Sportliche Krise Orientierungslose Bayern: Sieben Gründe, warum der FCB vom Weg abgekommen ist

Großer Mangel insgesamt: Joshua Kimmich und Thomas Müller müssen sich Manchester City in der Champions League geschlagen geben
Großer Mangel insgesamt: Joshua Kimmich und Thomas Müller müssen sich Manchester City in der Champions League geschlagen geben
© Alexander Hassenstein / Getty Images
Das hat es lange nicht gegeben: Der FC Bayern München steckt in einer schweren Sinnkrise und droht sämtliche sportlichen Ziele zu verpassen. Zu viele Entscheidungen in der Vergangenheit haben sich als falsch erwiesen. Ein Blick auf die Problemfelder.

Die Bayern sind raus aus der Champions League. Gegen ein hochklassiges Manchester City, das sich derzeit in absoluter Topform befindet, hat der deutsche Rekordmeister in beiden Viertelfinal-Partien keine Chance gehabt. Einmal 0:3 und ein 1:1 lauten die Ergebnisse. Auch wenn es nach dem Rückspiel in der Allianz Arena viel Kritik von Trainer Thomas Tuchel am Schiedsrichter und am Rasen gab – weder das rutschige Geläuf noch der französische Referee Clement Turpin sind Schuld am Aus in der Königsklasse und damit am erneuten Verfehlen der hehren Saisonziele. Die Gründe für die schleichende Krise, die sich in den vergangenen Wochen verschärft hat, sind zahlreich. Hier ein kleiner Überblick der wichtigsten Probleme und Fehler, die die Bayern in den vergangenen zwei Jahren plagten.

1. Mangelnde Torqualität

Seit Robert Lewandowski die Bayern im vergangenen Sommer Richtung FC Barcelona verlassen hat, läuft die Debatte um die schlechte Torausbeute der Münchner. Sie ist auch einer der Hauptgründe, warum es sportlich rumpelt. Hat Sportvorstand Hasan Salihamidzic den Abgang des brillanten Torjägers unterschätzt? Es sieht fast so aus. Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn gab gerade zu, dass Erling Haaland als Nachfolger Lewandowskis ein Thema war. Der Transfer scheiterte, weil sich die Bayern den Super-Torjäger nicht leisten konnten. So wurde Sadio Mané verpflichtet, der sich bisher als Flop erwiesen hat, und der frühere Ersatzmann Eric Maxim Choupo-Moting kann nicht alle Tore allein schießen. Allerdings begannen die Probleme mit der Chancenverwertung schon zu Zeiten Lewandowskis. Das heißt: Es ist ein Problem der gesamten Offensive, des Spielsystems und der Kaderzusammenstellung.

2. Mangelnde defensive Stabilität

Die Bayern haben seit Jahren regelmäßig Probleme mit schwachen Abwehrleistungen. Das war auch unter Hansi Flick als Trainer so, aber durch die gnadenlos offensive Ausrichtung fielen vorne immer mehr Tore als hinten kassiert wurden. Jetzt, wo die Bayern nicht mehr so treffsicher sind, wird die Wackelabwehr zum Kardinalsproblem, besonders wenn sie von eklatanten Formkrisen wie bei Verteidiger Dayot Upamecano verstärkt wird.

3. Mangelnde Form

Nicht nur der 22-jährige Upamecano ist derzeit überfordert, sondern zahlreiche andere Bayern-Profis laufen ihrer Form hinterher. Leroy Sané, Jamal Musiala, Serge Gnabry, Leon Goretzka, Alphonso Davies, Sadio Mané – um nur einige zu nennen. Thomas Tuchel wies auf diese schlichten Umstand nach der Hinspiel-Niederlage gegen Manchester City hin. 

4. Mangelnde Einstellung

Diese Kritik hören Spieler nicht gern, aber im Fall der Bayern ist es offensichtlich. Viele Spieler zeigen oftmals nicht genug Einsatz. In Partien wie zuletzt gegen die TSG Hoffenheim wird es ganz deutlich: Die Bayern gehen mit 1:0 in Führung, spielen in der Folge nachlässig und kassieren das 1:1. Wäre Borussia Dortmund nicht selbst so inkonstant, wären die Bayern ihre Tabellenführung längst los.

5. Konflikte in der Mannschaft

Dass Mané dem Teamkollegen Sané nach der Niederlage in Manchester in der Kabine einen Schlag ins Gesicht verpasst hat, spricht Bände. Der Frust unter den Spielern angesichts mangelnder Einsätze oder Form und die Kritik von außen ist offenbar gewaltig und entlädt sich in solchen Undiszipliniertheiten. Mané entschuldigte sich, wurde für ein Spiel aus dem Kader geworfen und erhielt eine hohe Geldstrafe.

6. Die Neuer-Verletzung und atmosphärische Störungen

Der schwere Unterschenkelbruch, den sich der Torwart im Dezember nach der WM in Katar zugezogen hat, war ein Menetekel. Ein wichtiger Führungsspieler fiel weg und es musste Ersatz her, der mit Yann Sommer schnell gefunden der. Der Ex-Gladbacher ist ein guter Torwart, zeigt aber einige Unsicherheiten. Stärker hat er die Bayern nicht gemacht. Hinzu kam, dass die Bayern Neuers Torwarttrainer und Vertrauten Toni Tapalovic feuerten, als der Torwart noch im Krankenhaus lag. Das kam nicht so gut an bei Neuer, der die Vereinsführung dafür scharf kritisierte. Niemals zuvor zeigten sich so starke atmosphärische Störungen im Klub, insbesondere zwischen Nagelsmann und Teilen der Mannschaft. Auch Lewandowski soll vor seinem Abgang Nagelsmann und dessen Spielsystem kritisiert haben.

7. Mangelnde Führung

Die Krise erscheint hausgemacht. Deshalb steht das Führungsduo Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic gewaltig unter Druck. Die Vorwürfe sind zahlreich. Kahn wird eine gewisse Kälte im Umgang mit den Spielern vorgeworfen. Die angebliche Herzenswärme, die einst ein Uli Hoeneß verströmt haben soll, sei den Bayern abhanden gekommen, heißt es. Kahn empfängt offenbar keine Spieler mehr in seinem Büro, wo sie sich aussprechen können. Das ist zumindest die Sichtweise vieler Fans und Medien. Ähnliche Vorwürfe richten sich gegen Salihamidzic. 

Die Entlassung von Julian Nagelsmann Ende März gilt selbst für Bayern-Verhältnisse als ruppig. Sie hat sich mit Blick auf die Nahziele als krasse Fehlentscheidung erwiesen. Die Mannschaft wurde noch mehr verunsichert und die angepeilten drei Titel bis auf die Meisterschaft verspielt. Überhaupt dürfte der Blick auf die Ära Nagelsmann kritisch ausfallen, die die Bayern finanziell und sportlich teuer zu stehen kommt. Insgesamt vermittelt das Führungsduo Kahn/Salihamidzic einen unglücklichen Eindruck. Das gilt besonders vor dem Hintergrund, dass Kahn wie auch Salihamidzic höchste Ansprüche stellen, diese selbst aber nicht erfüllen.

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