Sogar das dunkle Sakko hatte er ausgezogen. Und statt löw-blau trug der Dressman blütenweiß. Hemd statt Pullover. Würdevoll, fast stolz setzte Joachim Löw am Dienstag in der sonnenbestrahlten Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes im Büro von Generalsekretär Wolfgang Niersbach seine Unterschrift unter ein neues Arbeitspapier. Neben ihm faltete DFB-Präsident Theo Zwanziger fast salbungsvoll die Hände - schließlich hat der oberste Dienstherr des deutschen Fußball es geschafft, seinen beliebtesten Angestellten und seine drei wichtigsten Helfer für mindestens zwei weitere Jahre zu binden: Mit dem Bundestrainer verlängerten am Dienstag in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise auch Co-Trainer Hansi Flick, Torwarttrainer Andreas Köpke und Manager Oliver Bierhoff ihre Verträge bis zum 31. Juli 2012. Die Führungsriege von der WM 2010 bleibt damit für die bald beginnende Qualifikation für die EM 2012 in Polen und der Ukraine unverändert.
"Wir haben eine sehr gute Basis, wir sehen viel Potenzial und wir haben viele Freiheiten für unser Team. Die Motivation für eine weitere Zusammenarbeit ist sehr groß, auch wenn wir eine sehr schwierige EM-Qualifikation zu bewältigen haben", berichtete Löw, der von der erfolgreichen Südafrika-Mission einen hartnäckigen Infekt mit nach Wittnau gebracht hatte, die 1400-Einwohner-Gemeinde am Hexenberg, sein vor drei Jahren bezogenes Refugium im Schwarzwälder Idyll, sichtlich erleichtert.
Zwanziger schwadronierte über "Amtsmüdigkeit"
Doch der Badener war offensichtlich so schnell wieder bei Kräften und bei Sinnen, dass er zusammen mit seinen Helfern nach einer kurzen Unterredung schon am Wochenende die Signale für eine Vertragsverlängerung an die DFB-Führung aussendete. Die unter Druck geratene Verbandsspitze nahm am Samstag dankbar an und sofort die konkreten und überraschend unkomplizierten Verhandlungen auf - noch im Winter hatte die geplatzte Vertragsverlängerung vor allem Zwanziger kräftig beschädigt und in die Kritik gebracht. Dass der 65-Jährige just vor Tagen von "Amtsmüdigkeit" schwadronierte und sogar davon fabulierte, auf eine Wiederwahl beim DFB-Bundestag in Essen zu verzichten, hatte eben viel mit seiner unglücklichen Rolle zu tun, die der Jurist oft bei der A-Nationalmannschaft spielte.
Doch die nun vollzogene Vertragsverlängerung "zu moderaten Bedingungen, die für einen gemeinnützigen Verband absolut in Einklang zu bringen sind" (Zwanziger), wird auch dem Präsidenten helfen. Dem Vernehmen nach erhält das Quartett der sportlichen Leitung "nur" eine geringe Anhebung der Bezüge - der Bundestrainer dürfte nun knapp unter drei Millionen Euro im Jahr verdienen, was immer noch deutlich unter der Entlohnung eines Louis van Gaal oder Felix Magath liegt. Das lässt sich für Zwanziger gut in seinem Verband verkaufen. Das kann der eloquente Vielredner wie kaum ein Zweiter. Bei der Löw-Verlängerung belobigte sich Zwanziger gleich mal selbst: "Die Gespräche haben gezeigt, dass das Vertrauensverhältnis zwischen der sportlichen Leitung und mir so stark ist, dass auch sehr schwierige Situationen, wie wir sie beispielsweise Anfang Februar zu bewältigen hatten, überwunden werden können, ohne dass etwas zurück bleibt. Mein Vertrauen in die sportliche Leitung ist zurückgezahlt worden."
Beratungsresistent in Eigenregie
So kann der Löw-Entschluss auch Zwanziger bestärken, sein Amt weiterzuführen ("das kann Einfluss haben") - wichtig ist ihm die Meinung seiner zwei Söhne, vor allem Ralf, bei der TSG Hoffenheim für den Frauenfußball zuständig, hat oft genug geraten, der Vater müsse sich den öffentlichen Anfeindungen nicht aussetzen. Doch der Filius weiß auch, dass der Papa es oft genug genießt, im Fokus zu stehen: Zwanziger freut sich auf die Frauenfußball-WM im nächsten Jahr wie ein kleines Kind auf die Bescherung, er tritt gegen Rassismus und Homophobie ein, er redet mit, er gestaltet gern - zu oft aber beratungsresistent in Eigenregie. Das war schließlich mit ein Grund, dass Uli Hoeneß kurzfristig seinen Hut als neuer DFL-Ligapräsident in den Ring warf: Dann hätte die "Abteilung Attacke" des FC Bayern nämlich automatisch Sitz im DFB-Präsidium gehabt und auch Mitspracherecht bei der Nationalmannschaft besessen - eine vordergründige Motivation für sein unüberlegtes Vorpreschen.
Doch Hoeneß hat bekanntlich zurückgezogen - und Zwanziger kann sich "in Ruhe Gedanken machen, was für den Verband richtig ist und was für mich richtig ist." Der DFB-Präsident: "Ich bin zudem ehrenamtlich tätig. Daher lasse ich mich nur ungern mit Präsidenten in Klubs vergleichen, die eine kleine Entschädigung dafür bekommen. Der Verband ist in einem guten Zustand, was die Nationalmannschaft und die Nachwuchsförderung angeht."
Per SMS die Nationalspieler informiert
Doch da gibt es eine entscheidende Neuordnung: Nationalmannschaftsmanager Bierhoff hat nämlich die strategische Verantwortung für die U 21-Nationalmannschaft verloren; die ist Sportdirektor Matthias Sammer zugeteilt worden, "er ist für die U 21 in administrativen Fragen zuständig", stellte Zwanziger klar, Löw sei jedoch der "Chef unter allen Bundestrainern". Auch deshalb wirkte der 50-Jährige am Dienstag bei der Pressekonferenz überaus erleichtert, er dankte für "die unkomplizierten Gespräche", berichtete von "großer Freude für die nächsten zwei Jahre" und plauderte frank und frei darüber, dass er den meisten der urlaubenden Nationalspielern die Kunde bereits per SMS-Botschaft übermittelt hätte. "Vielleicht habe ich einige von ihnen geweckt. Es gab bereits einige Rückmeldungen, von Per Mertesacker, Miroslav Klose und Bastian Schweinsteiger. Sie haben gesagt: Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank, dass du weitermachst."
Von Michael Ballack sind solche Kurznachrichten kaum zu erwarten: Joachim Löw ließ an diesem sonnigen Dienstag keine sachdienlichen Hinweise aus, dass der Kapitän nicht mehr die dominierende Rolle der Vergangenheit spielen wird. Natürlich wolle er den 33-Jährigen schon beim nächsten Länderspiel - das Freundschaftsspiel am 11. August in Kopenhagen gegen Dänemark - im Kreise der DFB-Auswahl begrüßen, doch erst einmal solle der Neu-Leverkusener seine Verletzung "vollständig auskurieren und fit werden". Dann wolle er mit Ballack sprechen. Dass Philipp Lahm dessen Kapitänsbinde eingefordert habe, findet Löw sogar legitim - die Klarstellung, dass der Neu-Leverkusener der Amtsinhaber bleibe, vermied der Bundestrainer ("Ich habe noch keine endgültige Entscheidung getroffen") wohl nicht ohne Grund. Im Grunde wäre es Löw nicht unrecht, würde Ballack den ohnehin arg ungeliebten Termin absagen.