Manchmal fällt es schwer, an bloße Zufälle zu glauben. Man nennt das dann Schicksal, oder Bestimmung. Einen Tag vor dem 90. Jahrestag am Mittwoch erreichte die Redaktion des Kicker die traurige Nachricht, dass ihr langjähriger Chefredakteur und Herausgeber Karl-Heinz Heimann im Alter von 85 Jahren verstorben ist.
"Ich habe 39 Jahre mit ihm zusammengearbeitet. Heimann war für mich ein Vorbild, fußballerisch, journalistisch und vor allem menschlich. Sein Tod trifft den ganzen Fußball und mich persönlich tief", sagte Kicker-Herausgeber Rainer Holzschuh dem SID.
Das Jubiläum von Deutschlands bedeutendstem Fußball-Magazin ist dadurch überschattet, die Verantwortlichen haben sofort die vorgesehenen feierlichen Aktivitäten abgesagt. Heimann hat den Kicker in seinen Jahren als Chefredakteur zwischen 1968 und 1988 sowie bis 31. Dezember 2009 als Herausgeber entscheidend geprägt. Auch mit seiner Kolumne "Scheinwerfer" war der Westfale aus Oestrich einer der einflussreichsten Fußball-Journalisten in Deutschland und damit Europas.
Heimann war nach Walther Bensemann der zweite große und entscheidende Macher des Sportmagazins Kicker. Der Berliner war eine der prägenden Figuren in der gesamten deutschen Fußballgeschichte. Er war ab 1889 an der Gründung zahlreicher Vereine, darunter Eintracht Frankfurt und eines Vorläuferklubs von Bayern München beteiligt, organisierte erste Länderspiele und war 1900 an der Gründungsversammlung des Deutschen Fußball-Bundes beteiligt.
1920 gründete Bensemann in Konstanz den "Kicker", eine wöchentliche Fußballzeitung, deren erste Ausgabe am 14. Juli 1920 erschien und 20 Seiten umfasste. Bensemann hatte einen glänzenden Ruf als Autor und Kolumnist und schaute immer über den deutschen "Tellerrand" hinaus. Eine Führungsrolle als Fußball-Leitmedium wie heute hatte der Kicker angesichts großer Konkurrenz allerdings zumindest in den Auflagezahlen nicht.
Bensemann, der jüdischer Abstammung war, musste 1933 in die Schweiz emigrieren, wo er 1934 starb. "Wir von der Redaktion sind stolz darauf, in der Tradition von Walther Bensemannn aber auch in in jahrzehntelanger Weiterentwicklung ein heute modernes (...) Sportmagazin präsentieren zu können", erklärte Holzschuh in seiner "Jubiläumsausgabe" am Montag.
Montags bunt wie eine Illustrierte, Donnerstags früher schwarz-weiß und auf Zeitungspapier - Generationen von Fußballfans sind mit dem Kicker groß geworden. Erst seit 2009 erscheint das Magazin komplett im Farbdruck. "Der Kicker war und ist immer sachlich, nüchtern und fair und immer auf der Höhe. Immer interessant zu lesen", sagt DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler dem SID, "ich lese den Kicker seit Jahren."
Die Sachlichkeit und Seriosität der Berichterstattung macht das inzwischen in Nürnberg ansässige Magazin aus. Da gibt es keine "sensationellen Enthüllungen" um ihrer selbst Willen, keinen steten "Zoff" in Klubs und nicht ständige "Krisen". Das wirkt manchmal arg traditionell und hausbacken, ist aber gerade deswegen eine verlässliche Größe in Zeiten oft atemloser Hatz nach vermeintlicher Exklusivität. "Jedem Leser mit Informationen, Hintergrundberichten (...) ein Paket an Fachwissen vermitteln", heißt laut Holzschuh das Credo.
Das Bundesliga-Sonderheft ist das zweite vorbildliche Produkt aus dem Hause Kicker. Große Mannschaftsfotos, Infos zu allen Vereinen, Hintergründe, Statistiken, Auslandstabellen, unverzichtbar. Mittlerweile gibt es zahlreiche Konkurrenz, aber sie alle sind nur Imitatoren des Originals. Mit zahlreichen weiteren Sonderheften vor Großereignissen vermarktet der Kicker die Kompetenz seiner Mitarbeiter geschickt.
Insbesondere die Spieler-Noten sorgen stets für Aufsehen. Auch Spieler schauen nicht selten mal nach, wie ihre Leistung denn so angekommen ist, bei der veröffentlichten Meinung. Wenn man Uwe Seeler glauben darf, lassen sich die Profis davon allerdings nicht allzusehr beeinflussen: "Die Noten habe ich als Spieler höchstens überflogen. Wir hatten immer eine ganz gute Selbsteinschätzung." Aber die Grundlage für zahlreiche Stammtischgespräche gaben und geben sie allemal - Fußball wäre nicht das Gleiche ohne den Kicker.