Die umstrittene Arbeitsmarktreform Hartz IV hat nach Ansicht von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement bei vielen Arbeitssuchenden einen Mentalitätswechsel ausgelöst. Wie er im ARD-Morgenmagazin am Mittwoch sagte, bewerben sich immer mehr Menschen von sich aus um einen Job. Die Grünen wandten sich unterdessen gegen eine baldige Anhebung der Arbeitslosengeldes II in Ostdeutschland auf Westniveau.
Verschiedene Zeitungen hatten unter Berufung auf das Wirtschaftsministerium geschrieben, durch die Arbeitsmarktreform Hartz IV sei mit Mehrkosten in Höhe von 2,5 bis drei Milliarden Euro zu rechnen. Als "aus der Luft gegriffen" wies Clement diese Darstellungen zurück. "Das ist alles Spekulation. Das kann niemand im Moment sauber beantworten", sagte er. Die Entwicklung werde das ganze Jahr über dauern und noch viele Änderungen mit sich bringen. Clement sagte, schätzungsweise neun Prozent der Anträge auf Arbeitslosengeld II seien abgelehnt worden. Manche hätten erst gar keinen Antrag gestellt, weil sie keine Chance auf Bewilligung gesehen hätten. Andere hätten aus moralischen Gründen auf den Antrag verzichtet. Außerdem werde sich herausstellen, dass etliche Menschen, die jetzt in die Arbeitsvermittlung aufgenommen worden seien, dort nicht hinein gehörten.
Clement rechnet mit 15 bis 20 Prozent weniger Arbeitslosen
Allerdings sei die Arbeitsmarktreform nur ein Teil des wirtschaftlichen Prozesses. Zur Absenkung der Arbeitslosigkeit sei auch ein wirtschaftlicher Aufschwung nötig. Auf längere Sicht rechne er mit 15 bis 20 Prozent weniger Arbeitslosen, sagte der Wirtschaftsminister. Den leichten Rückgang bei der Schwarzarbeit führt Clement auf Mini- und Midijobs zurück. Wissenschaftler stellten seit Jahrzehnten erstmals einen "Trend nach unten" fest, sagte er am Mittwoch in der ARD. "Und das hat vor allen Dingen mit Mini- und Midijobs zu tun, die jetzt legalisiert werden." So würden viele nun ihre Haushaltshilfe anmelden. Im Bereich der Midijobs mit einem Verdienst zwischen 400 und 800 Euro im Monat gebe es bereits über 700.000 Stellen. Als nächstes rechnet Clement mit Bewegung im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit. Er erwarte auch hier in der nächsten Zeit einen nachweisbaren, erkennbaren Trend nach unten.
Der CDU-Politiker und Mitarbeiter im Hartz-IV-Ombudsrat, Kurt Biedenkopf, plädierte für eine Fortsetzung der Arbeitsmarktreformen. Es wäre ein Verhängnis, jetzt stehen zu bleiben, sagte er im Fernsehsender Phoenix. "Dann würde die erwartete Motivierung, auch durch die Kürzungen ein Stück erzwungene Bereitschaft, sich mehr um eigene Arbeit zu kümmern, ins Leere laufen."
Keine schnelle Angleichung des ALG II im Osten an das West-Niveau
Der Sprecher der Arbeitsgruppe Ost der Grünen-Bundestagsfraktion, Peter Hettlich, lehnte in der Chemnitzer "Freien Presse" unterdessen eine schnelle Angleichung des Arbeitslosengelds II im Osten an das Niveau im Westen ab. Die nach wie vor höheren Lebenshaltungskosten im Westen rechtfertigten, dass weniger an die ostdeutschen Langzeitarbeitslosen gezahlt werde. Eine schnelle Angleichung würde im Westen auf Unverständnis stoßen. Der für die neuen Länder zuständige Verkehrsminister Manfred Stolpe sprach sich in der gleichen Zeitung dafür aus, dass der Ost-West-Unterschied bei den Regelsätzen baldmöglichst überprüft werde. Es sei nicht erklärbar, dass das Existenzminimum im Osten geringer sein solle als im Westen, sagte der SPD-Politiker.
Der Sozialverband Deutschland wandte sich entschieden gegen eine Ausweitung der Ein-Euro-Jobs auf die Privatwirtschaft. Alle Parteien sollten sich von derart "unakzeptablen und billigsten Vorschlägen" dauerhaft distanzieren, forderte Verbandspräsident Adolf Bauer.