ETV Hamburg gegen Greuther Fürth DFB-Pokalspiel droht zur Farce zu werden

Beim ETV Hamburg fiebern die Kicker dem wohl größten Spiel ihrer Karriere entgegen: Im DFB-Pokal gegen Fürth. Nach einem Prämienstreit treten aber nicht die Akteure, die die Qualifikation geschafft haben, sondern die zur "Ersten" beförderten A-Jugendlichen des Clubs an.

Die Freude war groß am 1. Juni bei Offiziellen und Spielern des Eimsbütteler Turnverbands. Nach einem Sieg im Endspiel des Hamburger Pokals winkte dem Traditionsclub das Schnuppern in die große Fußballwelt. Geblieben ist davon fast nichts außer Streit um die Einnahmen. Die Mannschaft trat aus dem Verein aus, der nun mit A-Jugendlichen gegen Fürth antreten will und damit Geschichte schreiben könnte.

Der ETV war vor und nach dem Zweiten Weltkrieg über viele Jahre erstklassig, bildete einige Nationalspieler aus und war mehrmals Teilnehmer an der Endrunde um die deutsche Meisterschaft. Man schaltete den Hamburger SV aus und besiegte in Heimspielen den späteren Meister Schalke 04. Am Sprung über die Hürde in den modernen Profifußball scheiterte der Club aber.

1978 wurde die alte Tribüne abgerissen und durch eine Tennishalle ersetzt. Die Abgrenzung zur glorreichen Zeit war unumstößlich vollzogen. Und so ist auf dem Sportplatz am Lokstedter Steindamm, der heute nicht viel mehr als gut 1.000 Stehplätze anbietet, nichts geblieben von der Tradition außer den wohlklingenden Worten des ehemaligen Präsidenten der Akademie der Künste Walter Jens, der einst schwärmte: "Wenn ich den letzten Goethe-Vers vergessen habe, werde ich den Eimsbütteler Sturm noch aufzählen können - Derle Ahlers, Otto Rohwedder, Herbert Panse, Kalli Mohr und Hanno Maack."

Erfolg aus dem Nichts - Streit um Einnahmen

Die Ruhe dieser Idylle drohte in diesem Frühjahr plötzlich eine junge, ambitionierte und sehr engagierte Mannschaft zu stören. Das Team spielte größtenteils seit der Jugend beim ETV unter Trainer Dennis Mitteregger zusammen. Beim Erreichen des Herrenfußballs traten die Spieler in der Kreisliga an, stiegen zweimal schnell auf, überholten die eigene erste Mannschaft und gewannen schließlich den Hamburger Pokal, der zur Teilnahme am DFB-Pokal berechtigt. Auf dem Weg dahin hatte man sechs Oberligisten aus dem Wettbewerb gekegelt.

Der Freude folgte eine erste Ernüchterung, als dem Amateurverein "nur" Zweitligist SpVgg Greuther Fürth zugelost wurde. Die ganz große Einnahme sollte es nicht geben und prompt stritt man ums Geld. Der Gesamtverein wollte die Hälfte des Geldes für einen Kunstrasenplatz, die Mannschaft und mit ihr die Abteilungsleitung wollte dem Kunstrasenprojekt nur etwa 40.000 der 110.000 Euro überlassen.

Die Spieler sollten auf diese Weise eine Prämie von etwa 25.000 Euro erhalten - der Rest in Ausrüstung und den Etat für die kommende Saison gesteckt werden. Damit war wieder der Gesamtverein unter Leitung von Geschäftsführer Frank Fechner nicht einverstanden. Um in Goethes Gedankenwelten zu verbleiben, wurde man die Geister, die man gerufen hatte, nun nicht mehr los. Am Ende wurde man das offensichtlich zu erfolgreiche Team dann doch noch los, denn es trat bis auf einen Reservespieler geschlossen aus dem Verein aus, da es auch den Eindruck gewonnen hatte, dass ein anvisierter Aufstieg in die Oberliga vom Gesamtverein nicht gewollt war.

Nun sollen es Jugendliche richten

Vermittlungsversuche des Pokalsponsors Lotto Hamburg wurden von Fechner abgeblockt. Ein letztes Angebot vom Verein nahm die Mannschaft nicht an. Sie hätte unter einem neuen Trainer und einer neuen Abteilungsleitung zurückkehren dürfen. Das Tischtuch war zerschnitten. Der Geschäftsführer des Sponsors Siegfried Spies urteilte traurig: "dass der Verein ein abschließendes - möglicherweise klärendes - Gespräch verweigert hat. Mein Mitgefühl gilt insbesondere der Mannschaft, die unter starkem Engagement und persönlichem Einsatz den Oddset-Pokal gewonnen hat."

