Das Ergebnis der Bundestagswahl führt zu einer außergewöhnlichen Situation: Sowohl die siegreichen Sozialdemokraten unter Olaf Scholz als auch die zweitplatzierte Union mit Armin Laschet wollen die nächste Bundesregierung anführen. Und beide wollen – mangels Alternativen – mit Grünen und FDP regieren. Damit liegt es an den beiden kleineren Parteien, wen sie zum nächsten Bundeskanzler machen.
Und die drehen den Spieß nun um: Schon am Wahlabend haben die Spitzen von Liberalen und Grünen deutlich gemacht, dass sie nicht auf Gesprächseinladungen der potenziellen Kanzlerparteien warten, sondern zunächst untereinander sprechen wollen, wie man inhaltlich zusammenkommt. Eine Art Sondierungsgespräche der Kanzlermacher also.
Warum auch nicht? Die beiden Parteien stehen sich zwar traditionell im linken und im bürgerlichen Lager gegenüber, aber es gibt auch Verbindendes. Beide Parteien sind in gesellschaftlichen Fragen liberal, sie sprechen eher junge Wähler an, sie wollen eine Modernisierung des Staates nach langen Groko-Jahren. Und sie haben den klaren Willen formuliert, aus der Oppositionsrolle herauszutreten und sich für eine gemeinsame Regierung zusammenzuraufen.
Dennoch dürften die grün-gelben Gespräche schwierig werden, denn inhaltlich trennt sie einiges. Vor allem in zentralen Punkten der Wirtschafts- und Steuerpolitik haben FDP und Grüne komplett unterschiedliche Vorstellungen. Das sind die größten Knackpunkte.
Umbau der Wirtschaft
Dass Grüne und FDP überhaupt gemeinsamen Grund finden könnten, liegt daran, dass ihre jeweiligen Steckenpferde Wirtschaftsförderung und Klimaschutz nicht mehr wie früher als Gegensätze begriffen werden, sondern als notwendige Symbiose. Die deutsche Wirtschaft muss klimaneutral werden, das ist längst beschlossen. Grundsätzlich einig sind sich Grüne und FDP dabei, dass der CO2-Preis als zentrales Element der Steuerung fungieren muss.
Allerdings wollen die Grünen, dass der CO2-Preis auf fossile Brennstoffe deutlich schneller ansteigt als bisher vorgesehen. Schon 2023 soll er auf 60 Euro pro Tonne steigen. Laut den Plänen der aktuellen Regierung steigt er bis dahin nur von 25 auf 35 Euro. Die FDP sieht den Handel mit CO2-Zertifikaten ebenfalls als zentrales Steuerungsinstrument, will ihn ausweiten und die Zertifikate teurer machen. Allerdings bleiben die Liberalen bei der Höhe des angestrebten CO2-Preises unkonkret.
Ein höherer CO2-Preis macht Autofahren und Heizen für viele Verbraucher teurer. Die Grünen wollen daher die Einnahmen aus dem CO-Preis in Form eines "Energiegeldes" an die Bürger zurückzahlen, vor allem Geringverdiener und Familien sollen so entlastet werden. Auch die FDP möchte die Einnahmen aus dem CO2-Preis an die Bürger in Form einer "Klimadividende" zurückzahlen.

Differenzen beim Klimaschutz
Klingt erstmal so, als könnte man in der Klimapolitik mit ein bisschen Geschacher beim CO2-Preis zusammenfinden, doch im Konkreten sind die Stolpersteine zahlreich. So wollen die Grünen den Kohleausstieg von 2038 auf 2030 vorziehen, die FDP will das nicht. Die Grünen wollen ein Tempolimit und ab 2030 keine Verbrenner mehr zulassen. Die FDP will kein Tempolimit und den Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen weiterleben lassen. Die Grünen haben viele konkrete Klimaschutz-Pläne im Programm, wie eine Solarpflicht auf neuen Hausdächern, die FDP will möglichst wenig fixe Vorgaben machen.
Unterm Strich kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu dem Schluss, dass Grüne und FDP in Sachen Klimapolitik am weitesten von allen Parteien voneinander entfernt sind. Während das Programm der Grünen laut DIW noch am ehesten geeignet ist, die Ziele des Klimaschutzgesetzes einzuhalten, ist das FDP-Programm in dieser Hinsicht am wenigsten geeignet.
Steuern und Finanzen – da passt gar nix
Gewaltige Differenzen zwischen grün und gelb gibt es auch bei Steuern und Finanzen. So wollen die Grünen kleine und mittlere Einkommen entlasten und den Spitzensteuersatz für Gutverdiener erhöhen. Die FDP hingegen will keine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und fordert zudem, dass er erst ab einem Jahreseinkommen von 90.000 Euro greift. Die Grünen fordern eine Vermögenssteuer von einem Prozent auf Vermögen von mehr als zwei Millionen Euro, die FDP lehnt eine Vermögenssteuer ab. Auch eine höhere Erbschaftssteuer - von den Grünen nicht gefordert, aber als Alternative zur Vermögenssteuer denkbar - wollen die Liberalen nicht.
Zudem will die FDP auch die Wirtschaft steuerlich massiv entlasten. Die Unternehmenssteuerlast soll auf 25 Prozent sinken, die Gewerbesteuer ganz entfallen. Das liberale Steuersenkungsprogramm kollidiert fundamental mit den Plänen der Grünen für mehr staatliche Ausgaben zum klimagerechten Umbau von Staat und Wirtschaft. Die Grünen wollen zudem die Schuldenbremse so ändern, dass der Staat über Kredite jährliche Investitionen von 50 Milliarden Euro finanzieren kann. Die FDP will die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form beibehalten, was den Plan der Grünen unmöglich macht.
Wie zentral der Konflikt bei den Finanzfragen ist, sieht man auch daran, dass FDP-Chef Christian Lindner seit Monaten offensiv das Finanzministerium für sich fordert, während bei den Grünen Co-Parteichef Robert Habeck unverhohlen auf das Amt schielt. Die grün-gelben Gespräche dürften also herausfordernd werden – und dann muss man sich ja auch noch auf eine passende Kanzlerpartei einigen.