Computerhersteller Lenovo Die Firma hinter der Fackel

Von Adrian Geiges, Peking
Der Chef ist Chinese, wohnt aber in den USA. Sein Präsident ist Amerikaner und wohnt in Singapur - beide leiten Chinas größten Computerhersteller Lenovo, der als Olympia-Sponsor nun auf Augenhöhe mit Coca-Cola steht. Das bekannteste Produkt der Firma aber brennt statt zu rechnen.

Das Unternehmensgelände im Norden Pekings, ein Park mit modernen Bauten und Teichen, erinnert an die Zentralen von Microsoft oder Yahoo. Der Showroom erstaunt mit Special Effects: Die Tür öffnet sich automatisch, wenn man ein zum Flugzeug gefaltetes Papier in ein Loch wirft, man kann eine olympische Flamme entzünden und die olympische Fackel in die Hand nehmen - im gewissen Sinne das Original, denn sie wurde hier entworfen.

Das eigentlich Erstaunliche in diesem Showroom aber sind nicht modernes Design und digitale Tricks, sondern die bröckelige Fassade eines jahrzehntealten Pekinger Hauses, die hierher verfrachtet wurde. Sie stammt von einer Baracke, in der Chinas Akademie der Wissenschaften ab 1984 elf Ingenieure an Computern tüfteln ließ. Der Staat gewährte ihnen als Startkapital 25 000 Dollar, das sollte reichen. Sie wurden als Firma "Legend" registriert, in der Volksrepublik acht Jahre nach Mao eine Revolution, waren ansonsten aber eher eine Variante von Bill Gates Garage für Arme. Umso mehr freuten sie sich, als sie nach einigen Jahren den Verkauf und die Wartung von IBM-Computern in China übernehmen durften.

Die Firma kaufte für 1,25 Milliarden IBM

Die Zeiten haben sich geändert. Im Jahr 2005 kaufte Lenovo, wie die Firma mittlerweile heißt, für 1,25 Milliarden Dollar die PC-Sparte von IBM. Heute ist das Unternehmen der viertgrößte Hersteller von Personalcomputern weltweit. Ein Werbeslogan behauptet, diese Computer seien "made in the world", und im gewissen Sinne ist das wahr, zumindest wenn man Lenovo mit den vielen nach wie vor recht provinziell operierenden deutschen Konzernen vergleicht: Es gibt keine Unternehmenszentrale, sondern gleich mehrere Hauptsitze, in Peking und im US-Bundesstaat North Carolina, in Paris und in Singapur, mit Entwicklungszentren in Shanghai und in Yamato, Japan. Der Vorstandsvorsitzende ist Chinese, lebt aber in den USA, der Präsident Amerikaner und wohnt in Singapur, der Marketing-Chef wiederum residiert in den USA, ist jedoch indischer Herkunft. Er heißt Deepak Advani und arbeitet während Olympia natürlich in Peking, scherzt: "Unser Top-Management gleicht den Vereinten Nationen." Und als erster chinesischer Konzern ist Lenovo weltweit Sponsor der Olympischen Spiele, auf Augenhöhe mit Coca Cola, McDonalds oder Adidas.

Die Spiele in Peking werden mit mehr als 12.000 Lenovo-Computern gesteuert und auf ebenso vielen Lenovo-Großbildschirmen übertragen. 600 Ingenieure und Techniker des Unternehmens arbeiten in diesen Tagen Vollzeit für die Spiele. 15 Olympia-Teilnehmer werden von Lenovo gesponsort, darunter der gerade wegen Verletzung ausgeschiedene chinesische Leichtathletik-Superstar Liu Xiang und die deutschen Schwimmer Markus und Steffen Deibler. Viele andere olympische Sportler schreiben Blogs auf der Firmenhomepage.

Lenovo hat die Fackel für Olympia entworfen

Und was noch kein anderer Sponsor in der Geschichte von Olympia geschafft hat: Lenovo-Mitarbeiter haben die olympische Fackel für 2008 entworfen. Angeblich besteht zwischen dem Sponsoring und dem Zuschlag für die Fackel kein Zusammenhang. Die Lenovo-Designer mussten sich in einem Wettbewerb gegen 388 andere Modelle durchsetzen. Ob dabei geholfen hat, dass der chinesische Staat mit einem Anteil von 21,17 Prozent Hauptaktionär von Lenovo ist?

Wie dem auch sei, es schmälert nicht die kreative Leistung der Designer. Die bildhübsche Chil Loong, 29, gehört zu den Chefs des 30-köpfigen Teams. Sie gibt einen Einblick in den zehn Monate langen künstlerischen Prozess, in die schöpferischen Debatten, die manchmal spätnachts in Pekinger Bars weitergeführt wurden: "Wir gestalteten auch einen Phönix, der zum Vogelnest fliegt und dort wiedergeboren wird", erzählt sie lächelnd. "Doch dann kamen wir auf die jetzige Form, die an ein zusammengerolltes Blatt Papier erinnert - schließlich gehört das Papier zu den wichtigsten Erfindungen, die China zur Weltkultur beigetragen hat."

Auch darüber, welche Grafiken auf der Fackel zu sehen sein werden, dachten die Designer lange nach. "Zuerst kam uns natürlich der Drachen als Symbol Chinas. Doch dann verwarfen wir ihn, denn er war traditionell ein Zeichen des Kaisers - Olympia aber soll für alle da sein. Schließlich entschieden wir uns für Wolken, denn die gibt es überall auf der Welt."

Chil Loong arbeitet bei Lenovo

Chil Loong steht selbst für dieses Weltläufige. Sie ist Neuseeländerin, wurde aber in Chinas Guangdong-Provinz geboren. Ihre Eltern wanderten aus, als sie fünf Jahre alt war. 2005 kam sie dann nach China zurück, um für Lenovo zu arbeiten.

Was empfand sie, als sie von den Protesten gegen die Fackel in London, Paris und anderswo hörte? "Das machte mich traurig", sagt sie, "doch es überwog die Freude darüber, dass die von uns entworfene Fackel fast überall sonst auf der Welt mit Begeisterung aufgenommen wurde." Man nimmt es ihr ab, dass sie es ehrlich meint. Noch gibt es in China wenig politische Freiheit - doch die kreativen Möglichkeiten sind unbegrenzter als je zuvor.