Eigentlich sollte ja spätestens mit der Eröffnung der umstrittenen Fußball-WM in Katar der Sport im Mittelpunkt stehen, doch mit dem Verbot der Fifa, das es den Kapitänen der acht europäischen Verbänden untersagt, beim Turnier mit der sogenannten "One-Love-Armbinde" anzutreten, hat der internationale Fußballverband das Turnier endgültig politisiert.
"Südwest Presse": Eigentlich hätte es keines Beweises mehr bedurft, doch spätestens mit dem "Binden-Skandal" ist klar geworden, wo das eigentliche Problem dieser Fußball-WM liegt: Es ist nicht allein der umstrittene Gastgeber Katar, es ist der Weltfußballverband Fifa , dessen Verhalten immer offener dem einer kriminellen Vereinigung ähnelt. Die sieben europäischen Verbände müssen der Fifa die Stirn bieten: Entweder wir spielen mit der Kapitänsbinde - oder wir reisen ab. Ein Turnier ohne England, die Niederlande und die Deutschen wäre dann nur noch ein müder Kick im Wüstensand. Und davor hat selbst die Fifa Angst.
"Schwach ist auch die Reaktion der betroffenen Nationen"
"Badische Zeitung" (Freiburg): Schwach ist (...) auch die Reaktion der betroffenen Nationen. Sie sind eingeknickt. Er habe die volle Rückendeckung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und keine Angst vor möglichen Konsequenzen, hatte der deutsche Kapitän Manuel Neuer gerade noch betont. DFB-Präsident Bernd Neuendorf stützte den Kurs öffentlich. Zweifellos ist es schofel von der Fifa, Spieler in diese missliche Lage zu bringen. Andererseits stehen die vollmundigen Ankündigungen von Neuer und Co. im Raum. Sie hatten eine besondere Bedeutung bei diesem Turnier, bei dem von vorneherein klar war, dass sich nicht alles um Fußball drehen kann. Die iranischen Nationalspieler verzichteten übrigens vor der Partie gegen England auf das Mitsingen ihrer Hymne. Die Strafen, die ihnen deswegen in ihrer Heimat drohen, dürften ganz andere sein als jene der Fifa."
"Hannoversche Allgemeine Zeitung": Wie mutig war die iranische Nationalmannschaft, die aus Protest gegen die Zustände im eigenen Land bei der Nationalhymne schwieg. DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte eine deutliche Haltung angekündigt. Seine Worte waren nur leere Hülsen. Man wolle die Konfrontation nicht auf dem Rücken der Nationalspieler austragen, so die feige Begründung des Bindenrückzugs. Manuel Neuer und Co. sind Teil des sportpolitischen Machtkampfs und können einem dabei nur leidtun. Denn der große Verlierer ist am Ende der gesamte Fußball.
"Die Glocke" (Oelde): Gemeinsam hätten Deutsche, Engländer, Niederländer, Belgier, Schweizer, Waliser und Dänen ein Signal in die Welt senden können: "Wir lassen uns nicht gängeln, stehen vereint zu unseren Werten und bleiben standhaft. Koste es, was es wolle." Wer ein Zeichen gegen Willkür setzen will, muss auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. Selbst beim WM-Ausschluss hätten die Menschen daheim Beifall geklatscht.
"Kölner Stadt-Anzeiger": Mit diesem Akt der Unterwürfigkeit geben die nach eigener Einschätzung guten Nationen dem zynischen Fifa-Präsidenten Infantino vollumfänglich recht, der dem Westen Doppelmoral unterstellt. Denn genau das ist es, was hier bewiesen wird. Und Feigheit ist es auch.
"Stuttgarter Zeitung": Die Fifa verbietet ein Symbol für Menschenrechte. Das Turnier in Katar, das seit der Vergabe eine einzige Schande war, hat damit seinen nächsten negativen Höhepunkt erreicht. Die Organisatoren schicken die Toleranz, die Vielfalt und die Gleichberechtigung offiziell in die Wüste und zeigen den Menschenrechten die Rote Karte. Es ist ein schäbiger Akt, der jedoch kaum überraschen sollte. Denn dieser nächste Eklat unterstreicht nur die Haltung der Fifa und des Gastgebers: Sie wollen die Spieler politisch mundtot machen. Brav kicken sollen sie. Aber politische Statements, die über den beschränkten Horizont des Weltverbands und des Emirs hinausgehen: bitte nicht!
"Der DFB verliert sein Rückgrat"
"Nordwest-Zeitung": Wenn selbst eine kleine bunte Binde zu einem großen Problem wird, dann kann an diesem Punkt von Weltoffenheit nicht mehr die Rede sein. Während Fifa-Präsident Gianni Infantino vor dem Gastgeberland einknickt, verlieren der Deutsche Fußball-Bund und die anderen europäischen Verbände ihr Rückgrat. Auf die von der Fifa angedrohten Konsequenzen hätte der DFB mit einer Gegendrohung reagieren müssen. Wie wäre ein Infantino damit umgegangen, wenn Deutschland, England und die Niederlande damit gedroht hätten, das Spielfeld zu verlassen?
