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Roland-Berger-Studie Vom Analphabeten bis zum "High Potential": So gut sind die Jobchancen für Flüchtlinge

Flüchtling aus Eritrea bei einer Bildungsmaßnahme der Handwerkskammer
Flüchtling aus Eritrea bei einer Bildungsmaßnahme der Handwerkskammer
© Jörg Carstensen / DPA
Eine Studie der Uno-Flüchtlingshilfe beschreibt, welche Schulbildung die nach Deutschland Geflüchteten mitbringen - und welche Jobchancen sie haben. Für viele ist die Perspektive überraschend gut, für eine Gruppe wird es schwer.

Wer generell Angst vor Ausländern hat, Flüchtlinge für kriminell hält und den Untergang des christlichen Abendlandes befürchtet, dem wird auch diese Studie nicht weiterhelfen. Doch für alle, die sich vor allem fragen, ob die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt gelingen kann und ob sie das Land wirtschaftlich voranbringen, liefert die Studie spannende Erkenntnisse.

Die Unternehmensberatung Roland Berger hat im Auftrag der Uno-Flüchtlingshilfe untersucht, wie fit die in den vergangenen Jahren nach Deutschland Geflüchteten für den hiesigen Arbeitsmarkt sind. Haben wir es hier überwiegend mit Analphabeten und anderen gering Qualifizierten zu tun? Oder bietet sich hier vielleicht sogar die Chance, den zunehmenden Fachkräftemangel in deutschen Unternehmen zu beheben? 

Für das Whitepaper "Voraussetzungen einer gelingenden Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen im deutschen Mittelstand" werteten die Autoren Bildungsniveau und sprachliche Fähigkeiten der Neuankömmlinge aus. Als Grundlage dienten Daten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sowie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Laut den Daten sind von den mehr als 1,4 Millionen Flüchtlingen, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, rund 70 Prozent im erwerbsfähigen Alter. Von dieser Gruppe wiederum brächten etwa zwei Drittel - rund 645.000 Menschen - gute Voraussetzungen mit, um mittelfristig einen Job zu finden, heißt es in der Studie. "Im Gegensatz zu bestehenden Annahmen und Vorurteilen zeigt sich, dass ein achtbarer Anteil der Flüchtlinge durchaus gewinnbringend und vergleichsweise zügig in den Arbeitsmarkt integriert werden kann."

"High Potentials" mit Hochschulbildung

Die Studienautoren teilen die Flüchtlinge in drei verschiedene Gruppen ein. Knapp 16 Prozent der Flüchtlinge zeichnen sich durch ein so hohes Bildungsniveau aus, dass sie in die höchste Gruppe der "High Potentials" fallen. Sie haben in ihrem Heimatland eine Hochschule besucht und beherrschen bereits das lateinische Schriftsystem, sodass davon auszugehen ist, dass sie die deutsche Sprache schnell erlernen. Die meisten dieser "High Potentials" kommen laut Studie aus dem Iran, Syrien, der Türkei und dem Irak. Sie könnten dem Arbeitsmarkt nach absolviertem Integrationskurs bereits nach neun Monaten zur Verfügung stehen. Die durchschnittliche Schutzquote für diese Gruppe liegt bei rund 57 Prozent - wie viele dauerhaft hierbleiben dürfen, ist also unklar.

Mittlere bis hohe schulische Schulbildung

Die größte Gruppe - mit knapp 54 Prozent - bildet die der "Potentials". Als solche bezeichnet die Studie Flüchtlinge, die mindestens Gymnasium (20 Prozent) oder Mittelschule (34 Prozent) besucht haben. Sie können alle  mindestens in ihrer Muttersprache fließend lesen und schreiben und sind zu Teilen mit dem lateinischen Schriftsystem vertraut. Auch für diese Gruppe sehen die Autoren gute Chancen, sie "könnten ebenfalls in einem absehbaren Zeitraum in den Arbeitsmarkt eintreten, eine Ausbildung beginnen oder Weiterbildungsprogramme besuchen".

Geringe oder keine schulische Bildung

19 Prozent der Flüchtlinge haben in ihrer Heimat lediglich eine Grundschule besucht. Bei ihnen ist davon auszugehen, dass sie größere Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben. Allerdings sind viele Flüchtlinge in dieser Gruppe noch sehr jung, sodass sie ihre schulische Bildung in Deutschland fortsetzen könnten.

Am schwersten haben es die knapp 12 Prozent der Flüchtlinge, die keinerlei formelle Schulbildung genossen haben, entweder aufgrund der prekären Lage vor Ort oder weil die Schulausbildung durch die Flucht unterbrochen wurde. Sie sind größtenteils Analphabeten. Am häufigsten vertreten sind in dieser Gruppe Flüchtlinge aus Afghanistan, Irak und Somalia.

Berufliche Qualifikationen oft unklar

Bei der Kategorisierung nicht berücksichtigt wurden die beruflichen Qualifikationen der Flüchtlinge, weil die Datenlage hier unklarer ist. Insgesamt haben mehr als zwei Drittel der Flüchtlinge bereits Berufserfahrungen im Herkunftsland gesammelt, aber nur 30 Prozent einen Berufsabschluss. Tatsächlich im Berufsleben angekommen, sind bislang zu

Aufgrund des überwiegend jungen Alters und der vorhandenen Schulbildung kommt die Studie insgesamt dennoch zu einem positiven Fazit. "Entgegen geltender Klischees lässt sich somit festhalten, dass insgesamt rund 69 Prozent der Flüchtlinge gute Voraussetzungen für eine möglichst zügige Integration und Eingliederung in den Arbeitsmarkt mitbringen und als Chance und zusätzliches Arbeitskräftereservoir in die Überlegungen der Unternehmen mit einbezogen werden sollten." Als positiv bewerten die Autoren zudem die hohe Motivation der Flüchtlinge: Acht von zehn Flüchtlingen wollen arbeiten - wenn man sie denn lässt.

Allerdings ist auch klar, dass Erfolge auf dem Arbeitsmarkt Zeit brauchen. Laut Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus dem Mai hat von den 2015 nach Deutschland Geflüchteten bislang jeder Fünfte eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden. 

Roland-Berger-Studie: Vom Analphabeten bis zum "High Potential": So gut sind die Jobchancen für Flüchtlinge

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