Freistoß ("Ein Schuss wie ein Blitzschlag"). Auch Jogi Löw gab sich ganz locker: "Ich habe mich gestern schon ein bisschen geärgert, dass ich ständig zurückgepfiffen wurde", gab der Bundestrainer im Interview mit Michael Steinbrecher zu Protokoll. Schuld an seinem Platzverweis sei letztendlich die große Coaching Zone gewesen: "Es waren mindestens 15 Meter von der Bank bis zum Spielfeldrand. Da muss ich ja mehr laufen als die Mannschaft."
Löws Witz beflügelte Kerner
Der Witz des Bundestrainers beflügelte insbesondere den gut gebräunten Kerner: "Eigentlich wollten wir über das Spiel den Mantel des Schweigens hüllen, aber ein Zirkuszelt in dieser Größe haben wir nicht gefunden", leitete er zu einer ausführlichen Diagnose der drei größten deutschen Probleme vor dem Portugal-Spiel (Offensive, Verletzungen, Christiano Ronaldo) mit einem Späßchen über. Und legte gleich noch mal humorig nach: "Es wird ein Abend für Mathematiklehrer", witzelte er über die komplizierte Tabellensituation in der "Todesgruppe C", die man weniger martialisch "Ausscheidegruppe" nennen könnte. Und bezüglich der vielen Mutmaßungen, Gruppensieger Holland könnte sich im Spiel gegen Rumänien nicht richtig reinhängen, hatte er einen Scherz auf Lager: "Viel Spekulatius."
Wirklich komisch waren dagegen die Bilder vom französischen Mannschaftsbus, der bei seiner schwungvollen Einfahrt zum Stadion einen Pfeiler gerammt hatte. Minutenlang versuchte der Fahrer danach, das silberfarbene Luxusgefährt irgendwie zwischen Absperrzaun und diversen Autos hindurch um eine Ecke zu navigieren. (Klopp: "Da wird der Raum eng."). Gelungen war ebenfalls ein eingespielter Werbespot, bei dem sich Bayern-Stars Luca Toni (mit "Campioni-del-Mondo-Trikot) und Franck Ribéry (mit Marsellaise-Handyklingelton) gegenseitig hoch nehmen und sich dabei durchgehend schlapp lachen.
"Sakotzi" bekam Prügel in der Polit-Satire
Zur Einstimmung auf das Spiel Italien gegen Frankreich gab es ein bisschen Politsatire. In einem Animationsfilm, produziert von Redakteuren des "Auslandsjournals" (Kerner: "Wichtige politische Sendung im ZDF") streiten Nicolas Sarkozy und Sylvio Berlusconi, alias Sarkotzi und Korruptioni, um den Sieg und Carla Bruni. "Die Skandalnudel hat in Italien jeden durch", sagt Korruptioni und es kommt zur Prügelei zwischen den Comic-Staatsmännern. "So wie ich die Politik bei euch kenne, bist du bis zum Finale gar nicht mehr im Amt", kontert Sarkozy. Das Ganze endet einigermaßen unheimlich mit einer ebenfalls animierten Angela-Merkel-Animation im Deutschland-Look, die die beiden mit ihrem Aufruf zum Trikottausch in die Flucht schlägt.
Mit dem Sieg gegen Österreich im Rücken konnte man sich hierzulande beim Spiel des Abends bequem zurücklehnen. Reizvoll die Aussicht auf schönen Fußball und das Ausscheiden einer großen Nation, die nicht Deutschland heißt. Niederlande gegen Rumänien lief lediglich im ZDF-Infokanal, der Spielstand der Partie war aber durchgehend eingeblendet und bei beiden Toren wurde sofort zu Thomas Wark nach Basel geschaltet. Schade, dass bei der Neuauflage des WM-Finales spätestens nach dem zweiten Tor der Italiener die Luft raus war. "Ich muss an die Türken denken: Die lagen gegen Tschechien auch 2:0 hinten und haben das Spiel noch gedreht" versuchte Kommentator Béla Réthy vergeblich zum Ende hin noch mal Spannung aufzubauen. Die Italiener standen einfach zu souverän.
In der Todesgruppe muss keiner sterben
"Obwohl das ganze ‚Todesgruppe' hieß, musste keiner sterben" meldete sich Kerner im Anschluss "mit guter Laune" von der Seebühne zurück. Spätestens als in Bregenz (wieder mal) der Regen einsetzte, wurde es richtig lauschig. Nach einem kleinen Streit über die Halbwertzeit von Roten Karten bei EM-Tunieren nahmen sich Klopp und Meier wieder (mal) in den Arm. Gemeinsam unterm Regenschirm bedauerten sie den anscheinend schwerer verletzten Franck Ribery und schmunzelten über die vielen vergebenen Chancen von Luca Toni. Nahkampfqualitäten entwickelte dagegen ZDF-Reporterin Anne Reidt, die sich in Frankfurt in einen wild feiernden Pulk italienischer Fans gestürzt hatte. Urkomisch wie sie unbeirrt weiterkommentierte, während sie langsam in einer Woge aus Fangesängen, Flaggen und Oberkörpern unterging.
Bei "Nachgetreten" war es schnell wieder vorbei mit derartiger Eleganz: Gewohnt rustikal bekalauerte die Comedy-Runde um Ingolf Lück das aktuelle Fußballgeschehen - und war dabei sogar gelegentlich ganz unterhaltsam. Es tut der Sendung spürbar gut, dass inzwischen nur noch jeder zweite Gag mehr oder minder direkt in der Enddarm-Region spielt. Dass Oliver Welke eine Steilvorlage wie Kerner "Ausscheidegruppe" nicht entgehen lassen würde, war irgendwie vorherzusehen.
Auch wenn man bei "Nachgetreten" nicht mehr durchgängig das spontane Gefühl verspürt, sich ein Kissen vor die Augen zu halten, bleibt es dabei: Die Sendung ist alles andere als ein Ruhmesblatt für das ZDF, ganz egal wie gut die Quoten sind. So gesehen nur konsequent, dass Lück am Ende der Sendung zum letzten Mittel griff und die Zuschauer um neue Ideen bat und uneingeschränkt zu unterstützen. Sollte Ihnen inzwischen vielleicht etwas Witziges eingefallen sein, was Prinz Poldi seinem Gegenspieler mit den Buchstaben F, D und M ins Gesicht gebrüllt haben könnte, so schicken Sie es bitte unverzüglich an das Comedy-Team von "Nachgetreten" (www.nachgetreten.zdf.de). Es eilt. Wirklich.