Vor ein paar Monaten noch sah es so aus, als ob in der deutschen Bankenlandschaft eine Revolution ausbrechen würde. An einem Tag hieß es, alle vier Großbanken könnten fusionieren. Am nächsten stand die Sparkasse Stralsund zum Verkauf. Dass nicht nur die erste, sondern auch die zweite Meldung als Sensation gehandelt wurde, ist ein Beleg für die ungewöhnliche Struktur der Finanzbranche in Deutschland. Inzwischen haben sich beide Ideen als Blindgänger erwiesen. Auch die Übernahme einer deutschen Großbank aus dem Ausland ist bisher ausgeblieben. Manche Experten rechnen nun damit, dass es statt der Revolution eher zu einer Reform in kleinen Schritten kommen wird.
Drei-Säulen-System
Drei Säulen - private Großbanken, öffentlich-rechtliche Kreditinstitute und Genossenschaftsbanken - prägen das Bild der Branche. Obwohl die Zahl der Banken nach Angaben der Bundesbank seit 1957 von 13.359 im Westen auf heute insgesamt 2.466 Institute geschrumpft ist, verfügt Deutschland immer noch über die vierthöchste Bankendichte in Europa.
Ungünstig ist die Situation vor allem für die Großbanken: die Deutsche Bank, die HypoVereinsbank, die zu Allianz gehörende Dresdner Bank und die Commerzbank. Zusammen genommen sind bei den großen Vier nur 4,5 Prozent der Spareinlagen im Land hinterlegt. Ihre größten Konkurrenten im Geschäft mit Privatkunden und dem Mittelstand sind traditionsgemäß Sparkassen und Volksbanken. Deren Eigentümer erwarten zwar auch Gewinne, üben aber weniger Druck aus als die Aktionäre der großen Institute.
Universalbanken mit zu hohen Kosten
Jahrzehnte lang wirtschafteten die Großen erfolgreich als Universalbanken. Dann verschärften Globalisierung und neue Informationstechnologien den Wettbewerb in der Branche, und das Platzen der Internet-Blase brachte die Probleme ans Tageslicht: zu hohe Kosten und mangelndes Risikomanagement.
Inzwischen haben die Großbanken schmerzhafte Sanierungen hinter sich und Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut. Beteiligungen an Industrieunternehmen, aus denen sich einst die verflochtene Deutschland AG zusammensetzte, stießen sie größtenteils ab. Die Zukunft - darin sind sich Branchenexperten einig - heißt entweder groß angelegte Expansion oder Spezialisierung.
Wenig Interesse an Übernahmen
Zumindest bei der Deutschen Bank und der Commerzbank sprudelten die Gewinne im ersten Quartal zwar wieder, doch im internationalen Vergleich ist es immer noch ein Rinnsal, das aus dem deutschen Bankenbrunnen entspringt. Das Interesse ausländischer Kreditinstitute an Übernahmen scheint sich daher in Grenzen zu halten. Derweil haben spezialisierte Banken, auch aus dem Ausland, in Deutschland Wachstumsmärkte wie das Geschäft mit Verbraucherkrediten selbst erobert.
Die großen Institute trennten sich von Sparten, wodurch neue Banken wie die Eurohypo entstanden, doch klar umrissene Zukunftsstrategien bleiben Mangelware. "Die meisten Banken sind immer noch kaum voneinander zu unterscheiden", heißt es in einer Studie von Accenture und Boston Consulting Group.
Langer Wandlungsprozess
Größere oder fokussierte Institute könnten auch durch Fusionen auf nationaler Ebene entstehen. Die Übernahme großer Sparkassen durch private Großbanken ist nach dem vorläufigen Scheitern der Initiative in Stralsund aber in weite Ferne gerückt. Über einen Zusammenschluss von Commerzbank und HypoVereinsbank wird seit Monaten spekuliert, doch die Positionierung eines solchen neuen Kreditinstituts scheint auch für die Beteiligten nicht geklärt zu sein. Wenn die großen Umstürze ausbleiben, könnte der Wandlungsprozess in der Branche also noch viele Jahre dauern.