Pressestimmen zum WM-Aus "Jetzt steht der DFB vor einem Scherbenhaufen – und ohne Idee da"

Auch Marina Hegerin konnte das WM-Aus der DFB-Frauen nicht verhindern
Auch Marina Hegerin konnte das WM-Aus der DFB-Frauen nicht verhindern
© Sebastian Christoph Gollnow / DPA
Die deutschen Fußballerinnen sind erstmals schon in der Vorrunde einer Fußball-WM gescheitert. Im entscheidenden letzten Gruppenspiel gegen Südkorea kam das Team um Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nicht über ein 1:1 hinaus und verpasste den Einzug in Achtelfinale. Das schreibt die Presse dazu.

"Auf Wiedersehen. Deutschland ist bei der Frauen-Weltmeisterschaft ausgeschieden und hat damit für den bisher größten Schock des Turniers gesorgt", schreibt die britische "Sun" nach dem Vorrunden-Aus der DFB-Elf nach dem 1:1 gegen Südkorea bei dem Turnier in Australien und Neuseeland. Das schlechte Abschneiden und die enttäuschen Vorstellung in Brisbane wurden international registriert. Von einer Blamage in Brisbane schreibt "Blick" aus der Schweiz, die österreichische "Kronen Zeitung" nennt das Ausscheiden "ein historisches Ereignis".

"L'Equipe" aus Frankreich meint: "Südkorea wird zum Sorgenkind des deutschen Fußballs. Ihre männlichen Kollegen hatten Manuel Neuer und seine Teamkollegen bei der WM 2018 ausgeschaltet, während die Südkoreanerinnen am Donnerstag das Gleiche taten und am dritten Spieltag der Gruppe H Alexandra Popp und ihre Teamkolleginnen abfingen." Die spanische "Marca" ist gar "ohne Worte" zu dem, was sich Down Under abgespielt hat. 

Pressestimmen zum Fußball-WM-Aus der DFB-Frauen

Aber auch in deutschen Medien sorgt das WM-Aus für Schlagzeilen und Kommentare: Wie konnte das passieren? Und wie soll es nun weitergehen? Die Presseschau:

"Kölner Stadt-Anzeiger": "Dass ein Mangel an Widerstandskraft und Mut dem deutschen Fußball nun wieder ein frühes Turnier-Aus beschert hat, weckt erneut Zweifel an der fußballerischen Ausbildung in Deutschland und dürfte gleichzeitig eine gesellschaftliche Debatte über Verantwortung und Resilienz befeuern, die in Deutschland auch abseits des Fußballs längst geführt wird. Das historische Aus in Australien bedeutet auch einen Rückschlag für die Entwicklung des Frauenfußballs als Profisport hierzulande. Der deutsche Fußball braucht jetzt eine tiefgreifende Analyse. Und zwar unabhängig davon, ob es um die Frauen geht oder um die Männer."

"Stuttgarter Zeitung": "Als frisch und unverbraucht gelten die DFB-Frauen und werden entsprechend vor einem Millionenpublikum im Fernsehen präsentiert. Das tut einerseits gut. Andererseits interessiert ein sympathisches Auftreten nicht mehr, wenn sich kein Erfolg einstellt. Grundsätzlich wird die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg feststellen, dass ihre Schützlinge zwar technisch und taktisch gut ausgebildet sind, sie aber nicht stressresistent auftreten, wenn es größere Widerstände gibt. Es mangelt an Individualität, Kreativität und Durchsetzungsvermögen. Und wie bei den (leidenschaftslosen) Männern wird es zum Problem, wenn eine Elf zwar meint, verschiedene Systeme spielen zu können, sie in entscheidenden Phasen aber trotzdem planlos wirkt."

"Leipziger Volkszeitung": "Das Schlimmste an der erneuten Blamage aber ist, dass das zarte Pflänzchen Hoffnung auf eine deutliche Annäherung des Frauen- an den Herrenfußball, nun bereits wieder einzugehen droht. Nach der tollen EM im letzten Jahr, als unsere authentischen Mädels eine ganze Nation begeisterten und den Vize-Titel holten, entstand ein regelrechter Hype. Doch was passiert nun? Wichtig ist, dass es eine Analyse und Aufarbeitung gibt, die detaillierter und glaubwürdiger ausfällt als bei Hansi Flick & Co., die nach Katar gefühlt einfach so weitermachten wie zuvor. Es müssen endlich auch grundsätzliche Dinge geklärt und unbequeme Fragen beantwortet werden – auch die nach der Bundestrainerin."

"Nürnberger Nachrichten": "Deutschland ist bei dieser WM als Vize-Europameister angetreten, als Team mit ganz eigenen Stärken und ganz eigenen Schwächen und Problemen. In der Vorbereitung sorgte der Konflikt zwischen der Bundestrainerin und dem FC Bayern für Unruhe, wichtige Spielerinnen wie Lena Oberdorf und Marina Hegering wurden in Australien wieder gesund, letztlich aber nicht rechtzeitig fit. Zusammen mit einer seltsamen Zufriedenheit nach dem 6:0 gegen Marokko, offen eingestandenen Coachingfehlern und einer offensichtlichen Selbstüberschätzung hat das dazu geführt, dass Deutschland als Vize-Europameister viel zu früh gescheitert ist. Das kann passieren. Am Tiefpunkt ist ein Vergleich nun allerdings doch ganz wichtig: Anders als bei den Männern müssen die Frauen samt ihrer intern angeblich gar nicht so unumstrittenen Trainerin diese Enttäuschung tatsächlich konsequent aufarbeiten."

"Neue Presse" (Coburg): "Die DFB-Frauen waren angetreten, um sich den dritten Weltmeisterstern zu erstürmen. Der kriselnde Verband erhoffte sich von den Auftritten sogar einen glanzvollen Sommer nach insgesamt drei Turnier-Enttäuschungen der A-Nationalmannschaft sowie dem Gruppen-Aus der U 21 vor wenigen Wochen bei der EM. Jetzt steht der DFB aber vor einem Scherbenhaufen – und ohne Idee da."

"Der neue Tag" (Weiden): "Spätestens nach dem ersten Gruppenspiel gegen Marokko war die Taktik der deutschen Frauen klar. Ball auf außen, Flanke Bühl, Brandt oder Huth – Kopfball Popp. Aus dem Mittelfeld kam zu wenig. Es mangelte an Kreativität - der Zauber der Europameisterschaft war weg und auch der Überraschungseffekt einer Alexandra Popp. Die Gegner stellten sich auf 'Poppi' ein, die machte ihr Ding gut. Warf sich in Bälle, schoss aufs Tor und arbeitete nach hinten mit. Vom Rest des Teams kam zu wenig. Das Mittelfeld war blass, Lina Magull mangelte es an Spielwitz. Ein Plan B fehlte, und das Team wirkte verunsichert. Das Ausscheiden ist bitter, aber über das Jahr betrachtet keine große Überraschung. Vielleicht ließ man sich zu sehr vom Hype des vergangenen Jahres blenden."

DPA
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