13 Tage vor dem Ernstfall gegen die Niederlande hat Vize-Weltmeister Deutschland dank Doppel-Torschütze Kevin Kuranyi den Härtetest gegen die Schweiz gewonnen und Selbstvertrauen für die Europameisterschaft getankt. Beim 2:0 (0:0)-Sieg am Mittwochabend in Basel offenbarte die EM-Wunschformation allerdings noch Mängel in allen Mannschaftsteilen, die Teamchef Rudi Völler bis zum EURO-Auftaktspiel am 15. Juni beheben muss. Vor 30.000 Zuschauern im St. Jakob-Park erzielte der Stuttgarter Kuranyi (62./84.) mit seinem ersten Doppelpack im Nationaltrikot kurz vor Ablauf der EM-Nominierungsfrist beide Treffer.
Reaktionen
DFB-Teamchef Rudi Völler: "In der Schweiz 2:0 zu gewinnen, ist nicht so einfach. In der ersten Halbzeit hatten wir ein paar Probleme, sonst haben wir das Spiel beherrscht. Wir haben in den letzten Tagen sehr hart trainiert, da kann so ein Spiel auch schon mal in die Hose gehen. Wir werden jetzt nicht abheben, nur weil wir zwei Spiele gewonnen haben."
Michael Ballack: "Ich freue mich, dass wir gewonnen haben. Das war für uns wieder ein Schritt nach vorne. Trotzdem müssen wir bis zur EM noch hart arbeiten."
Oliver Kahn: "Man hat beiden Mannschaften angemerkt, dass sie noch in der Vorbereitung auf die Europameisterschaft sind. Ich denke, wir haben ganz gut gestanden. Darauf lässt sich aufbauen. Ich beschäftige mich nur mit der EM und konzentriere mich auf das Training. Alles andere ist zweitrangig. Das Thema wird erst nach der EM konkret werden. Ich bin jetzt im besten Torwart-Alter."
Torsten Frings: "Wir haben den ersten Konter richtig gesetzt und deshalb verdient gewonnen."
Bis auf den Dortmunder Torsten Frings, der aus taktischen Gründen Frank Baumann von Double-Gewinner Werder Bremen Platz machen musste, schickte Völler jene Elf auf den Rasen, die auch am 15. Juni das EM-Auftaktspiel in Porto gegen die Niederlande bestreiten könnte. Allerdings ließ das Team von Basel vor allem in der Offensive noch viele Wünsche offen. Das deutsche Spiel war zu oft auf Zufall aufgebaut, es fehlten das Überraschungsmoment und durchdachte Kombinationen, um die Abwehr der ballsicheren Schweizer auszuhebeln.
Ballack bemüht, aber wenig effektiv
Das lag nicht zuletzt daran, dass Michael Ballack sechs Tage nach seiner mit vier Toren garnierten Gala gegen Malta der Partie nicht seinen Stempel aufdrücken konnte. Der Regisseur wirkte zwar bemüht, erhielt aber in seiner vorgezogenen Position kaum brauchbare Bälle und zudem von Dietmar Hamann und Bernd Schneider auch viel zu wenig Unterstützung.
Während Oliver Kahn ungeachtet der Spekulationen um seinen möglichen Vereinswechsel ein sicherer Rückhalt des Teams war und auch Jens Nowotny im Deckungszentrum eine souveräne Leistung bot, präsentierte sich der Sturm eine Stunde lang als laues Lüftchen. Weder von Miroslav Klose, der für Fredi Bobic zum Einsatz kam, noch Kuranyi ging auch nur ansatzweise Gefahr aus, ehe das Duo von den Gastgebern förmlich zum Toreschießen eingeladen wurde.
Abwehrfehler leitet die Führung ein
Nach einem schweren Fehler von Bernt Haas leitete Klose weiter auf Kuranyi, der zum 3. Mal im Nationaltrikot traf. 22 Minuten später zeigte der Stuttgarter 100-prozentige Effizienz, als er eine Vorlage von Arne Friedrich zum 2:0 im gegnerischen Tor unterbrachte und damit seinen vierten Länderspiel-Treffer erzielte. In der 66. Minute kam für Klose Thomas Brdaric aufs Feld, der erstmals seit zwei Jahren wieder im DFB-Team spielte und auf Anhieb seine Verwendbarkeit als Konterstürmer andeutete.
Verlass war auf die Abwehr, die konzentriert begann und nur gelegentliche Abstimmungsprobleme erkennen ließ. Die stellten sich vor allem bei Christian Wörns und Philipp Lahm ein, wenn die quirligen Alexander Frei und Hakan Yakin Druck machten. Auch Dietmar Hamann im defensiven Mittelfeld strahlte nicht die gewohnte Souveränität aus. Dagegen war Nowotny im Abwehrzentrum ein sicherer Rückhalt und klärte manch brenzlige Situation.
Klägliche Chancenverwertung
Im 48. Vergleich der beiden Nachbarn bot sich den mit vier Bundesliga-Legionären angetretenen Eidgenossen durch Frei (13.) die erste Tormöglichkeit. Der Angreifer von Stade Rennes scheiterte mit seinem Schuss aus 14 Metern an dem aufmerksamen Kahn. Neun Minuten später verhinderte der Bayern-Keeper auch beim Schuss von Johann Vogel einen drohenden Rückstand. Dagegen kam das deutsche Offensivspiel nur schwer auf Touren. Lange Zeit sorgte allein Verteidiger Arne Friedrich mit seinen energischen Vorstößen für Unruhe beim Gegner.
Die wenigen Chancen wurden durchweg kläglich vergeben. So ließ sich Klose (27.) den Ball in bester Schussposition noch vom Fuß spitzeln. Vier Minuten später landete der viel zu schwache Schuss des künftigen Bremers in den fangbereiten Armen von Jörg Stiel. Danach verhinderte der Schlussmann von Borussia Mönchengladbach nach einer missglückten Kopfball-Abwehr von Murat Yakin (33.) ein drohendes Eigentor.
Auch nach Wiederbeginn erwischten die Hausherren den besseren Start. In der 53. Minute vereitelte Nowotny mit seiner Rettungstat das mögliche 0:1, nachdem Haas im Anschluss an einen Freistoß von Hakan Yakin völlig frei vor Kahn aufgetaucht war. Ausgerechnet Haas leitete dann die überraschende deutsche Führung ein, als er eine Ballack-Flanke Klose vor die Füße köpfte, der sich für das Geschenk mit seiner Torvorlage auf Kuranyi bedankte.