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Gipfel in Berlin Keine Angst vor China

Premier Wen Jiabao ist mit einer Rekorddelegation in Deutschland - für Chinas Firmen ein Land voller Investitionschancen: Milliarden warten auf ihren Einsatz. Viele Bürger sehen dies mit Unbehagen.
Von Niels Kruse

Die Männer mit dem Geldkoffer sind da - und beglücken Europas Wirtschaft. Britischen Unternehmen haben sie am Sonntag ein Gastgeschenk in Höhe von umgerechnet 1,2 Milliarden Euro gemacht. Der angeschlagene schwedische Autobauer Saab wurde kurz zuvor mit einem spontanen Auftrag in Höhe von 13 Millionen Euro bedacht. Und nun sind die 14 Regierungsmitglieder aus China nebst einer 300-köpfigen Wirtschaftsdelegation in Berlin. Nach einem Abendessen in der einstigen Villa des Malers Max Liebermann am Wannsee in kleinem Kreis - nur Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) mit Chinas Premier Wen Jiabao und seinem Außenminister - stehen am Dienstag die ersten deutsch-chinesischen Regierungsberatungen an. Viele Firmenchefs dürften sich ebenfalls über den Besuch freuen - denn die Herren aus dem Reich der Mitte sind sicher nicht auf Europatour, um sich mit lästigen Menschenrechtsdiskussionen zu beschäftigen, sondern um Business zu machen.

Deutschland, die größte Volkswirtschaft Europas, ist der wichtigste Handelspartner Chinas und die Volksrepublik wiederum der wichtigste Markt für deutsche Unternehmen. In den vergangenen fünf Jahren haben sich die Investitionen chinesischer Firmen in Deutschland von 309 Millionen auf mehr als 700 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Der spektakulärste Deal ist die geplante Übernahme des Essener Elektronikherstellers Medion durch den Elektroriesen Lenovo Anfang Juni. Mehrere Hundert Millionen Euro waren ihnen ausgereifte Vetriebsstrukturen und zufriedene Endkunden Wert. Experten glauben, dass in diesem Jahr noch mehrere dieser Übernahmen bevorstehen.

54,4 Milliarden Euro in Ökotechnologien investiert

Vor allem auf die so genannten grünen Technologien hätten es die Manager aus dem fernen Osten abgesehen, sagt Peter Löscher, Siemens-Chef und Präsident des einflussreichen "Asien-Pazifik-Ausschusses". Die Machthaber in Peking haben jüngst den Umweltschutz als eines ihrer Hauptziele für die nächsten fünf Jahre ausgemacht. In dem Bereich und bei der dafür nötigen Technik "haben die Deutschen eine gute Ausgangsposition und der chinesische Markt bietet hier enorme Chancen", erklärte Löscher in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. China ist jetzt schon der weltweit größte Investor in Öko-Technologien, 54,4 Milliarden Dollar hat das Land vergangenes Jahr in die alternative Energieerzeugung weltweit gesteckt.

Schon seit Jahren investieren chinesische Firmen ihr Geld in deutsche Unternehmen. So sind zum Beispiel die Drogeriekette Rossmann, der Modekonzern Esprit, der Uhrenhersteller Junghans, der Nähmaschinenhersteller Dürkopp-Adler bereits akquiriert worden, zumindest anteilweise. Nicht immer war der Einstieg für beide Seiten zufriedenstellend. Der Flughafen Parchim etwa, östlich von Hamburg gelegen, sollte nach Willen der Eigentümerfirma LinkGlobal zu einem internationalen Frachtdrehkreuz ausgebaut werden. Das zumindest hatten die Chinesen schon vor Jahren der Region und dem Land Mecklenburg-Vorpommern angekündigt. Passiert ist seitdem nicht viel, Parchim siecht vor sich hin, die Regierung in Schwerin kann ihre Bürgschaft für den Airport-Ausbau wohl vergessen.

