Als es mal wieder passierte, hatte die deutsche Stabhochspringerin Carolin Hingst das Stadion längst verlassen. Am Montagabend sprang Elena Issinbajewa wie auf Bestellung ihren nächsten Weltrekord. Diesmal waren es 5,05 Meter - Issinbajewa gewann olympisches Gold und keine Goldmedaille dieser Olympischen Spiele war so selbstverständlich wie die der russischen Stabhochsprung-Queen.
Vor Langeweile immer einen Zentimeter höher
Issinbajewa ist in ihrer Disziplin unschlagbar. Ihre Spezialität: Den Weltrekord verbessern - und zwar wenn möglich zentimeterweise. Immer einen einzigen mehr, bei jedem Wettkampf nur ein klein wenig höher, das bringt Geld und hält sie im Gespräch. Issinbajewa ist eine Diva. Wenn sie ins Stadion kommt, bewundern sie die Zuschauer. Sie bewegt sich grazil, wirkt elegant und hat ein hübsches Gesicht. Sie ist perfekt, um ihre Sportart mit Glamour zu versorgen. Und sie hat ihre Konkurrentinnen locker und leicht im Griff. Die Silbermedaillen-Gewinnerin Jennifer Stuczynski (USA) überquerte 4,80 Meter - Issinbajewa springt in einer anderen Galaxie.
Die Russin ist seit 2004 ungeschlagen. Genau das birgt Gefahren, denn dem Stabhochsprung der Frauen fehlt damit seit etwa vier Jahren jegliche Spannung. "Das ist doch langweilig" meint auch die Deutsche Carolin Hingst, im olympischen Finale Sechste mit übersprungenen 4,65 Meter. Insbesondere, wenn man sich überlege, dass "Issinbajewa im Training sicher über die 5, 20 Meter springen kann." 5,20 Meter - noch einmal 15 Zentimeter höher - da wäre Raum für 15 weitere Weltrekorde. Immer schön scheibchenweise.
Peking ist das Schaulaufen der Überirdischen
"Eigentlich ist es fast unmöglich, was sie leistet", findet Hingst. Und lässt Raum für Spekulationen: "Ich weiß nicht, wie sie in Italien und Russland trainiert", und spricht damit nicht zwangsweise über irgendwelche Sprungtechniken. In der Tat ist es schon erstaunlich, wie eine Athletin ihren Gegnerinnen so überlegen sein kann. Aber Usain Bolt, der olympische Wundersprinter, und auch Michael Phelps, achtfacher Goldmedaillengewinner im Schwimmen, sind lebende Beweise dafür, dass diese olympischen Spiele auch das Schaulaufen der Überirdischen sind. Wie auch immer sie das anstellen.
Es gibt ein Werbevideo von Issinbajewa, in dem sie sich über die Ankündigung ihrer härtesten Gegnerin Stuczynski lustig macht. Ein Zeichen ihres an Arroganz grenzenden Selbstbewusstseins. "Ich kann doch nicht ruhig bleiben, wenn meine Gegner etwas behaupten, was nicht stimmt", und schiebt ein Zeichen ihrer Überlegenheit gleich noch hinterher: "Die freuen sich, dass sie es schaffen, 4,90 Meter zu springen. Das habe ich schon vor vier Jahren getan. Das ist keine besondere Leistung." Für Issinbajewa nicht. Aber die springt auch in einer anderen Dimension. Wie sie das schafft, wird (noch) ihr Geheimnis bleiben.