England feiert den unbezwingbaren Jens Lehmann. "Jensationell", "Supermann", "Jenius", bejubelten die Boulevard-Blätter den "History Man", der mit seiner Elfmeter-Parade in letzter Minute dem FC Arsenal erstmals in der Vereins-Geschichte den Einzug ins Champions-League-Finale sicherte. "The Daily Mail" ernannte den Deutschen nach dem 0:0 beim FC Villarreal sogar zur "Legende in Lederhosen". Auch für die deutsche Nummer 1 war es unvergesslicher Abend. "Es ist ein fantastischer Moment", jubelte Lehmann, der auch noch einen persönlichen Champions-League-Rekord aufstellte: Der 36-Jährige ist seit 745 Minuten ohne Gegentor.
"Eher gelingt es, in der Wüste Fische zu züchten, als in der Champions League ein Tor gegen Lehmann zu schießen", titelte die tschechische Tageszeitung "Mlada fronta Dnes" am Donnerstag als neutraler Beobachter beeindruckt. In der Tat: Der in dieser Saison in der Königsklasse noch unbezwungene Keeper, der Edvin van der Sar (658 Minuten ohne Gegentor) als Rekordmann ablöste, sicherte Arsenal eine zweite Bestmarke: Mit dem zehnten Zu-Null-Spiel in Serie löschten die "Kanoniere" Ajax Amsterdams Uralt-Rekord von 1987/1988 aus.
"Kult-Heldenstatus"
"Als Torhüter hat man nicht viele solcher Momente. Ich genieße es", gestand Routinier Lehmann, der zum ganz großen Wurf ausholen will: "Jetzt möchte ich auch das Finale gewinnen." Dass er den Strafstoß des Argentiniers Juan Riquelme abwehren konnte, verdankte er seinem Bauchgefühl und intensiven Video-Studien. "Wegen seiner Körperhaltung ging ich davon aus, dass er in meine linke Ecke schießen würde." Zum Glück hörte Lehmann nicht auf seinen Teamkollegen Thierry Henry, der ihm ins Ohr flüsterte, er solle einfach stehen bleiben, denn Riquelme würde in die Mitte schießen.
"Deutsche und Elfmeter. Das bedeutet normalerweise nur allergrößtes Elend", schrieb "The Sun" und erinnerte an die Duelle England - Deutschland bei der WM 1990 und der EM 1996, als stets die Deutschen im Elfmeterschießen weiterkamen. "Doch diesmal profitierten englische Fans von der teutonischen Widerstandsfähigkeit", bemerkte "The Daily Express", der Lehmann "Kult-Heldenstatus" bescheinigte.
"Es kann alles passieren"
Gael Clichy, der den zweifelhaften Strafstoß verschuldete hatte, wollte Lehmann vor Freude gar nicht mehr aus dem Armen lassen: "Im Moment ist Jens Lehmann mein liebster Spieler auf der ganzen Welt". Trainer Arsène Wenger hatte die Glanztat seines Keepers geahnt: "Ich wusste, dass er nicht leicht zu bezwingen ist, und dachte mir: ’Wenn das unser Jahr ist, dann wird Jens ihn halten.’ Er hat heute Abend gezeigt, welch großartiger Torwart er über die ganze Saison war."
Wenger, der wie Arsenal erstmals im Champions-League-Finale steht, genoss den Triumph sichtlich: "Ich bin glücklich, weil es all die Jahre so viele Zweifel über Arsenal in Europa gab". Dass das Endspiel in Paris stattfindet, freut die Franzosen-Connection um Wenger, Henry, Robert Pires und Mathieu Flamini besonders. "Dort kann alles passieren", glaubt Henry, der am 17. Mai gegen den Sieger aus FC Barcelona - AC Mailand (Hinspiel 1:0) sein 50. Europacup-Tor anpeilt.
Ganz Villareal in Tränen
Sinnigerweise wollte Villarreal ausgerechnet Lehmann als mögliche Schwachstelle in Arsenals Abwehrbollwerk ausgemacht haben. Trainer Manuel Pellegrini hatte seine Spieler angewiesen, hohe Flanken in den Strafraum zu schlagen in der Hoffnung, dass Lehmann den Ball fallen lassen könnte. Doch der Deutsche pflückte alle Flanken sicher und hielt zur Krönung seiner starken Leistung auch Riquelmes Strafstoß.
"Lehmann hielt perfekt", lobte "As" und auch "El Mundo" meinte anerkennend: "Lehmann hielt sein Tor gepanzert und versiegelt." Er brachte damit nicht nur FCV-Präsident Fernando Roig zur Verzweiflung. "Fußball kann so grausam sein. Wir haben Arsenal an die Wand gespielt und sind doch ausgeschieden", klagte Roig. Ganz Villarreal schien in Tränen zu liegen. Für das Provinzstädtchen nördlich von Valencia ging nach Erfolgen über Manchester United, die Glasgow Rangers und Inter Mailand ein Traum zu Ende. "Hier endet ein Abenteuer, das sich kaum wiederholen lässt", lautete das bittere Fazit von Trainer Pellegrini.
DPA