Die Chinesen kommen, um etwas aufzubauen

"Solche Dinge können immer mal passieren", sagt Andreas Bilfinger von Germany Trade and Invest stern.de. Die ehemalige Bundesagentur für Außenwirtschaft ist Ansprechpartner für investitionswillige Firmen aus dem Ausland. In der Regel aber würden chinesische Unternehmen nach Deutschland kommen, "um hier langfristig etwas auszubauen", so Bilfinger. "Vor allem die Bereiche Forschung und Entwicklung sind für sie interessant, denn entgegen der landläufigen Meinung lässt sich Knowhow nicht mal eben von einem Land ins nächste tranferieren."

Aus diesem Grund lässt nun auch der chinesische Betonmaschinenbauer Sany in Deutschland produzieren. Insgesamt mehr als 100 Millionen Euro will das Unternehmen in den Standort Bedburg bei Köln stecken - mehr als bisher je ein chinesisches Unternehmen in Europa investiert hat. 650 Arbeitsplätze sollen entstehen. Einzelne Teile werden in China hergestellt und im Bedburger Werk montiert. "Wir nutzen die Kostenvorteile in China und die hohe Qualität in Deutschland. Wir wollen die Vorteile beider Standorte kombinieren", sagte Firmengründer Wengen Liang bei der Eröffnung der Fabrik. 1870 Betonpumpen und Betonfahrmischer sollen zunächst pro Jahr im Hochlohnland Deutschland hergestellt werden. In einem Forschungs- und Entwicklungszentrum tüfteln die Ingenieure daran, welche und wie viele Maschinen in einer zweiten Phase folgen könnten.

Deutsche fürchten chinesische Expansion

Doch die chinesische Expanion bereitet vielen Deutschen Sorgen: 78 Prozent der Bürger fürchten sich davor, dass China in wachsendem Maße Unternehmen in Europa und Deutschland aufkaufe, heißt es in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Nur elf Prozent begrüßen diese Entwicklung. Unter ihnen ist auch Altkanzler Helmut Schmidt: "Die Expansion chinesischer Konzerne ist keine Gefahr, sondern eine große Chance für Deutschland und Europa", sagte er der "Bild"-Zeitung.

Diese zunehmende Verflechtung sieht Amnesty International (AI) allerdings skeptisch. Die Organisation fürchtet, dass Menschenrechtsfragen mit zunehmender Bindung an die chinesische Wirtschaft in den Hintergrund rücken: "Es ist zu befürchten, dass Kritik an den Menschenrechten in Zukunft noch leiser geübt wird", sagt AI-Chinaexperte Dirk Pleiter. "Geraten einzelne EU-Länder in Abhängigkeit von China, wird es schwerer, innerhalb der EU eine einheitliche Linie gegenüber der Volksrepublik zu formulieren, Probleme klar anzusprechen und auch Konflikte auszutragen."

22 Milliarden Euro fließen nach China

Bis aber die bilaterale Zusammenarbeit das von AI befürchtete Stadium erreicht hat, wird noch einige Zeit vergehen. Denn auch wenn China deutsche Firmen als lohnendes Investment und Sprungbrett für den hiesigen Markt entdeckt, sind es immer noch deutsche Unternehmen, die wesentlich mehr Geld in China investieren: Rund 4500 Firmen sind im fernen Osten aktiv, darunter Adidas, Bayer und Volkswagen. Der knappen Milliarde, die aus dem Reich der Mitte nach Deutschland kommt, steht die 30-fache Menge an deutschen Geldern gegenüber, die in die umgekehrte Richtung strömen: Zuletzt waren es rund 22 Milliarden Euro.

Und die Vorreiter der deutschen Expansion ins Reich der Mitte, Volkswagen und Daimler, wollen noch mehr Geld in das Land pumpen: VW will zusammen mit Partnern neue Fabriken und Elektroauto-Projekte anstoßen, Daimler plant, eine Motorenfabrik sowie ein Forschungszentrum zu errichten und BASF bereitet eine strategische Zusammenarbeit mit der Stadtregierung von Chongqing vor. Alle Unternehmen hoffen nun auf den Zuschlag durch Peking.

mit Agenturen

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