Die ersten Werder-Fans sicherten sich die besten Plätze schon um 8 Uhr morgens. "Wir wollen ja auch was sehen, wer weiß, wann es das wieder mal gibt", sagt der 15-jährige Sebastian Wätjen aus Osterholz-Scharmbeck. Mit einigen Dutzend steht er zu früher Stunde auf dem Bremer Marktplatz vor dem alten Rathaus ganz vorn am Absperrgitter. Bremen befindet sich seit dem vorzeitigen Gewinn der deutschen Fußball-Meisterschaft vor acht Tagen im grün- weißen Werder-Rausch. Am Sonntag erreicht dieser bei der offiziellen Meisterfeier im Rathaus seinen Höhepunkt.
Triumphfahrt in die City
Schon der Weg vom Stadion in die Innenstadt in einem Autokorso wird für die Mannschaft um Trainer Thomas Schaaf zur Triumphfahrt. Tausende stehen am Straßenrand, nur mühsam kommen die Cabrios voran. Im ersten Wagen, der eine Sonderlackierung in den Werder-Farben hat, sitzen Erfolgstrainer Thomas Schaaf, Sportdirektor Klaus Allofs und Kapitän Frank Baumann. Dahinter folgen die Spieler. Viele Fans nutzen die Gelegenheit, um ihren Idolen nochmals persönlich die Hand zu geben und zu gratulieren.
Auf dem Marktplatz und in der gesamten Innenstadt ist zu diesem Zeitpunkt die Party längst im Gang. 50 000 Menschen, so die Schätzung der Polizei, feiern mit. Drinnen im Rathaus wartet der Gastgeber, Bremens Bürgermeister Hennig Scherf (SPD), auf die Sieger. "Ich fühle mich wunderbar", freut sich der Regierungschef, der sich zur Feier des Tages auf beide Wangen das grün-weiße Werder-Emblem malen ließ.
"We are the champions"
Als der Konvoi nach gut einer Stunde den Marktplatz erreicht, ist aus tausenden Kehlen "We are the champions" zu hören. Dann ertönt die Parole, die schon am Vortag beim letzten Heimspiel gegen Leverkusen lautstark durchs Stadion schallte: "Wir woll’n die Schale seh’n, wir woll’n die Schale seh’n!" Doch die Fans müssen sich noch gedulden, erst trägt sich die Mannschaft ins Goldene Buch der Stadt ein. Einfach "unglaublich" findet Valerien Ismael den Jubel. "Geile Stimmung hier in Bremen. Die Menschen sind echt super drauf", meint Ümit Davala.
Ein "Gänsehautgefühl" habe er auf dem Weg in die Stadt gehabt, bekennt Allofs. "So etwas habe ich noch nie mitgemacht." Ähnlich klingt es bei Schaaf: "Ich hab’ so etwas noch nicht erlebt", sagt er. "Der pure Wahnsinn", stöhnt Fabian Ernst, "das ist unbeschreiblich." Richtig unbeschreiblich wird es jedoch erst, als die Spieler um 13.30 Uhr auf dem Balkon des Rathauses mit großen Pils-Gläsern in der Hand erscheinen und Trainer Schaaf die Meisterschale in die Höhe reckt. "Deutscher Meister ist nur der SVW", stimmt die Mannschaft an und die Fans singen lautstark mit.
" Wir hätten auch 2:10 verlieren können."
Dass die Mannschaft am Nachmittag zuvor ihr letztes Saison- Heimspiel mit 2:6 unrühmlich in den Sand gesetzt hatte, nimmt ihr an diesem Tag niemand mehr übel, auch nicht der 15- jährige Sebastian: "Wir sind Meister, mehr brauchen wir nicht. Wir hätten auch 2:10 verlieren können."
Derweil nehmen Mannschaft und Fans bereits das nächste Ziel ins Visier - das DFB-Pokal-Endspiel in Berlin am Pfingstsamstag gegen Alemannia Aachen. "Wenn wir den Pokal auch noch holen, das hat in Bremen noch keiner geschafft. Ich weiß nicht, was dann passiert", fragt sich Schaaf. Bürgermeister Scherf weiß es: "Dann wird es wieder eine Party geben."
Manfred Protze und Ulrich Steinkohl/DPA