Es heißt, neben vogelkundlichen Studien in freier Natur habe Robert Bruce Zoellick eine zweite große Leidenschaft: den Bürgerkrieg. Er kennt jede Schlacht, jede Truppenbewegung, jeden Ort des blutigsten aller amerikanischen Kriege. Selbst beim Dauerlauf um das gigantische Schlachtfeld von Gettyburg beantwortet dieser Mann noch detailkundig Fragen zu Militärtaktik.
Deutsche Vorfahren
Und stramm wie ein Offizier kommt er selbst daher, der Nachfahre deutscher Auswanderer aus Mecklenburg-Vorpommern, mit seinem kecken Schnurbart, unnahbar kühl mit seiner Besserwisser-Brille auf der Nasenspitze. Und den stets auf Falte gebügelten Hemden mit Monogramm und den stets perfekt passenden Manschettenknöpfen. Vorzugsweise ist er knochentrocken-selbstbewusst. Einer, der es sich leisten kann, keinen Widerspruch zu dulden. Er hat alle Optionen, das Für und Wider von Entscheidungen und ihre möglichen Konsequenzen längst durchgespielt.
Schließlich läuft der Mann einen Marathon in etwas mehr als zwei Stunden. Ein 13-Stunden-Arbeitstag gilt ihm als nahezu erholsam. Er verachtet Flachdenker. Die beißt er weg, erbarmungslos. Und er sieht dabei gar nicht aus wie einer, dem dieses Image zu schaffen macht.
Eigentlich ein Propagandist des Freihandels
Dieser Robert Bruce Zoellick, 53, soll nun die skandalgebeutelte Weltbank retten. Soll nach dem Peinlichst-Skandal um seinen Vorgänger Paul Wolfowitz und dessen überaus unkonventioneller Gehaltserhöhung für seine (Ex?) Freundin das ramponierte Image der Bank verbessern, der milliardenschweren Entwicklungs-Institution zu neuem Glanz verhelfen - und damit, ja, ein bisschen die Welt retten. Und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Zoellick, Propagandist des weltweiten Freihandels, nun einer gigantischen Verteilungsbürokratie für die Welt vorstehen wird.
Und dabei soll der überzeugte Republikaner, der Mann, der George W. Bush bereits unterstützte, als der noch nicht einmal Präsidentschaftskandidat war, das Kunststück vollbringen, unabhängig und objektiv zu sein. "Ich bringe eine dicke Dosis Demut" mit, sagte er vor einigen Wochen bei einer Kurzvisite in Berlin. "Er ist Alles, was Wolfowitz nicht ist", lobt die New York Times. "Hätte ihn Bush doch schon vor zwei Jahren ernannt."
Scheitern ausgeschlossen
Niemand traut Robert Zoellick zu, dass er scheitern könnte. Dabei kommt er eigentlich aus dem gleichen politischen Stall wie sein verhasster Vorgänger Paul Wolfowitz. Gehörte wie er zum engsten politischen Beraterkreis von George W. Bush. Mit einem gewaltigen Unterschied: einem pedantischen Pragmatiker wie Zoellick war gefühlsduselige Ideologie nie Selbstzweck. Er sah immer das, was machbar war. Das trug ihm die Bezeichnung "Realist" ein. Doch auch er will - ganz idealistisch - Amerikas globale Größe verewigen.
Ebenso ehrgeizig wie intelligent studierte er an der Harvard Law School, absolvierte mit Best-Examen, und kam in Washington schnell unter die Fittiche des mächtigen James Baker III., der grauen Eminenz republikanischer Präsidenten. Zoellick arbeitete zunächst im Finanzministerium, spezialisierte sich auf Handelspolitik, wie etwa die Schuldenkrise in Lateinamerika. Er war ein Mann, der in die erste Reihe gehörte, aber gerne in der zweiten blieb. Und er war so präzise, so effizient und so gut vernetzt, dass ihn James Baker 1989 mitnahm, als er unter George Bush Außenminister wurde.
Ehrung aus Deutschland
Zoellick wurde - mehr noch als Condoleezza Rice - US-Frontmann im turbulenten Prozess der deutschen Wiedervereinigung, er formulierte und exekutierte die amerikanische Strategie in den Verhandlungen mit der damaligen Sowjetunion. War so erfolgreich, dass ihn die Deutschen mit dem Verdienstkreuz ehrten. Deutschland und Japan, das scheinen ihm bis heute Paradebeispiele für eine gelungene "Freiheitsagenda" - Demokratisierung durch Entwicklung und nicht allein durch militärische Intervention.
