"Frankfurter Rundschau": Die Olympischen Winterspiele in Peking drohen genauso eine Karikatur der Wettkämpfe zu werden wie die Sommerspiele in Tokio es waren. Corona verwandelt den sportlichen Wettstreit in eine Lotterie, weil Athletinnen und Athleten trotz der strikten Hygienekonzepte sich jeder Zeit anstecken können – oder auch nicht. Zudem raubt die Pandemie dem Fest der Völkerverständigung die Begegnung. Ohne Publikum, ohne Treffen von Menschen von verschiedenen Kontinenten verlieren die Spiele halt ein wichtiges Ziel. Und auch die Sportlerinnen und Sportler werden sich jenseits der Arenen kaum treffen können. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, das olympische Feuer ein Jahr später zu entzünden. Noch schwerer wiegen die systematischen Menschenrechtsverletzungen Chinas in Tibet, gegen Uigurinnen und Uiguren oder auch das brutale Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong oder die Digitale Vollüberwachung. Gemessen daran hätten die Spiele nicht nach Peking vergeben werden dürfen.
"Nürnberger Nachrichten": Es wird in Peking viele Corona-Fälle geben, es gibt sie längst. Verstörendes und Ungerechtes wird aufgedeckt, die Umweltzerstörungen und der abscheuliche Betonbombast thematisiert werden. IOC-Präsident Thomas Bach wird die Spiele dennoch loben. Dabei ist schon vor der Eröffnung klar: So dürfen Olympische Spiele nicht sein, sonst werden sie bald nicht mehr sein.
"Stuttgarter Nachrichten": Die Winterspiele 2022 finden in einem Land statt, in das sie niemals hätten vergeben werden dürfen. Weil sich schon nach den Sommerspielen 2008, die ebenfalls in Peking ausgetragen wurden, keine der vielen Hoffnungen auf mehr Freiheit, mehr Offenheit und mehr Humanität erfüllt hat. Stattdessen entwickelte sich China in die entgegengesetzte Richtung. Organisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch attestieren den Machthabern "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", vor allem die muslimischen Uiguren leiden demnach unter Verfolgung, Inhaftierung und Folter. Meinungsfreiheit ist in China ein Fremdwort, die Medien werden zensiert. Trotzdem sagt Xi Jinping, dass sein Land "hinter den olympischen Werten" stehe. Doch die Realität sieht anders aus. Fairness? Respekt? Internationalität? In diesen Disziplinen ist für China das Podium außerhalb jeglicher Reichweite.
"Mitteldeutsche Zeitung": Wer außerdem denkt, dass diese Winterspiele eine Plattform bieten könnten, um Veränderungen anzuschieben, denkt ebenfalls zu kurz. Das zeigen die Erfahrungen der Geschichte. Hat sich China nach den Sommerspielen 2008 in Peking etwa zum Positiven entwickelt? Ist Russland nach den Winterspielen 2014 in Sotschi und der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 etwa demokratischer geworden? Natürlich nicht. In beiden Fällen gilt: Der Sport kam und er ging wieder – der Mangel an Demokratie blieb dagegen und wurde eher größer. Mehr Politik als durch die behauptete Abwesenheit von Politik bei den an diesem Freitag beginnenden Winterspielen geht also gar nicht. Nicht umsonst besucht Russlands Staatschef Wladimir Putin genau jetzt seinen chinesischen Kollegen Xi Jinping, während sich die deutsche Bundesregierung weiter vor einer klaren Positionierung zu diesen Olympischen Winterspielen drückt.
"Berliner Zeitung": Unter dem Vorwand, die Basis großer Sportwettkämpfe zu erweitern und gerade auch kleineren Ländern den Genuss der Teilhabe zu ermöglichen, haben insbesondere die Verbände IOC und Fifa ein Günstlings- und Zuwendungssystem errichtet, das viel verspricht, einiges verteilt und die eigene Macht erhält. Die naheliegenden Einwände gegen Wintersport in Peking und Fußball in der Hitze Katars können so mühelos als Ausdruck ethnozentrischer Hybris zurückgewiesen werden, während sich die Funktionäre der transnationalen Sportverbände in der Rolle generöser Macher wähnen. Dass Thomas Bach, der frühere deutsche Fecht-Olympiasieger, dieses System an der Spitze des IOC ausgebaut und verfeinert hat, erfordert von jedem Sportfan hierzulande eine ganz besondere Abstraktionsleistung, um sich ganz naiv auf die Spiele freuen zu können.
