Angela Merkel will kurz vor dem Urlaub keine "Debatten-Bremse" sein. Bevor sich die CDU-Vorsitzende für drei Wochen zu den Wagner-Festspielen und anschließenden Wanderferien in den Alpen verabschiedete, hinterließ sie den Ihren den Wunsch nach einer offenen Reformdiskussion. "Bei den schwerwiegenden Problemen, vor denen Deutschland steht, ist es nur vernünftig, dass man in Volksparteien wie CDU und CSU offen diskutiert."
Vielleicht will die CDU das Sommertheater bestreiten
Hochrangige Mitglieder der Partei- und Fraktionsführung scheinen die Aufforderung nun wörtlich zu nehmen. Während Merkel in Bayreuth am Tag eins ihrer "Auszeit" die Aufführung des "Parsifal" verfolgte, vermeldeten die Medien schon eine neue Folge des Dauerstreits in der Union über die Reformpolitik. Wie in der vergangenen Woche war auch diesmal wieder der Kündigungsschutz das Thema.
"Vielleicht wollen einige, dass die CDU diesmal das Sommertheater bestreitet", heißt es am Montag wenig begeistert in der Berliner Parteiführung. Und CDU-Vize Christoph Böhr stöhnt: "Es macht doch keinen Sinn, jetzt in einen Wettbewerb um den radikalsten Vorschlag einzugehen und immer mehr Menschen zu verprellen."
"Lieber befristet beschäftigt als unbefristet arbeitslos"
Auslöser der Aufregung war einmal mehr Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz. In einer Randbemerkung hatte der Wirtschaftsexperte den gesamten Kündigungsschutz in Deutschland in Frage gestellt: "Lieber befristet beschäftigt als unbefristet arbeitslos." Prompt wurde auch eine Äußerung von Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff zitiert, der für mehr Flexibilität im Kündigungsschutzrecht plädierte.
Die Reaktion des CDU-Arbeitnehmerflügels ließ nicht lange auf sich warten. "Wer vorschlägt, den Kündigungsschutz abzuschaffen, versetzt die Menschen in Angst und treibt sie zurück in die Arme der SPD", erzürnte sich Präsidiumsmitglied Hermann-Josef Arentz. SPD-Chef Franz Müntefering meldete sich postwendend zu Wort und war sich sicher: "Die SPD wird gebraucht."
Denn, so Müntefering, "die CDU wird immer hemmungsloser bei ihren Forderungen, Arbeitnehmerrechte zu zerschlagen". Die Forderung des niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten Christian Wulff, den Kündigungsschutz abzuschaffen, sei ein neuer "Höhepunkt an Zynismus", wettert der Parteivorsitzende weiter. Wenig überraschend auch die Reaktion aus dem Gewerkschaftslager. Der Vorsitzende der IG Bergbau-Chemie-Keramik, Hubertus Schmoldt, hat die Forderungen nach Kündigung des Kündigungsschutzes scharf zurückgewiesen. Wer den Kündigungsschutz für die Arbeitslosigkeit verantwortlich mache, handele zynisch und habe die Wirtschaftsregeln nicht begriffen, so Schmoldt.
Regierung wolle keine amerikanischen Verhältnisse
An Demagogie grenze der Hinweis, Kündigungsschutz schaffe keine neuen Arbeitsplätze. Für ein Mehr an Arbeitsplätzen sei der Schutz nie geschaffen worden. Er solle einzig und allein Beschäftigte vor Willkür bewahren. Die CDU solle sich wieder auf ihre christlichen und sozialen Grundwerte besinnen. Schließlich habe der Exportweltmeister Deutschland seine Erfolge entscheidend auch dem sozialen Frieden zu verdanken.
Vize-Regierungssprecher Thomas Steg nannte die bestehenden Regelungen praxisgerecht und sinnvoll. Es sei eine "Mär anzunehmen, dass Kündigungsschutz Beschäftigung verhindert". Entsprechende Äußerungen aus der CDU kritisierte Steg als "radikale Phrasen". Die Bundesregierung wolle keine "amerikanischen oder asiatischen Verhältnisse" auf dem deutschen Arbeitsmarkt.