Der Auftritt von Helene Fischer im "Sportschau-Club" in der ARD nach dem Pokalfinale war eigentlich als harmloser PR-Termin gedacht gewesen – nochmal die hervorragende Stimmung im Stadion loben, nochmals auf frisch erschienene Album hinweisen. Stattdessen musste ein regelrechter PR-Gau erklärt werden.
Sportschau-Moderatorin Julia Scharf sprach beinahe tröstend von "ein paar Frankfurter Fans", denen der Auftritt Fischer wohl offenbar nicht so gut gefallen habe. Das war jedoch eine gelinde Untertreibung. Weite Teile des Stadions, beileibe nicht nur Frankfurter Anhänger, hatten sich acht Minuten lang die Seele aus dem Leib gepfiffen und als Fischer das Medley beendet hatte, schwoll das Pfeifkonzert zu einem derartigen Orkan an, dass sich mancher auf der Ehrentribüne die Ohren zuhielt.
Anschließend wucherten die Spekulationen ins Kraut, warum die sonst so gefeierte Schlagerbardin so schlecht weg kam. Eine Ohrfeige für die wachsende Kommerzialisierung des Fußballs, ein Aufschrei der Fußballromantiker, eine verabredete Aktion Frankfurter Anhänger, weil Helene Fischer schon einmal im BVB-Trikot herum gelaufen ist - soweit die halbgare Exegese. Besonders absurd kam dann die von mehreren Sendern kolportierte Variante daher, die Fans in Berlin hätten gepfiffen, weil Frankfurter Kneipen dafür Freibier in Aussicht gestellt hätten.

Der DFB und der mangelnde Respekt vor den Fans
Philipp Köster: Kabinenpredigt
Philipp Köster, Jahrgang 1972, ist Gründer und Chefredakteur des Fußballmagazins "11 Freunde". Er sammelt Trikots und Stadionhefte, kennt den rumänischen Meister von 1984 und kann die Startelf von Borussia Dortmund im Relegationsspiel 1986 gegen Fortuna Köln auswendig aufsagen: Eike Immel, Frank Pagelsdorf, Bernd Storck, ... Außerdem ist er Autor zahlreicher Fußballbücher, unter anderem über die Geschichte der Fußball-Bundesliga, und wurde 2010 als "Sportjournalist des Jahres" ausgezeichnet. Vor allem ist er Anhänger der ruhmreichen Arminia aus Bielefeld.
Dabei hätte die weit überwiegende Mehrheit der Anhänger gegen ein gut gemachtes Unterhaltungsprogramm gar nicht so viel einzuwenden gehabt. Das zeigte sich vor dem Spiel, als vor der Frankfurter Kurve die Band "Tankard" auftrat und anschließend die Dortmunder ihre Schals zu "You'll never Walk alone" hoben. Die Stimmung war hier wie dort prächtig.
Was aber davor und danach passierte zeigte vor allem eines: mangelnden Respekt vor den Fans. Das begann schon mit der ohrenbetäubenden Kirmesmusik, mit der das Stadion in den Stunden vor dem Anpfiff beschallt wird. Dass es den Reiz eines Pokalfinales ausmacht, wenn sich zwei prall gefüllte Kurven Gesangsduelle liefern - dem DFB ist das seit Jahren völlig egal. Wie egal, ist auch daran zu erkennen, dass stets eine so genannte offizielle "Pokalträgerin" präsentiert wird, deren Desinteresse an fußballerischen Dingen immer besonders schmerzhaft offenbar wird, wenn sie unten auf dem Rasen zum Interview gebeten wird, wie dieses Mal Katarina Witt.
Überhaupt entbehrte das ganze Rahmenprogramm jeder Form von Esprit und Witz und Leichtigkeit. Stattdessen gab es klebrige pathetische Musik, stoische Damen in aufgeplusterten goldenen Abendkleidern und besinnungslos dahinfloskelnde Moderatoren - all das ist auswechselbare, gesichtslose Unterhaltung von der Stange, ohne jeden Bezug zum Ereignis, immerhin eines der Hohefeste des deutschen Vereinsfußballs.
Helen Fischer stellvertretend abgestraft
Nun hat es der DFB bei Pokalendspielen noch nie besonders leicht gehabt. Schon traditionell werden die Verbandspräsidenten ausgepfiffen. Das aber beide Kurven den DFB in Wechselgesängen schmähten und diese auch auf der Haupttribüne mit Applaus bedacht wurden, hatte eine neue Qualität. Das Pfeifkonzert in der Halbzeit war da beinahe erwartbar.
Helene Fischer wurde stellvertretend abgestraft für einen Verband und seine Eventabteilung, die offenbar seit Jahren in einer Art Parallelwelt unterwegs ist – eine Welt, in der die Playback-Darbietung eines Medleys zweier schon reichlich angejahrter Hits als große Unterhaltung daherkommt. Eine Welt zudem, in der Zuschauer nur noch als klatschende Staffage daher kommen.
Wenn der Fußballverband einigermaßen bei Sinnen ist, überdenkt er seine Strategie und stellt sich noch einmal grundsätzlich die Frage, warum und für wen dieses Finale eigentlich stattfindet. Für den Verband? Fürs Fernsehen? Oder vielleicht doch für die Zuschauer?