Es war eine Nachricht, die viele Schalke-Anhänger erleichterte. Der Klub verkündete am Donnerstag als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine, dass künftig nicht mehr das Logo des russischen Energiekonzerns Gazprom auf der Trikotbrust prangen werde, sondern der simple Schriftzug "Schalke 04". Das wirkte auf den ersten Blick wie entschlossenes und konsequentes Handeln und die sofortige Aufkündigung der Vertragsbeziehung mit dem umstrittenen und aus dem Kreml gelenkten Hauptsponsor, und entpuppte sich auf den zweiten Blick doch als ein klassisches Instrument der reaktiven Krisenbewältigung: Wir tun wirklich nur das, was gar nicht zu vermeiden ist.
Manches konnte man dem FC Schalke dabei nachsehen. Etwa, dass auf der Homepage direkt neben der Mitteilung noch das Gazprom-Logo zu sehen war. Befremdlicher hingegen war der milde Ton der Pressemitteilung, die erstens nahelegte, es hätten sich Klub und Sponsor gemeinsam und gütlich auf eine Strategie geeinigt und zweitens den Eindruck hinterließ, erst die letzten Tage hätten beim Klub die plötzliche Erkenntnis geweckt, dass der Sponsor Gazprom womöglich zum Problem werden könnte.
Gazprom ist schon lange ein Problem für Schalke 04
Dabei ist er das schon lange: ein riesiges Problem, das der Klub seit der Verkündigung der Partnerschaft im Sommer 2007 beharrlich kleingeredet und beschönigt hat. Sich mit einem Konzern einzulassen, dessen Erträge seit vielen Jahren dazu benutzt werden, ein autokratisches System mit aggressiver Außenpolitik zu finanzieren, war seit jeher mit den ethischen Leitlinien des FC Schalke unvereinbar. Darüber wurde jedoch in der Chefetage des Klubs generös hinweggesehen, solange die üppigen Zahlungen aus Russland den finanziell wackligen Klub auf den Beinen hielten. Und da wurde auch zugelassen, dass mit Mathias Warnig ein zwielichtiger früherer Stasi-Offizier und Putin-Claqueur als kooptiertes Mitglied in den Aufsichtsrat einrückte. Um die Partnerschaft zu stabilisieren, posierte der frühere Schalke-Boss Clemens Tönnies auch schon mal grinsend mit Putin für PR-Fotos und mochte auch nach der gewaltsamen Krim-Annexion keine Verbindung des Sponsors zum Mehrheitseigner finden. "Für mich ist da Null Komma Null zu beanstanden. Gazprom ist ein starker und zuverlässiger Partner, dem das Wohlergehen von Schalke am Herzen liegt".
Dabei wäre spätestens das Frühjahr 2014 der Moment gewesen, in dem sich der FC Schalke nach einem neuen Hauptsponsor hätte umschauen müssen. Gerade weil der Klub in dreistelliger Millionenhöhe verschuldet ist, hätte er schon vor Jahren die Abhängigkeit von einem derart problematischen Hauptsponsor reduzieren müssen und nicht blauäugig darauf vertrauen dürfen, dass sich der russische Machthaber irgendwann als Friedensengel entpuppt. By the way: Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass der frühere Schalke-Funktionär Peter Peters in diesen Tagen die Uefa zur kritischen Überprüfung ihrer Partnerschaft mit Gazprom auffordert. Aus seinen königsblauen Zeiten sind derlei kritische Äußerungen nicht überliefert.
Gazprom-Sponsoring ist indiskutabel
Um nicht missverstanden zu werden: Jeder kennt die finanziellen Sorgen des FC Schalke. Der Zweitligist wurde von der Coronakrise schwer gebeutelt, stand kurz vor der Insolvenz. Und trotzdem muss sich, wenn nicht vor acht Jahren, doch zumindest jetzt die Erkenntnis durchsetzen, dass Gazprom nie wieder auf die Schalker Trikotbrust darf und der Vertrag möglichst rasch gekündigt werden muss. Alles andere, auch eine andere Form des Sponsorings, ist völlig indiskutabel und für das Selbstbild des Klubs irreparabel.
Aber wenn der Klub nicht umfassend handelt und die aktuelle Krise aussitzen will, wird er rasch nur noch als getrieben von öffentlichem Druck dastehen. Jetzt einen neuen Hauptsponsor zu suchen und vor allem, darauf zu vertrauen, dass ein neues und integres Handeln auch neue Türen öffnet, ist der einzige Weg mit Perspektive. Das betrifft nicht nur Unternehmen, sondern auch die Anhänger. Viele Fans haben sich in den letzten Jahren kein Schalke-Trikot gekauft, weil sie nicht mit dem Gazprom-Logo auf der Brust herumlaufen wollten. Und noch viel mehr Fans haben sich in die unschöne Partnerschaft nur aus der Erkenntnis gefügt, dass Schalke sonst in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten gestürzt wäre.

Schalke könnte wieder für seine Werte stehen
Das wird auch so sein, wenn nun die Gazprom-Gelder wegfallen, neun Millionen sind es dem Vernehmen nach derzeit. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es Unternehmen gibt, die sich bei Schalke engagieren wollen und dass die Anhänger ihr übriges tun wollen, damit der finanzielle Schaden möglichst gering ausfällt. Und vor allem würde der Klub dann endlich wieder für die Werte stehen, die ihn seit seiner Gründung im Jahre 1904 ausmachen: Solidarität und Miteinander. Es wird höchste Zeit, dass der FC Schalke sich daran erinnert.