"Volksstimme": Wenn es so weitergeht mit den coronabedingten Absagen vor oder während der Olympischen Winterspiele in Peking, wäre wohl selbst einem Viererbob aus Jamaika am letzten Wettkampftag eine Medaille zuzutrauen. Die 24. Winterspiele drohen nämlich schon vor der Eröffnung am Freitag, ihren sportlichen Wert zu verlieren. Wenn eine Bob-Pilotin Elana Meyers Taylor, der nur noch Olympia-Gold in ihrer Karriere fehlt, coronabedingt absagen muss, dann schmälert dies unfreiwillig den Glauben an ernst zu nehmende Spiele. Nur den Traum der Athleten von einer Medaille kann eine solche Botschaft freilich nicht zerstören. Auch nicht die Menschenrechtsverletzungen, die China vorgeworfen werden. Diese wurden zur Kenntnis genommen, diese werden von den meisten Athleten sicher nicht akzeptiert, aber mit dem ersten Finale werden sie für zwei Wochen auch ignoriert. Selbst in Peking zählt nur der Traum. Egal, ob in der Konkurrenz der große Name fehlt.
"Hannoversche Allgemeine Zeitung": Wer (...) denkt, dass diese Winterspiele eine Plattform bieten könnten, um Veränderungen anzuschieben, denkt (...) zu kurz. Hat sich China nach den Sommerspielen 2008 in Peking zum Positiven entwickelt? Ist Russland nach den Winterspielen 2014 in Sotschi und der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 demokratischer geworden? Natürlich nicht. In beiden Fällen gilt: Der Sport kam und er ging wieder – der Mangel an Demokratie blieb und wurde eher größer.
"Leipziger Volkszeitung": Hat sich China nach den Sommerspielen 2008 in Peking zum Positiven entwickelt? Ist Russland nach den Winterspielen 2014 in Sotschi und der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 demokratischer geworden? Natürlich nicht. In beiden Fällen gilt: Der Sport kam und er ging wieder – der Mangel an Demokratie blieb und wurde eher größer. Mehr Politik als durch die behauptete Abwesenheit von Politik bei diesen Winterspielen geht also gar nicht. Nicht umsonst besucht Wladimir Putin jetzt seinen chinesischen Kollegen Xi Jinping, während sich die Bundesregierung vor einer Positionierung zu diesen Winterspielen drückt.
Internationale Pressestimmen
"Politiken" (Dänemark): "Wenn sich die Blicke der ganzen Welt nach Peking richten, wird die pompöse Eröffnungszeremonie nicht nur drei Wochen der sportlichen Wettbewerbe auf Schnee und Eis einläuten. Sie wird auch den Tiefpunkt in einer olympischen Krise markieren, die nicht größer gewesen ist, seit die Spiele von 1980 und 1984 im Kalten Krieg als Geiseln genommen wurden. Sport und Politik sind verbunden, auch wenn sich die Spitze der olympischen Bewegung an den entgegengesetzten Standpunkt klammert. Es ist unbegreiflich, wie das IOC seine Augen davor verschließen kann, dass China die olympische Aufmerksamkeit dafür nutzt, um sich nach außen rein zu waschen und seiner Milliardenbevölkerung zugleich Größe zu signalisieren.
"Nepszava" (Ungarn): "Während das IOC für die grundlegenden Werte des Sports – Fair play, Korrektheit, Sauberkeit und vieles mehr - eintreten sollte, interessiert es sich in Wirklichkeit nur für eines: den Profit. Für den materiellen Nutzen. (...) Mit völlig entfesselten Veranstaltungskosten und ständig wechselnden Wettbewerbsprogrammen hat sich das IOC in eine Falle manövriert, aus der es sich ohne Gesichtsverlust nicht mehr zu befreien vermag. Vor dem Winter-Event 2022 zogen drei von fünf potenziellen Austragungsorten ihre Bewerbung zurück. Es blieb die Wahl zwischen Kasachstan und China."
"Hospodarske noviny" (Tschechien): "Der Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking ist weit davon entfernt, ein Feiertag für den Sport zu sein, der die ganze Welt in Begeisterung versetzen würde. Die Mehrzahl der demokratischen Staaten beteiligt sich an einem diplomatischen Boykott des Sportevents. Sie haben sich – wenn auch in letzter Minute – entschieden, vor den Praktiken des kommunistischen Regimes in China, das politische Gegner beseitigt und seine Bevölkerung totalitär kontrolliert, nicht die Augen zu verschließen. Das ist ein klares Signal, dass Chinas Kommunisten längst nicht das Ansehen in der Welt haben, das sie sich wünschen würden. Und das ist für die Vertreter einer der größten Volkswirtschaften der Welt ein Problem."