Wenn man als Reporter bei der EM unterwegs ist, dann muss man sich entscheiden: Entweder man sieht sich die Spiele in Österreich an, oder man bereist die Schweiz. Beides geht nicht. Es sei denn, man begleitet die deutsche Nationalmannschaft, wohnt also im Tessin, fliegt mit den seit Monaten ausgebuchten Chartermaschinen zu den Vorrunden-Spielen des DFB-Teams nach Klagenfurt und Wien, um im Anschluss sofort wieder zurück an den Lago Maggiore zu jetten. Mit dem Auto ist der Länderspagat nicht zu machen.
Da lob ich mir also meinen Plan: Erste Woche Österreich, zweite Woche Schweiz. Logistisch viel angenehmer, und dennoch gibt es einen gravierenden Nachteil: Die Spiele, die man sich als Reporter nicht direkt im Stadion anschaut, muss und will man natürlich im Fernsehen beobachten. Das sind für mich also vorrangig die Partien, die in der Schweiz ausgetragen werden.
Ich fass es nicht
Warum das ein Nachteil sein soll, fragen Sie mich. Nun, an meinem riesigen Flat-TV im Hotelzimmer nahe Salzburg liegt es jedenfalls nicht. Vielmehr an der Folter-Berichterstattung des ZDF. Wobei ich hier ausschließlich auf die Kommentatoren-Leistung beim Spiel Portugal gegen Türkei anspiele. Von Johannes B. Kerner, Jürgen Klopp und Urs Meier mag man halten, was man will. Fachlich kann man dem Trio jedenfalls nur selten etwas vorwerfen.
Komplett anders verhält sich die Lage beim Mann am Mikrofon, den wir hier der Fairness halber nicht beim Namen nennen werden. Schlimme Anfängerfehler, die nicht mal meiner kleinen fußballbegeisterten Patentochter unterlaufen würden, reihen sich da aneinander. Mir jedenfalls ist der Kaiserschmarrn fast im Hals stecken geblieben.
Kleine Kostprobe gefällig? Aus Weltklasseverteidiger Ricardo Carvalho macht der ZDF-Mann kurzerhand "Roberto" Carvalho und denkt dabei wohl mehr an einen Unterhosen-Designer als an Michael Ballacks Mitspieler beim FC Chelsea. Und weiter geht's: Fernando Meira, immerhin Kapitän von Ex-Meister Stuttgart, heißt im Zweiten Deutschen Fernsehen "Fernando Meiro". Cristiano Ronaldo hingegen wird vom ZDF kurzerhand nach Chelsea verfrachtet und nicht zu Manchester United, wie es sich gehört ... Ich fass es nicht.
"Stange", "Corner" und "Fersler"
Damit wir uns richtig verstehen: Ich bin nicht der Typ Meckerer, der in solchen Fällen sofort die Gebührendebatte aus dem Hut zaubert. Aufregen darf man sich aber sehr wohl darüber, dass da einer der wichtigsten Sportkommentatoren des Landes ganz offensichtlich seine Hausaufgaben nicht gemacht hat.
Ich verzweifele also vor meinem TV-Gerät, zappe einfach so aus Frust weiter - und lande beim ORF. Dort läuft dasselbe Spiel, kommentiert von einem Wiener Reporter. Und wie! Wunderbar sachlich geht es zu im österreichischen Fernsehen. Ganz wichtig: Nur das Nötigste wird kommentiert. Es gibt auch mal Pausen. Bei einem üblen Foul eines Türken an Portugals Nani fällt der ORF-Kommentator auf Anhieb und ohne Zeitlupe das richtige Urteil: "A klare rote Karten." Schnell schalte ich auf meinen neuen Hass-Sender um. Im ZDF hört sich das so an: "Nee nee, das war nix." Dann die zweite Zeitlupe. "Oh ja, jetzt seh ich es auch, das war ja doch ein übles Foul."
Für den Rest des Abends fasse ich die Fernbedienung nur noch einmal an, schalte auf ORF und bleibe dort. Und so werde ich es auch in Zukunft handhaben. Mal ganz abgesehen vom fachlichen Niveau, bin ich ab sofort auch ein Fan der österreichischen Fußballsprache. Finden Sie nicht auch, dass sich "Stange", "Corner" und "Fersler" fiel charmanter anhören als "Pfosten", "Ecke" und "Hackentrick"?
Mein absoluter Favorit ist allerdings diese Formulierung: "Da übergibt er die Schleife an seinen Mitspieler." Rätseln Sie mal schön, was das heißen könnte. Sie tun mir fast Leid, Sie Daheimgebliebenen. Aber trösten Sie sich, bald ist ja die ARD mit der Übertragung dran …