Die Ausbreitung des Coronavirus hält deutsche Arbeitgeber in Atem. Die Beratungsfirma Ernst & Young aus Düsseldorf schickte am Freitag bereits 1500 Mitarbeiter nach Hause, nachdem sich ein Kollege infiziert hatte. Auch am Montag arbeiten die 1100 Angestellten in Düsseldorf und 110 in Essen noch im Home Office. Erst am Dienstag werde der Betrieb in den Büros - nach großflächiger Desinfektion - wieder aufgenommen, erklärte EY dem stern auf Anfrage. "Zudem befinden sich diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kontakt mit dem am Coronavirus erkrankten Kollegen hatten, in Quarantäne." Wer Symptome zeige, sei aufgefordert, sich bei den ärztlichen Stellen zu melden. Schwangere und immungeschwächte Mitarbeiter seien gebeten worden, ebenfalls zu Hause zu bleiben.
Der Vorfall bei Ernst & Young gibt einen Vorgeschmack darauf, was in den kommenden Tagen auch anderen großen Arbeitgebern in Deutschland blühen könnte. In den Unternehmen haben sich daher Krisenstäbe gebildet, die Notfallpläne erarbeiten und die Empfehlungen an ihre Mitarbeiter überarbeiten. "Wir nehmen die vom Coronavirus ausgehenden Risiken ernst", heißt es etwa beim Energiekonzern Eon. Eine Expertengruppe unter anderem aus Arbeitsmedizinern und Sicherheitsexperten verfolge die Entwicklung der Virusverbreitung und die Empfehlungen der Behörden fortlaufend, führe Risikobeurteilungen durch und schlage mögliche Präventionsmaßnahmen vor.
Ähnlich gehen auch andere Konzerne vor, wie Anfragen des stern bei großen Arbeitgebern zeigen. Das sind derzeit die wichtigsten Maßnahmen:
Händeschütteln verboten
Um die Ansteckungsgefahr zu vermindern, ergreifen Unternehmen verstärkte Hygienemaßnahmen, hinter denen auch die Höflichkeitsetikette derzeit zurückstehen muss. Volkswagen beispielsweise empfiehlt seinen Mitarbeitern "konsequent auf Händeschütteln und Umarmungen zu verzichten und verstärkte Handhygiene zu betreiben", wie ein Konzernsprecher erklärt. Auch in anderen Firmen ist Händeschütteln derzeit tabu.
Zudem gilt derzeit mehr denn je, dass sich niemand unbedacht krank zur Arbeit schleppen sollte. "Mitarbeiter, die Symptome aufweisen, sollten nicht zur Arbeit erscheinen und sich direkt ärztlich untersuchen lassen", sagt eine Sprecherin der Lufthansa. "Generell gilt, sich telefonisch bei den entsprechenden Stellen oder beim Hausarzt zu melden und abklären zu lassen, was zu tun ist."
Reiseverbote und abgesagte Termine
Viele Unternehmen streichen ihren Mitarbeitern Geschäftsreisen oder sagen wichtig Termine komplett ab. So lässt Henkel seine für Donnerstag geplante Bilanzpressekonferenz ins Wasser fallen, "um mögliche Gesundheitsrisiken für die Teilnehmer der Veranstaltung auszuschließen". Die Telekom hat eine für den 11. März geplante Konferenz zu Cybersicherheit in Bonn mit 2000 Teilnehmern abgesagt, der Handelskonzern Metro eine Verkaufskonferenz für diese Woche. Bayer schränkt den Zugang externer Mitarbeiter zu Meetings ein.
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Bei Eon heißt es: "Da unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsätzlich durch Reisen in Risikogebiete gefährdet sein können, haben wir ein vorübergehendes Geschäftsreiseverbot für diese Gebiete ausgesprochen." Außerdem seien Eon-Mitarbeiter, die privat in Risikogebiete reisen, dazu angehalten, sich mit ihrer Führungskraft in Verbindung zu setzen. "So können individuelle Maßnahmen ergriffen werden, um das Risiko einer etwaigen weiteren Verbreitung zu minimieren."
Ähnlich halten es auch andere Unternehmen. Bei Adidas etwa gelten derzeit Reisebeschränkungen für Reisen nach China, Südkorea oder Norditalien. Bayer möchte internationale Reisen seiner Mitarbeiter generell auf ein Minimum beschränken. Und bei Volkswagen gilt "die vorsorgliche Empfehlung, Dienstreisen nach China nur anzutreten, wenn sie zwingend erforderlich sind". Rückkehrern von Dienstreisen aus China wird zudem empfohlen, "nach Ankunft zunächst 14 Tage im Home Office zu arbeiten."
Ab ins Home Office
Unternehmen, in denen bereits eine Home-Office-Kultur gelebt wird, profitieren nun von dieser Möglichkeit. Bei Siemens darf sowieso jeder Büromitarbeiter in Absprache mit den Führungskräften von zu Hause aus arbeiten.
Adidas erlaubt seinen Mitarbeitern generell 20 Prozent der Arbeitszeit nicht im Büro zu verbringen. Angesichts der aktuellen Lage ermutigt das Unternehmen seine Angestellten, persönliche Treffen zu reduzieren "und stattdessen verstärkt Videotechnologie zu nutzen". Bei BASF heißt es: "Unabhängig vom Coronavirus, können Mitarbeiter grundsätzlich in Absprache mit ihrem Vorgesetzten von zu Hause aus arbeiten, wenn die Tätigkeit das zulässt."
Umgang mit Krankschreibungen
Der Hamburger Verlag Gruner + Jahr, zu dem auch der stern gehört, verzichtet angesichts der aktuellen Situation für die nächsten vier Monate komplett auf Krankschreibungen. Man pflege im Unternehmen ohnehin einen liberalen Umgang mit Krankschreibungen, sagt Personalleiter Stefan Waschatz. "In der aktuellen Situation möchten wir unseren Kollegen und Kolleginnen noch weiter entgegenkommen, um vollständig auszuschließen, dass jemand nur aus formalen Gründen zum Arzt gehen muss."
Ganz so locker wird es in den meisten Großkonzernen nicht gehandhabt. Offiziell gelten dort nach wie vor die gesetzlichen oder betrieblichen Regelungen, wonach eine Krankschreibung meist spätestens am vierten Tag vorzulegen ist. "Bisher verzichtet unsere Bank noch nicht generell auf die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei Krankheit; wobei eine solche Bescheinigung am vierten Krankheitstag vorzulegen ist", sagt eine Sprecherin der Deutschen Bank. Die Lage werde jedoch ständig beobachtet und bewertet. "Je nach Entwicklung der Situation könnte es insoweit zu einer Anpassung des derzeitigen Vorgehens kommen."
Auch bei Adidas pocht man aktuell noch auf die gesetzlichen Regelungen. "Sofern erforderlich, werden wir diese aber wie in den vergangenen Wochen bereits den gegebenen Umständen anpassen, so dass der Schutz unserer Mitarbeiter gewährleistet bleibt und ein flexibles, den Lebensumständen entsprechendes Arbeiten möglich ist." In vielen Unternehmen reicht es zudem, die Krankschreibung elektronisch einzureichen. "Unsere Mitarbeiter müssen sich dafür nicht persönlich bei einem Arzt vorstellen, es reicht, wenn die Krankschreibung über digitale Arztbesuche erfolgen", erklärt ein Sprecher der Deutschen Bahn.