Sinkewitz-Affäre Was wusste T-Mobile?

Man werde sich von Patrik Sinkewitz trennen, wenn sich der positive Befund bestätige, versichert Bob Stapleton, T-Mobile Teamchef. Doch nach Information des ARD-Magazins "Kontraste" soll der Rennstall bereits Ende Mai über Auffälligkeiten bei Sinkewitz' Dopingkontrollen informiert worden sein.

Die zehnte Etappe der Tour de France war längst beendet, da parkte der weiße Mannschaftsbus von T-Mobile noch immer auf der Avenue du Prado in Marseille. Hinten am Heck, bei laufendem Motor, stand Bob Stapleton. Er lächelte, hatte die Hände lässig in die Hüften gestemmt - nichts an ihm verriet, dass er gerade eine Meldung kommentieren musste, die den deutschen Radsport verändern wird. "Wir werden den Weg weitergehen", sagte Stapleton, der das T-Mobile Team seit dem Herbst vergangenen Jahres managt. "Ich habe den Glauben an uns nicht verloren."

Am Vormittag hatte der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) bekannt gegeben, dass im Juni bei T-Mobile-Fahrer Patrik Sinkewitz, 26, ein erhöhter Testosteronwert festgestellt wurde. Ein schwerer Schlag für das T-Mobile-Team, dem Stapleton ein Anti-Doping-Programm auferlegt hatte, das Maßstäbe in der Branche setzen sollte. Stapleton schockierte der Fall Sinkewitz offensichtlich nicht. "Uns war klar, dass es eine gefährliche Mission werden würde, den Radsport zu reinigen. Der positive Befund bei Patrik zeigt, dass man das Bewusstsein der Fahrer nicht über Nacht ändern kann."

Sponsoren stehen vor dem Absprung

So gelassen wie Stapleton reagierten die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF nicht. Sie stoppten die Live-Berichterstattung von der Tour bis auf weiteres. Für Stapleton unverständlich. "Sie treffen ihre Entscheidungen", sagte er bemüht diplomatisch, "ich treffe meine."

Die Affäre Sinkewitz bedeutet nicht nur für T-Mobile einen Glaubwürdigkeitsverlust - er wird das Ansehen des professionellen Radsports in ganz Deutschland verändern. Die Konsequenz aus dem Dopingfall wird mit hoher Wahrscheinlichkeit den Ausstieg vom Mineralwasserunternehmen Gerolsteiner beim gleichnamigen Team bedeuten. Noch in der vergangenen Woche hatte dessen Marketingvorstand Stefan Göbel gesagt: "Wir schauen genau hin. Der Radsport wackelt - und damit unsere Kommunikationsplattform." Ebenfalls vor dem Absprung steht Nordmilch, der den Milram-Rennstall unterstützt, für den der geständige Doper Erik Zabel fährt.

Stapleton indes befürchtet für sein eigenes Team keine wirtschaftlichen Konsequenzen. "Ich denke, unser Sponsor T-Mobile ist mit uns auf einer Linie. Es kann immer Rückschläge geben, das ist allen klar."

Warten auf die B-Probe

Mit Sinkewitz hatte Stapleton bis zum frühen Mittwochabend keinen Kontakt. Sinkewitz war am Sonntag nach einer Tour-Etappe schwer gestützt und wird zurzeit im Unfallkrankenhaus Hamburg-Bergedorf behandelt. Spätestens am Donnerstagmorgen will Stapleton mit Sinkewitz sprechen. "Wir werden uns an unsere Regularien halten: Sollte auch die B-Probe positiv sein, lösen wir den Vertrag auf. Ob wir auch Prämien und Gehälter von ihm zurückfordern werden, kann ich noch nicht sagen. Mir geht es in erster Linie nicht ums Bestrafen. Ich will den Radsport ändern."

Ob Stapleton dies mit der von ihm behaupteten Härte tut, muss hinterfragt werden. Das ARD-Magazin "Kontraste" berichtete am Mittwochabend, dass es T-Mobile bereits am 30. Mai über Auffälligkeiten bei Patrik Sinkewitz informiert habe. Das Magazin verfügt über Unterlagen der Nationalen Antidoping-Agentur (NADA), denen zufolge Sinkewitz seine Meldepflicht gegenüber Dopingkontrolleuren verletzt haben soll. Drei Mal soll Sinkewitz im Frühjahr nicht anzutreffen gewesen sein. Dies ist nach Angaben des Magazins durch Protokolle belegt.

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