Agentur für Arbeit Beiträge senken - oder lieber doch nicht?

Das Finanzpolster der Agentur für Arbeit ist so dick wie lange nicht mehr. Doch wohin mit dem Geld? Arbeitgeber und CDU fordern eine deutliche Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags. Auch Teile der SPD sind dem nicht abgeneigt. Doch ein wichtiger SPD-Minister ist da anderer Meinung.

Angesichts eines Finanzpolsters der Bundesagentur für Arbeit (BA) in noch nie dagewesener Höhe rückt eine Absenkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung auf unter 3,9 Prozent in greifbare Nähe. Bis Ende 2011 könnten die Rücklagen der BA bei heutiger Rechtslage auf 55 Milliarden Euro anwachsen, wie Vorstandschef Frank-Jürgen Weise in Nürnberg mitteilte. Selbst bei Absenkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung auf 3,9 Prozent und bei Abzug von Milliarden-Zahlungen an den Bundeshaushalt blieben 26 Milliarden Euro übrig. CDU und die Arbeitgeber forderten daher eine stärkere Absenkung des Beitrages auf mindestens 3,5 Prozent. Auch in der SPD wächst die Bereitschaft dazu. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) verhielt sich dagegen zurückhaltend.

Verwaltungsrat der BA zerstritten

"Das Geld gehört den Beitragszahlern", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. "Ein Absenken des Arbeitslosenversicherungsbeitrages auf 3,5 Prozent ist drin. Das wäre der niedrigste Stand seit 1981." Beschlossen ist für 2008 nur eine Absenkung um 0,3 Punkte auf 3,9 Prozent. Auch in der SPD wächst die Bereitschaft zu einer stärkeren Reduzierung, sofern dies mit weiteren Hilfen für Arbeitslose gekoppelt wird. "Zusätzliche Maßnahmen zum Abbau der Warteschleifen bei den Altbewerbern und weitere Qualifizierung können sinnvoll verbunden werden mit einer weiteren Beitragssatzsenkung auf 3,5 Prozent", sagte SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner der Nachrichtenagentur Reuters.

Das Arbeitsministerium von Müntefering zeigte sich indes zurückhaltend. "Es gibt keinen akuten Entscheidungsbedarf und keine aktuelle Entscheidungsgrundlage", sagte sein Sprecher Stefan Giffeler. Die Zurückhaltung dürfte auch damit begründet sein, dass Müntefering einen Ewerbstätigenzuschuss einführen will, um Geringverdiener aus dem Arbeitslosengeld II heraus zu halten. Dies würde die BA mit Milliardenzahlungen belasten. Allerdings konnte er bislang nicht die Union dafür gewinnen.

Wirtschaft drängt auf Beitrag von 3,2 Prozent

Spitzen der Wirtschaft wie Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt, Handwerks-Chef Otto Kentzler und Außenhandels-Präsident Anton Börner forderten eine Beitragssenkung auf 3,2 Prozent. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lehnte indes eine Absenkung auf weniger als 3,9 Prozent ab. Die Überschüsse sollten stattdessen dazu genutzt werden, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für Ältere wieder auszuweiten, forderte der DGB.

Auch im Verwaltungsrat der BA zeigten sich die Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zerstritten. Die Vorsitzende des Kontrollgremiums, Annelie Buntenbach vom DGB, sagte in Nürnberg: "Wer jetzt von einer Beitragssenkung von nochmal acht Milliarden Euro spricht, geht nicht verantwortlich mit der BA um." Der Vizechef des Verwaltungsrats, Peter Clever von den Arbeitgebern, entgegnete: "Die Überschüsse machen problemlos eine Senkung des Beitrages um einen weiteren Prozentpunkt möglich. Ich bedauere, dass die Gewerkschaften nicht ansatzweise dazu bereit sind." Entschieden wird eine Beitragssenkung allerdings nicht vom Verwaltungsrat, sondern vom Bundestag.

Der BA-Vorstand hatte dem Verwaltungsrat seine neue Finanzprognose vorgelegt. Allein im laufenden Jahr steht die Behörde demnach voraussichtlich um etwa zehn Milliarden Euro besser da als geplant. Da die Zahl der Beschäftigten steigt, wachsen auch die Beitragseinnahmen, während die Ausgaben für das Arbeitslosengeld I deutlich geringer sind als erwartet.

Zum Jahresende 2007 rechnet die BA mit einem Überschuss von fünf bis 5,5 Milliarden Euro. Einkalkuliert hatte sie ein Defizit von 4,3 Milliarden Euro. Zusammen mit den Reserven vom vorigen Jahr von 11,2 Milliarden Euro hätte die BA damit Ende 2007 Rücklagen von über 16 Milliarden Euro. Der BA-Vorstand spricht finanztechnisch nur von einem Jahresüberschuss von bis zu drei Milliarden Euro, weil Weise 2,5 Milliarden Euro für spätere Pensionszahlungen an Beamte zurücklegen will. Das Vorhaben ist vom Bundestag aber noch nicht genehmigt.

Reuters
Holger Hansen/Reuters

PRODUKTE & TIPPS