Für das Ziel Pokalsieg hatte sich das Team zuvor bis zu fünfmal in der Woche zum Training unter teilweise sehr widrigen Bedingungen getroffen. Der Traum war verwirklicht worden. Weiterträumen war allerdings nun nicht mehr angesagt. Der Verein zeigte keine weitere Kompromisslinie mehr auf. Die Spieler suchten sich kurzfristig neue Vereine.

Der ETV stand Anfang Juli noch ohne Mannschaft da. Doch die Vereinsführung hatte einen kostengünstigen Plan. Die A-Jugend des Clubs hatte die Hamburger Meisterschaft errungen und den Aufstieg in die Regionalliga erreicht. Diese Jugendlichen sollten nun das Eisen aus dem Feuer holen. Der übertragende TV-Sender murrte kurz vernehmlich, doch die Verantwortlichen ließen sich nicht mehr vom Plan abbringen.

Alles andere als harmlos?

Verstärkt wurde das Team, mit dem genannten 23-jährigen früheren Ergänzungsspieler und zwei Studenten, von denen einer laut dem Hamburger Abendblatt von nun an auf Fast Food verzichten wollte. Hinzu kam noch der dreißigjährige Matthias Rosmanith, der offenbar ein wenig Routine ins Team bringen soll. Auf durchschnittlich 19,2 Jahre kommt der Kader fürs Pokalspiel - drei Akteure haben das 18. Lebensjahr noch nicht einmal vollendet. Ohne Rosmanith ist der Schnitt bei etwa 18,5 Jahren.

Die Vorbereitungsspiele verliefen dann auch alles andere als erfolgreich. Gegen Kreis- und Bezirksligisten wie Komet Blankenese, TUS Osdorf II oder TBS Pinneberg reichte es nur zu einem Remis bzw. Niederlagen. Immerhin wurde am letzten Sonntag in der ersten Hamburger Pokalrunde der Rissener SV, ebenfalls ein Kreisligist mit 4:2 nach Verlängerung niedergerungen. Dass die Trainer des Gegners regelmäßig verärgert auf verlorene Zweikämpfe ihrer Spieler reagieren, ist verständlich, fehlt den jungen ETV-Fußballern doch eigentlich die nötige Robustheit und Erfahrung, um ein ernsthafter Gegner zu sein. Wie diese gegen ausgebuffte Profis bestehen sollen, ist ein Rätsel.

Das ist auch den Verantwortlichen in Eimsbüttel bewusst, doch man gibt sich optimistisch einigermaßen mithalten zu können. "Wir wollen am Sonntag ein Fußballfest feiern und trauen dieser Mannschaft zu, ein gutes Spiel abzuliefern. Ein Sieg wäre eine Sensation. Natürlich erwarten wir nicht, dass sie gewinnt", beschrieb Fechner die Situation am Mittwoch. Für das Match hat der Club eine Werbekampagne gestartet: Alles andere als harmlos: das jüngste ETV-Team aller Zeiten.

500 Karten im Vorverkauf - Historische Blamage droht

Ob es am Sonntag tatsächlich zu einem Fußballfest kommt, daran zweifeln nicht nur Hamburger Fußballexperten. Ganze 500 Karten waren bis Mittwoch verkauft worden. Von 2.500 zahlenden Kunden träumen die Offiziellen. Es ist wohl eine nicht erreichbare Utopie, denn von einer Pokaleuphorie ist in Eimsbüttel nichts mehr zu spüren. Das alte Team hatte hingegen hohe Sympathiewerte im Verein und im Stadtteil. So waren beispielsweise über 3.500 Fans zum Hamburger Pokalendspiel erschienen.

Manch einem ETV-Anhänger graut es hingegen mehr vor dem Sonntag. Denn der Verein könnte Geschichte schreiben. Die höchste Pleite im DFB-Pokal datiert aus dem Jahr 1941. Damals unterlag der VfB 05 Knielingen bei den Stuttgarter Kickers mit sage und schreibe 0:17. Der Verein hatte allerdings keine Schuld an diesem Debakel. Aufgrund des Krieges waren fast alle Spieler an der Front. So reisten die Badener im Gegensatz zum ETV nicht freiwillig mit Jugendlichen nach Stuttgart-Degerloch zu einem Gegner, der immerhin mit Edmund Conen und Albert Sing zwei deutsche Nationalspieler aufbot - beide trafen fünfmal in dieser Partie.

Um bei Fechners Worten zu bleiben: Eine einstellige Niederlage wäre daher schon fast eine Sensation. Die verstärkte A-Jugend des Vereins wird größte Probleme haben, den Abstieg aus der Landesliga zu vermeiden. Das haben die Vorbereitungsspiele auf die Partie am Sonntag sehr deutlich aufgezeigt.

Uwe Toebe

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