Roland Zorn ("Frankfurter Allgemeine Zeitung") erörtert die Verwandlung des Opfers zum Täter am Beispiel Diego: "Diese Männer, die mit dem Ball tanzen, bestimmen so aufreizend souverän die Aktionen ihrer Mannschaften, dass sie härter und häufiger attackiert werden von weniger bemittelten und deshalb manchmal von Minderwertigkeitskomplexen geleiteten Profis. Diego ist derzeit der vielleicht beste Bundesligaspieler - und muss gerade deshalb mehr als andere leiden. Eine verquere Logik, aus der es kein Entrinnen gibt, da Schiedsrichter nicht dazu da sind, Boni zu vergeben, sondern Taten zu beurteilen. Die Farbe Gelb wäre der Tätlichkeit, die Diego begangen hat, nicht gerecht geworden. Rot war richtig – und trotzdem geschah dem Täter irgendwie auch Unrecht. Wenn Diego nach seiner Sperre zurückkommt und sein Spiel zum Selbstschutz veränderte, wären seine Fans traurig. Zum Glück aber kann Werders Bester gar nicht anders, als den Fußball als eine Kunstform zu begreifen. Daran wird kein für den passenden Augenblick noch so tief getroffener und deshalb prompt fallender Ligaschrank à la Kyrgiakos etwas ändern."
Christof Kneer ("Süddeutsche Zeitung") erkennt beim Kampf Maik Franz (Karlsruhe) gegen Mario Gomez (Stuttgart) Verhaltensmuster aus dem Fußballmittelalter: "Es war ein Kampf der Systeme: hier der klobige, unter Stürmern gefürchtete Maik Franz, der sich recht wacker schlägt in der modernen Raumdeckungsepoche, im Grunde aber der guten, alten Holzmichl-Schule entstammt - dort der Stürmer Mario Gomez, der mit so deutlichem Abstand der beste Stuttgarter ist, dass es für Verteidiger ein verführerischer Gedanke sein mag, ihm den Schneid abzukaufen, wie das in der Holzmichel-Sprache heißt. So zerrten, rangelten und keilten die beiden von der ersten Sekunde an, und praktischerweise ließ sich – je nach Parteilichkeit – der jeweils andere als der größere Aggressor darstellen. Es war ein Zweikampf wie vor zwanzig Jahren, als der Sinn des Fußballs noch nicht darin bestand, gegen den Ball, sondern gegen den Mann zu spielen. Gegen dieses archaische Duell zweier Spieler hatte das moderne Duell zweier Teams kaum eine Chance. So spektakulär Gomez vs. Franz war, so unspektakulär war VfB vs. KSC."
Quelle
indirekter-freistoss.de ist ein Fußball-Online-Magazin, das täglich die besten und wichtigsten Textausschnitte und Meinungen aus der deutschen Presse sammelt, zitiert und kommentiert. Auch als Newsletter in den Posteingang. www.indirekter-freistoss.de
Peter Penders ("Frankfurter Allgemeine Zeitung") räumt Bielefelds neuem Trainer nach dem 0:2 gegen Duisburg fast keine Chance mehr ein und sieht schwarz für den Rest der Saison: "Seit Samstag ist in einer Saison, in der vieles in Bielefeld zu Bruch ging, nun auch noch das Band zerschnitten, das Fans und Verein zusammenhielt. Vor allem die Antipathien, die Michael Frontzeck entgegenschlagen, überraschen in ihrem Ausmaß. Für die Zusammenstellung des Kaders kann er nichts. (...) Arminia sah so alt aus, wie es dieser Rekord vermuten ließ: Mit dem Durchschnittsalter von 30,9 Jahren bot die Arminia die älteste Mannschaft auf, die je für den Klub in der Bundesliga gespielt hat. Das sagt einiges über die Fehler aus, für die auch Sportgeschäftsführer Reinhard Saftig verantwortlich ist. Die Arminia ist überaltert, was auch erklärt, warum sie ihren noch vor ein, zwei Jahren unter den Trainern Rapolder und von Heesen erfolgreich praktizierten Systemfußball nicht einmal mehr ansatzweise präsentieren kann. Diese Art Fußball setzt nämlich nicht nur Laufbereitschaft, sondern vor allem auch Laufvermögen voraus, das dieses in die Jahre gekommene Team nicht mehr besitzt."
Peter Unfried ("tageszeitung") erkennt trotz des 0:0 gegen Berlin Farbkonturen in Wolfsburg: "Während die Welt von Gott erschaffen wurde, war für die Erschaffung von Wolfsburg bekanntlich ein anderer verantwortlich. Das hängt der Stadt immer noch nach und selbst dem nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Klub. Seit seinem Urknall hat der VfL Wolfsburg außerdem noch nie einen Titel gewonnen. Insofern ist das Viertelfinale im DFB-Pokal gegen den Hamburger SV von dreifacher Bedeutung: Man verdient Geld. Man kann mit nur noch drei Siegen bleibenden Ruhm und einen Uefa-Cup-Platz gewinnen. Und es ist eine der raren Gelegenheiten, live und öffentlich- rechtlich Imagepflege für Klub und Standort zu betreiben. Zum ersten Mal kann sich auch eine breitere Öffentlichkeit zumindest ein Fernsehbild machen von Felix Magaths ‚work in progress’. Das 0:0 gegen Hertha BSC Berlin hat zwei Annahmen über den VfL erhärtet. Erstens: Da wächst mit Hilfe von VW ein interessantes Fußballteam heran. Zweitens: Nach zwei Jahren Abstiegskampf wird diese Saison wohl mit der Rückkehr ins gepflegte, aber unspektakuläre Mittelfeld der Bundesliga enden. Was ja nicht wenig ist."
0:1 in Leverkusen - Philipp Selldorf ("Süddeutsche Zeitung") leidet mit Schalkes Torhüter: "Den Treffer, den Schalkes Schlussmann Manuel Neuer als ‚Traumtor’ bezeichnete, erlebte er als Albtraum. Neuer sprach zudem von einem ‚Glückstor’, was Schütze Friedrich bestätigte, denn der 37-Meter-Schuss unters Dach war eine verrutschte Flanke, aber für den Schalker Torwart ist es typisch, dass er dabei der Unglückliche sein musste. Landauf, landab wird es nun wieder heißen, dass ausgerechnet ihm dieser irre Ball ins Netz gelegt wurde, und wenn er ihn auch wirklich nicht halten konnte, so wird es doch an ihm nagen. Von dem Selbstbewusstsein, das er in seiner Einstandssaison verkörperte, ist derzeit nichts mehr zu sehen."
Jedem Spiel das Tor, das es verdient - Daniel Theweleit ("Financial Times Deutschland"):
"Eine endgültige Antwort auf die Frage, ob das Tor zu verhindern war, wird niemals gefunden werden – aber mit Gewissheit war dieser Aus-Versehen-Treffer der passende Höhepunkt eines wenig erbaulichen Fußballspiels. Lange veranstalteten die beiden Teams eine Horrorshow aus verunglückten Freistößen, misslungenen Ballannahmen, und haarsträubenden Ungenauigkeiten im Passspiel. Und einer dieser unzähligen Fehlversuche landete dann eben im Tor.