"Frankenpost" (Hof): Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar eine Farce ist, dann hat der Fußball-Weltverband Fifa nun den endgültigen Beleg geliefert. Mit der beschämenden Ankündigung von sportlichen Sanktionen gegen Spieler, die die One-Love-Kapitänsbinde tragen würden, zeigt die Fifa nicht nur ein völlig unverständliches Beharrungsvermögen, sondern auch ein Talent, von einem Fettnäpfchen ins nächste zu springen
"Berliner Zeitung": Die Affäre " One Love"-Binde hat nicht einmal Empörung verdient, in ihr wiederholt sich das korrupte System Fifa als Farce, die nur deshalb weiter gespielt werden kann, weil alle Beteiligten ihre moralische und persönliche Integrität in der Umkleidekabine abgegeben haben. Es war in der Geschichte der Weltmeisterschaften schon immer zum Scheitern verurteilt, das Verhältnis von akuten sozialen und politischen Fragen mit den Bedürfnissen eines sich in Wertfreiheit ergebenden Fußballs in Einklang bringen zu wollen. In Katar aber, so scheint es, geht der so beliebte Ballsport gerade unter im Whirlpool der Lächerlichkeit. Robert Habecks unglückliche Geste, die er sich inzwischen vermutlich selbst kaum verzeihen kann, wirkt angesichts des " One Love"-Theaters fast wie eine starke Geste des Selbstvertrauens und der Souveränität.
Irans Gänsehaut-Moment: Fans demonstrieren auf den Rängen – Spieler schweigen bei Hymne
"Rhein-Zeitung": Statt Dienstleister der Mitgliedsländer ist die Fifa unter dem zunehmend verwirrten Sport-Despoten Gianni Infantino eher genau das Gegenteil - eine Autokratie, in ihrem Handeln ohne jede Hemmung. Eine Institution, die ihre Verbände erpresst, als wäre es das Normalste der Welt. Und nichts anderes als Erpressung ist das unglaubliche Vorgehen gegen den DFB und dessen Mitstreiter. Nun gehören zu einer gelungenen Erpressung immer zwei Parteien, der Erpresser und die Erpressten selbst. Dass die acht Verbände ihre leidenschaftlich geplante "One Love"-Binden-Verabredung beim ersten kräftigen Gegenwind einkassierten, mag man aus sportlicher Sicht nachvollziehen. Warum sie auf diesen Gegenwind nicht vorbereitet waren, schon wieder nicht. Es wäre die Chance gewesen für das stärkste Zeichen überhaupt, gerichtet auch in die Zukunft: Wir lassen uns nicht beugen, und sei der Druck noch so groß. Wir lassen uns nicht unterjochen von einem Mann und seinen willfährigen Helfern, die der Welt den Fußball stehlen.
"Man muss bereit sein, Konsequenzen in Kauf zu nehmen"
"Ludwigsburger Kreiszeitung": "Man stelle sich vor, jedes Spiel begänne mit einer Verwarnung des jeweiligen Kapitäns wegen des Tragens dieser Binde. Treffender könnte man den Fokus nicht auf die Themen Menschenrechte und Vielfalt lenken. Man muss es allerdings wollen - und bereit sein, Konsequenzen in Kauf zu nehmen. So funktioniert Protest. Statt den vergleichsweise lächerlichen Einsatz einer Gelben Karte in Kauf zu nehmen, knicken aber die acht europäischen Fußball-Verbände mitten in einer ohnehin fragwürdigen WM ein. Ach ja: Wer eigentlich sagt, dass die Fifa ihre Drohungen überhaupt wahr gemacht hätte?".
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": (...) Einen Tag vor dem Spiel der Engländer, deren Kapitän Harry Kane das Modell ebenso wie weitere Europäer tragen wollte, teilte die FIFA mit: Wer "One Love" am Arm trägt, riskiert "sportliche Sanktionen". Ob diese über eine Gelbe Karte hinausgehen würden, ein Punktabzug im Raum stand, wie es am Montag hieß, konkretisierte DFB-Präsident Neuendorf nicht. (...) Wie genüsslich die Fifa die Europäer in den Hinterhalt tappen ließ, zeigt das "Angebot", das sie im Gegenzug offerierte: Nach Art des Hauses, mit all ihrer zynischen Gönnerhaftigkeit, bietet sie nun an, eine Binde, die laut Fifa erst ab dem Viertelfinale vorgesehen war, dürfe unverzüglich getragen werden. Aufschrift: No discrimination, keine Diskriminierung. Infantino geht es also nicht um die Botschaft. Es geht ihm um die Macht. (...)
Gegen-WM, Schiebereien, Katastrophen: So umstritten waren frühere Fußball-Weltmeisterschaften
"Frankfurter Rundschau": "Die Mafia gewinnt immer", lautet eine Redewendung in Italien. Und genauso verhält es sich mit der Fifa , die sich erdreistete, mit sportlichen Sanktionen zu drohen, sollten die acht europäischen Kapitäne in Katar mit der One-Love-Binde auflaufen. Fast noch schlimmer als diese Entscheidung ist das Einknicken der Verbände vor dieser Erpressung, auch des DFB. Die Nationen verpassten damit eine Chance, Infantino und seiner korrupten Bande auf größtmöglicher Bühne entgegenzutreten. Wie mutig war dagegen die iranische Mannschaft, die aus Protest gegen die Zustände im eigenen Land bei der Nationalhymne schwieg. DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte eine deutliche Haltung angekündigt. Seine Worte waren nur leere Hülsen. Man wolle die Konfrontation nicht auf dem Rücken der Nationalspieler austragen, so die feige Begründung des Binden-Rückzugs. Manuel Neuer & Co. sind Teil des sportpolitischen Machtkampfs und können einem dabei nur leidtun. Der große Verlierer ist am Ende der gesamte Fußball.