Von Bill Shankly, dem längst verstorbenen Erfolgstrainer des FC Liverpool aus den 60er und 70er Jahren, stammt ein wunderbares schwarz-britisches Bonmot. "Es gibt Leute, die denken, Fußball sei eine Frage von Leben und Tod", sagte Shankly gern. Um dann anzufügen: "Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann Ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist."
Ja, es ist ernst. Es geht um so viel und was eignet sich besser als Fußball zum Romantisieren des im Allgemeinen doch recht dürftigen Alltagslebens, zur Mythos-Produktion, bis hart an die Kitsch- und Schmerzgrenze?
Union Berlin in der Kathedrale des Weltfußballs
Real Madrid gegen Union Berlin, das allem Irdischen entrückt erscheinende Künstler-Ensemble ganz in Weiß gegen die Fußball-Arbeiter aus Köpenick, ein milliardenschweres Fußball-Imperium gegen einen Verein, der vor ein paar Jahren noch in der zweiten Liga gegen namenlose Kollektive aus Sandhausen und Aue kicken musste. Und das Ganze auch noch im Estadio Santiago Bernabéu, Kathedrale des Weltfußballs, magischer Ort wie Wembley oder Wankdorf. Mehr Romantik geht nun wirklich nicht. Reich gegen Arm, Unten gegen Oben, Kunst gegen Arbeit: eine Parabel auf das Leben.
Die weiteren Ergebnisse der Champions League vom Mittwoch
Bayern München hat auch ohne den gesperrten Trainer Thomas Tuchel an der Seitenlinie sein Auftaktspiel in der Champions League gewonnen. Der deutsche Fußball-Rekordmeister siegte gegen Manchester United mit 4:3 (2:0). Die Tore beim Auftaktsieg in der Königsklasse erzielten Leroy Sané (28. Minute), Serge Gnabry (32.), Harry Kane (53./Handelfmeter) und der eingewechselte Mathys Tel (90.+2). Für den englischen Rekordmeister trafen Rasmus Höjlund (49.), Casemiro (88.) und Bruno Fernandes (90.+5).
Die weiteren Resultate vom Mittwochabend:
- Galatasaray Istanbul vs. FC Kopenhagen 2:2 (0:1)
- FC Sevilla vs. RC Lens 1:1 (1:1)
- FC Arsenal vs. PSV Eindhoven 4:0 (3:0)
- Sporting Braga vs. SSC Neapel 1:2 (0:1)
- Benfica Lissabon vs. RB Salzburg 0:2 (0:1)
- Real Sociedad San Sebastian vs. Inter Mailand 1:1 (1:0)
Der zweite Spieltag der Gruppenhase wird am 3. und 4. Oktober ausgetragen.
Alle Ergebnisse, Tabellen und Statistiken zur Champions League finden Sie hier.
35-facher spanischer Meister, 20-facher Pokalsieger und Rekordgewinner der Champions League mit 14 Titeln – all die Pokale, die Real in seiner Vereinsgeschichte eingesammelt hat, sie würden bei Union im gemütlichen Stadion an der Alten Försterei jede Vitrine sprengen. "Man sollte nicht zu viel staunen. Heute braucht es viel Mut", sagte kurz vor dem Spiel der stets erdverbundene Union-Trainer Urs Fischer in seiner gewohnt knorzig-schweizerischen Art. Aber er sagte auch: "Du weißt als Spieler oder Trainer nicht, wie oft Du hier spielen wirst." Sollte wohl heißen: Das hier wird ein Erlebnis. Es dürfte so schnell nicht wieder kommen. Wir können es auch ein bisschen genießen.
Und es wurde ein Erlebnis.
Nur gut eine Minute fehlten den Underdogs aus Berlin am Ende gegen die "Königlichen" aus Madrid zum Unentschieden, zur kleinen Sensation. Entsetzlich lange Nachspielzeit, dann die 94. Minute: Toni Kroos spielt einen Eckball kurz auf Valverde, der aus dem Rückraum in die Deckung der Berliner schießt. Der Abpraller landet ausgerechnet beim freien Bellingham, der aus kurzer Distanz zum Tor des Abends abstaubt. 0:1 – Union fährt ohne Punkt nach Hause.
Ein Abend, vielleicht nicht unbedingt für Fußball-Ästheten. Aber auf alle Fälle einer für Romantiker – mit einem leichten Hang zu Melancholie und tragischer Komponente.
Duell zweier Welten – Die Köpenicker bei den Königlichen

Nach einer ersten Halbzeit, die eher Schwarzbrot war, eine zweite, in der die Ballstreichler von Real rund um das britische Wunderkind Jude Bellingham und die alternden, aber immer noch genialen Mittelfeld-Imperatoren Toni Kroos und Luka Modrić den Druck von Minute zu Minute erhöhten: zweimal Pfosten, eine Chance nach der anderen.
"Eisern Union!" in Bernabeu
Und dazwischen das Kampf-Kollektiv aus Berlin um das gerade erst zugekaufte, 36 Jahre alte italienische Schlitzohr Leonardo Bonucci. Eine Truppe, die wirkt, als sei sie aus dem Souterrain des Weltfußballs eingebrochen in die Beletage, um dort im ersten Champions-League-Spiel der Vereinsgeschichte was zu klauen. Eine Mannschaft, die sich aufopferungsvoll zwischen jeden Schuss warf, jeden Zweikampf suchend, schweißtreibend, unermüdlich und so "eklig", wie es Urs Fischer von seinem Team immer fordert. Das Ganze akustisch begleitet nicht etwa von den Schlachtgesängen spanischer Fans, sondern von den gerade mal 4.000, die aus Berlin mit angereist waren. "Eisern Union!" in Bernabeu.
Gut, am Ende waren die "Königlichen" den "Eisernen" drückend überlegen, die Statistiker haben nach dem Spiel die Torschüsse ausgezählt. 30:3 für Real. Da kann auch ein sehr gnädiger Fußballgott nichts mehr machen. Trotzdem wird man diesen Abend nicht so schnell vergessen.
Wie schön, dass es Dinge gibt, die wichtiger sind als Leben und Tod.