Nach einer lukrativen Auszeit bei einer Investmentbank während der Clinton-Präsidentschaft tauchte er Ende der 90er Jahre wieder auf: als einer der 18 (neo)konservativen Unterzeichner des Briefes, der Clinton aufforderte, den Irak anzugreifen. Ab 1999 gehörte Zoellick zum außenpolitischen Beraterteam des Präsidentschaftskandidaten George W. Bush. Condoleezza Rice und Paul Wolfowitz hatten die elitäre Gruppe zusammengestellt: zunächst acht Experten, darunter der neokonservative Hohepriester Richard Perle sowie der heutige Sicherheitsberater Stephen Hadley. Sie nannten sich prophetisch die " Vulkanier" - nach dem römischen Gott des Feuers. Es war Robert Zoellick, der seinem einstigen Chef James Baker half, im November 2000 die Wahlen für George W. Bush in einer bislang beispiellosen juristischen Schlammschlacht in Florida zu gewinnen.
Half Bush in den Sattel
Und es war Robert Zoellick, der im Jahr 2000 in einem Aufsatz der Zeitschrift "Foreign Affairs" die Freiheitsagenda der Bush-Administration formulierte: die gewaltige ökonomische Zugkraft der USA allein reiche nicht aus, den Frieden in der Welt zu sichern. Daher müssen die USA unbestrittene militärische Macht haben. "Eine moderne republikanische Außenpolitik erkennt an, dass es immer noch das Böse in der Welt gibt", schrieb er. Bis heute rechtfertigt er den weltweiten Krieg gegen den Terror. Er bezeichnet ihn als "Kampf um die Seele des Islam."
Zoellick hatte nur einen gewaltigen Nachteil: er war keiner aus der Pentagon-Gang um Rumsfeld, Cheney und Wolfowitz. Er gehörte doch nicht ganz dazu. Zwar brilliant, aber zu pedantisch, er wollte Pläne und Zahlen, war auf Ergebnisse gepolt. "Er ist ein Streber", soll Bush einmal über ihn gelästert haben. Und während Wolfowitz als stellvertretender Verteidigungsminister im Namen seiner Herren die angebliche Befreiung des Irak schönredete, mühte sich Zoellick in der wichtigen, aber zweitrangigen Position des US-Handelsbeauftragten. Hetzte durch die Welt, propagierte weltweiten Freihandel und die Chancen der Globalisierung. Schmähte deren Gegner als "Globalisierungs-Nihilisten", zimmerte Freihandelszonen zum Wohle Amerikas, dann brokerte er die Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation WTO. Wollte wohl Finanzminister werden - doch den Job schnappte ihm der Investmentbanker Henry Paulson von Goldman Sachs vor der Nase weg.
Lukrativer Zwischenstopp bei Investmentbank
Schließlich begnügte er sich mit dem Job des stellvertretenden Außenministers unter Condoleezza Rice. Es heißt, zum Schluss sei er so frustriert über das Irak-Desaster sowie seinen mangelnden Einfluss auf die Politik seiner geschmeidigen Chefin gewesen, dass er den Job hinschmiss. Rice musste quälende Monate nach einem Nachfolger suchen, während Zoellick als Chefstratege der Investmentbank Goldman Sachs ordentlich Geld machte. Heute unterstützt er den republikanischen Präsidentschaftsbewerber John McCain, der fünf Jahre als Kriegsgefangener in vietnamesischen Foltergefängnissen verbrachte. McCain ist gegen einen raschen Truppenabzug aus dem Irak.
Als neuer Banker der Welt wird Zoellick nun rasch die 28 Milliarden Dollar ausstehender Länderzahlungen für Kreditvergaben eintreiben. Vor allem aber wird er eine neue Strategie für die gebeutelte Bank entwickeln müssen. Wie soll man mit Korruption umgehen? Ist Korruptionsbekämpfung DAS oder nur EIN Thema der Weltbank? Bislang gehen rund 70 Prozent der Gelder für Armutsbekämpfung an korrupte Regierungen. Und wie ernst ist das auch von ihm gegebene erneute hochheilige Versprechen, nun endlich den Ärmsten der Armen zu helfen, vor allem in Afrika? Bislang gehören die Schwellenländer Indien, China und Mexiko zu den größten Kreditempfängern.
"A little Fingerspritzengefühl"
Die erste Bewährungsprobe steht bevor, orakelt das konservative Wall Street Journal: was geschieht mit der mächtigen Abteilung "Institutionelle Integrität" INT - der Anti-Korruptionsabteilung - von der es heißt, sie sei Wolfowitz' Instrument gewesen? Werden die Aufsichtsrechte der Abteilung gekappt, wie es Wolfowitz-Gegner angeblich fordern? Hatte man dem doch vorgeworfen, seinen Kampf gegen Korruption allein an den Interessen der Bush-Regierung auszurichten.
Es heißt, Robert Zoellick könne gnadenlos arrogant sein, und ordentlich brüllen könne er auch. Doch er weiß, was er will. Und er weiß, wie er es bekommt. Er hat gelernt, wie wichtig Koalitionen zum Machterhalt sind. Er sagt, er habe "a little Fingerspitzengefühl". Das wird er brauchen.