Die Öffentlich-Rechtlichen bieten bei der EM viel Manpower auf. Etliche Außenreporter sammeln Informationen und Stimmungen am Spielfeldrand und auf den Straßen, trotzen Wind und Wetter und langweiligen Spielerstatements. Die wirklich prägenden Figuren sind jedoch die Moderatoren. stern.de betrachtet drei unterschiedliche Typen in der Nahaufnahme.
Die Arbeiterin
Am Freitag traute man seinen Augen nicht: Eine Frau mit offenen Haaren und einem strahlend weißen Blazer stand auf der Ostseebühne. Hatte das "Traumschiff" in Heringsdorf festgemacht und Heide Keller alias Chefhostess Beatrice Freigang? Erst als die Kamera aufzog und unter dem Blazer eine pinkfarbene Hose ins Bild kam, erkannte man sie wieder: Katrin Müller-Hohenstein, die Chefplauderin des ZDF. Modisch nicht immer in der ersten Reihe, doch unter der Klamotte mit dem Herzen auf dem rechten Fleck.
Müller-Hohenstein hat einen Titanenjob bei dieser EM: Sie muss mehrere Hundert Kurgäste bei Laune halten ("Herzlich willkommen! Hallihallo! Hallihallo!"), ihre Online-Praktikantin mit Aufträgen versorgen ("Sag nochmal schnell die Webadresse, Jeannine!") und ihrem Fernsehexperten den Ball immer so hinlegen, dass er ihn nur noch reinmachen muss ( "Oliver, wir sind gespannt auf deinen Tipp"). Die 46-Jährige sieht manchmal sehr müde aus auf ihrem schwimmenden Ponton. Wenn "Oliver" sich wie so oft in seinem Endlos-Ego verirrt, steigt sie meistens aus und sortiert ihre Spickzettel. Jeder ihrer Blicke verrät dann: Lieber Gott, lass diesen Kahn an mir vorüberziehen. Die Augen von Katrin Müller-Hohenstein sind viel zu blau für die trübe Algensuppe, die sie umgibt.
Der Kulturbeutel
Wessen Geistes Kind Reinhold Beckmann ist, zeigt sich schon daran, wie er Zlatan Ibrahimović ausspricht: mit rollenden "r" und zischendem "itsch". Ich bin in den Kulturen der Welt zu Hause, soll das heißen, und auch sonst sehr aufgeweckt. Man will sich nicht ausmalen, wie der Mann beim Italiener seine Pizza bestellt. Beckmann ist ein typischer Schönspieler: viel Tiki-Taka, aber keine Tore. Während er seine Sätze wie parfümierte Rosen in die Luft wirft ("Die Leinen sind noch nicht los! Die Gedanken noch nicht frei!"), überlegt sich Scholl schon mal was Substantielles zum Spiel.
Jüngst wurde Beckmann in einem internen Papier des ARD-Programmbeirats mit Lob überschüttet. Wie er frage und zuhöre und die Gespräche strukturiere, sei "brillant". Doch anders als bei seinem Gesellschaftstalk spät nachts sitzen bei der EM nicht nur pensionierte Lehrer vor dem Fernseher. "Ich will nicht, dass Zlatan vor mir steht!", rief er am Freitag. Das ist verständlich, denn dann würde rauskommen, dass er weder Schwedisch noch Serbokroatisch spricht.
Der Scherzkeks
Als Gerhard Delling wegen der Erkrankung seiner Mutter nach Deutschland zurückkehrte, sprang Matthias Opdenhövel für ihn ein. Er machte seine Sache prima und wird Delling auch bei Deutschland gegen Dänemark am Sonntag vertreten. Opdenhövel unterscheidet vor allem eine Sache von Beckmann: Er hat Humor. Das wiederum verbindet ihn mit Delling. Dass er es mit seiner Flapsigkeit manchmal übertreibt ("Da schickt er Fernando Torres schön auf die Rutsche"), sieht man ihm nach, denn der 41-Jährige hat richtig Ahnung von Fußball.
Scholl findet "Opdi", wie er Opdenhövel nennt, wahnsinnig komisch. Er schmunzelte und kicherte beim Spanienspiel am Freitag in einer Tour, wenn bei "Opdi" einer "abgetanzt" wurde (ausgespielt) oder einen "Strahl von hinten" losließ (Fernschuss). Selten erlebte man Scholl so ausgelassen. Und selten wurde ein Fußballgespräch streckenweise zu einem echten Doppelpass wie bei den beiden ("Worum geht's hier, Opdi?" – "Um den Titel" – "Und wie holt man den?" – "Sag du's mir"). Wenn Delling wieder einsatzbereit ist, muss Opdenhövel zurück in den Danziger Regen und von der deutschen Elf berichten. Das ist schade, aber "Opdis" Zeit wird kommen.