Kürzlich sahen wir Pep Guardiola, Cheftrainer des frisch gebackenen englischen Meisters Manchester City mit dicker Zigarre ausgelassen wie selten zuvor: Bestens gelaunt schmetterte er gemeinsam mit MitarbeiterInnen der "Blues" eine der erfolgreichsten Party-Hymnen aller Zeiten: "Don´t look back in anger" – im Original meisterhaft intoniert von den Britpop-Giganten der Band "Oasis". Der spanische Meistertrainer hatte Großes erreicht, seine Freude war verständlich.
Das Netz hatte Spaß, der Clip vom singenden Pep wurde millionenfach geklickt. Der Song der musikalisch begnadeten Gallagher-Brüder war übrigens der eingängige Soundtrack der TV-Zusammenfassungen des Tages bei der EM 1996 im ZDF. Nun schaut man auch in England gespannt auf das nahende Turnier, das eigentlich schon 2020 in vielen Ländern Europas stattfinden sollte und als großes integrierendes Fußballfest in ganz Europa geplant war. Maximalen Partyalarm mit zigtausend gemeinsam feiernden Fans wird es flächendeckend definitiv nicht geben und wer am Ende als Trainer mit Zigarre den Titel ausgelassen à la Guardiola feiern kann, ist völlig unklar.
Klar ist: Mit der diesjährigen EM endet die 15-jährige Amtszeit von Bundestrainer Joachim Löw. Egal wie es für unsere Jungs und das Trainerteam bei ihrer finalen Turnier-Mission am Ende ausgeht, unser Langzeit-Bundestrainer muss nicht im Zorn zurückblicken. Im Gegenteil, denn in seiner Amtszeit bescherte er uns jede Menge wunderbare Momente, die für immer bleiben. Als er 2006 Co-Trainer unter Jürgen Klinsmann war, feierten wir im ganzen Land ein wunderbares Sommermärchen: "Die Welt zu Gast bei Freunden", lautete der immer noch großartige Kampagnen-Claim. Die BundesbürgerInnen setzten ihn begeistert in die Tat um, zusammen mit Heerscharen von fröhlichen Fans aus aller Welt.
Ich war damals oft mittendrin und erinnere mich gerne an ausgelassene Feiern nach den Spielen, zum Beispiel in Berlin. Gemeinsam mit den Fans aus Ecuador sangen und tanzten wir bis in den frühen Morgen. Es war am Ende immer egal, wer gewann oder verlor, die gemeinsame Freude stand im Mittelpunkt. Ein herrliches Gefühl, das wir gerade jetzt in der großveranstaltungsfreien Pandemie besonders schmerzlich vermissen. Acht Jahre später bescherte uns Jogi, inzwischen vom Co- zum Cheftrainer avanciert, mit seinen Jungs in Brasilien den WM-Titel. Meine früheren Schulfreunde, mit denen ich in Rio de Janeiro einst in der Tropenhitze die Schulbank drückte, waren beim legendären 7:1 unserer Nationalmannschaft in Belo Horizonte gegen die Brasilianer im Stadion. Die Bilder, die sie mir später von fassungslosen einheimischen Fans schickten, sprachen Bände.
Erinnerungen an vergangene Titel
Markus Höhner, Fußball-Kommentator und mit seiner unverwechselbaren Stimme heute für MagentaTV und Sport1 im Einsatz, war damals live vor Ort. Er saß auch im "SiegerFlieger" der Lufthansa, mit dem die Weltmeistermannschaft, den goldenen WM-Pokal im Gepäck, zurück in die Heimat flog. Ich kenne ihn, seit unsere Jungs in Köln zusammen in der "Igelgruppe" im Kindergarten waren. Wenn er heute bei Steaks vom Grill von den Erinnerungen als Nationalmannschafts-Reporter in Südamerika berichtet, strahlen seine Augen und er hat jedes Detail auf der Festplatte des Herzens abgespeichert.
Star-Fotograf Paul Ripke hat die Magie dieses Turniers in dem faszinierenden Bildband "One Night in Rio" festgehalten und die herrliche Hymne von Andreas Bourani katapultiert mich sofort wieder in eine positive Fan-Stimmung: "Ein Hoch auf uns. Auf dieses Leben. Auf den Moment. Der immer bleibt." Ein Titel fehlt Erfolgstrainer Löw noch: Europameister. Es wäre zu schön, wenn er den zum Abschluss seiner Zeit als Bundestrainer auch noch gewinnen würde. Es wird nicht leicht, aber möglich ist in diesem besonderen Jahr alles.
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Beim letzten Titelgewinn 1996 saß ich noch gemeinsam mit meinem mittlerweile verstorbenen Vater vor dem Fernseher. Er liebte die großen Turniere, schwärmte zeitlebens vom Wunder von Bern und verehrte Fritz Walter. Mein Dad schenkte mir nach dem Turnier das EM-Buch von Marcel Reif, ich halte es immer noch in Ehren. Oliver Bierhoff, heute beim DFB für die besten Kicker des Landes als Manager verantwortlich, schoss Deutschland im EM-Finale 1996 in der Verlängerung gegen Tschechien zum Titel. Lange her, aber er wird heute noch darauf angesprochen.
In den Unterlagen meines Vaters habe ich auch eine Kicker-Ausgabe mit Bierhoffs EM-Bilanz entdeckt, die hatte er aufgehoben. Sehr amüsant, wenn man die Berichte unter der Überschrift "Titel, Tore, Träume" heute mit Abstand liest. Auf dem Platz standen echte Typen wie Sammer, Scholl oder Babbel, die heute als versierte Experten im Fernsehen auftreten. Die Ex-Spieler Andi Köpke und Stefan Kuntz sind mittlerweile selbst Trainer beim DFB und geben dort ihre Erfahrungen weiter.

Mein Junior freut sich jetzt schon auf die Vorrundenspiele, unsere Jungs bekommen es direkt mit Weltstars wie Cristiano Ronaldo bei den Portugiesen oder Kylian Mbappé bei den Franzosen zu tun. Mein Sohn ist aber zuversichtlich, dass unsere besten Kicker, bei denen nun auch Thomas Müller als Hoffnungsträger wieder das Nationaltrikot überstreift, es packen können. Schließlich hat er die Matches schon mal auf der Playstation durchgespielt und jeweils gewonnen. Es steht also gut, dass wir im Juli was zu singen haben...