Jean-Francois Dehecq, ein knorriger Franzose, hat sich etwas in den Kopf gesetzt: Der Chef des Pharmakonzerns Sanofi möchte den Konkurrenten Aventis schlucken. "Wenn wir uns in Europa nicht zusammenschließen", warb er vergangene Woche vor Analysten in Frankfurt, "überlebt mittelfristig weder Sanofi noch Aventis."
Dann reiste er weiter - nach New York, London, wieder Frankfurt, Paris - und redete und redete. Seine PR-Leute schalteten derweil ein paar böse Anzeigen, in denen sie die Fusion zu einer Frage von Leben und Tod machten ("Wir sehen nicht ein, warum wir nicht schneller ein Medikament für Jan finden sollten").
"Es wedelt der Schwanz mit dem Hund"
Die Fusion erscheint vielen sogar sinnvoll. "Vom Geschäft und der Mentalität her könnte es passen", sagt Andreas Gartner, Pharma-Experte beim Fondsanbieter SEB Invest. Aber: "Es wedelt da der Schwanz mit dem Hund." Übernahmeziel Aventis ist der siebtgrößte Pharmakonzern der Welt, vor knapp fünf Jahren entstanden aus der Frankfurter Hoechst AG und dem französischen Hersteller Rhone-Poulenc. Angreifer Sanofi ist weniger als halb so groß. Die Verhandlungen dürften dauern.
Beginn der nächsten Börsenblase?
Egal, wie es ausgeht: Sanofi-Chef Dehecq hat ein Thema zurück auf die Agenda gebracht, das schon vergessen schien. Nach annähernd zweijähriger Funkstille redet die Finanzwelt wieder über Fusionen und Übernahmen. Ist das der Beginn der nächsten Börsenblase? Eher nicht. Die Zeiten der Mega-Deals dürften in den meisten Branchen vorüber sein. Beteiligten Unternehmen brachten sie zuletzt überwiegend Hohn und Spott, Anlegern meist Verluste. Zu den Letzten auf dem Karussell, das sich in den neunziger Jahren rund um den Globus noch so schnell drehte, gehören derzeit deutsche Banken - hier dürfte kaum ein Stein auf dem anderen bleiben - und die Pharma-Branche. So hat die Attacke auf Aventis auch die Rechenschieber etwa beim Schweizer Pillenhersteller Novartis und anderen Konkurrenten neu in Gang gesetzt. Wichtigster Treibsatz für Zusammenschlüsse waren früher Wachstumsfantasien. Bei den Nachzüglern ist es der Kostendruck: Immer mehr, immer billiger - so lautet das neue Mantra. Wirkt der Druck auch diesmal, käme mit Sanofi und Aventis die weltweite Nummer drei hinter Pfizer (USA) und GlaxoSmithKline (Großbritannien) heraus. Und der knorrige Monsieur Dehecq könnte triumphieren. Wen würde es da noch scheren, dass derselbe Monsieur Dehecq noch vor kurzem erklärt hat, Großfusionen seien von gestern?
AUTOINDUSTRIE
Aus der Fusion Daimler und Chrysler sowie der späteren Teilübernahme von Mitsubishi ist zwar der zweitgrößte Autokonzern der Welt entstanden, für Daimler-Aktionäre aber nur wenig herausgesprungen. Zu hoch erscheint heute der Aufwand, gleiche Produktions- und Produktkulturen in Europa, Asien und den USA zu schaffen. Folge: gut 40 Prozent Minus seit 1998. Analysten raten beim derzeitigen Kurs überwiegend zum Halten des Daimler-Chrysler-Papiers
FINANZEN
Seit die Allianz die Dresdner Bank gekauft hat, ist der Kurs des Versicherers um rund 65 Prozent gesunken. Der Einbruch seit Mitte 2001 dürfte jedoch kaum allein der Übernahme anzukreiden sein. Mindestens so schwer wogen branchenweite Probleme wie Börsen-Crash, Zinstalfahrt, Managementfehler und diverse Großschäden.
Über das Kurspotenzial auf Basis heutiger Kurse sind die Analystenmeinungen gespalten
TELEKOMMUNIKATION
Seit der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone verloren die Aktionäre rund 60 Prozent. Wohl weniger, weil der Preis für Mannesmann gigantisch ausfiel. Und auch nicht, weil Firmenkulturen nicht zueinander passten. Vielmehr wurde die gesamte Branche binnen kürzester Zeit vom Boomsektor zum Billig-Dienstleister - und verdiente damit nicht mehr die aufgeblasenen Börsenwerte. Zu heutigen Kursen stehen die Analysten-Ampeln beinahe einhellig wieder auf Grün
PHARMA
Mit Ausnahme der innerbritischen Fusion von GlaxoWellcome und SmithKlineBeecham (2000) waren Pharma-Deals in Europa für Anleger kein Schaden. Im Gegensatz zu anderen Branchen teilen sich heute immer noch weltweit an die 20 Großanbieter den wachsenden Gesundheitsmarkt. Daher ist der Konzentrationsdrang stark. Und: Weltweit ähnliche Produktionskulturen erleichtern Zusammenschlüsse. Folge: Die Börse reagierte bislang eher positiv. So stieg der Sanofi-Kurs seit der Übernahme von Synthélabo vor fünf Jahren um mehr als 40 Prozent.
Seit der Offerte für Aventis ist der Kurs unter Druck, die Analysten sind kurzfristig eher pessimistisch: Ihre jüngsten Empfehlungen für Sanofi-Papiere schwanken zwischen Halten und Verkauf. Nur wenig optimistischer geben sich die Branchenkenner für Aventis-Aktien