Elon Musk hat es derzeit nicht leicht. Am Montag eröffnete die Europäische Kommission ein Verfahren gegen die von Musk gekaufte Online-Plattform X (ehemals Twitter) wegen der Verbreitung von Falschinformationen, Hass und Hetze. Sein Elektroautofirma Tesla muss wegen möglicher Risiken im Zusammenhang mit der Autopilot-Funktion eine neue Software auf zwei Millionen Autos in den USA aufspielen. Und als wäre das nicht genug, liegt der reichste Mann der Welt seit Wochen im Clinch mit Gewerkschaften in Nordeuropa.
Es fing ganz klein an: Am 27. Oktober legten rund 130 Beschäftigte in zehn Werkstätten und Servicestationen von Musks Elektroautomarke in Schweden die Arbeit nieder. Die Gewerkschaft IF Metall hatte zum Streik aufgerufen, um faire und sichere Arbeitsbedingungen sowie Tarifverträge mit angemessenen Löhnen, Renten und Versicherungen für ihre Mitglieder durchzusetzen. IF Metall verhandelt bereits seit einiger Zeit mit Tesla, bisher jedoch ohne Erfolg.
"Das Unternehmen hat sich geweigert, einen Tarifvertrag zu unterzeichnen und verstößt damit gegen Grundprinzipien des schwedischen Arbeitsmarktes", begründet die Arbeitnehmervertretung ihren Streik. Man sehe keine andere Lösung als einen Arbeitskampf. In Schweden sind rund 90 Prozent der Beschäftigten in Tarifverträgen beschäftigt. Musk lehnt eine gewerkschaftliche Organisation seiner weltweit rund 127.000 Beschäftigten ab.
Post, Elektriker, Hafenarbeiter: Sie alle boykottieren Tesla
Der kleine Tesla-Streik löste schnell eine Welle der Solidarität aus. Mehrere andere Gewerkschaften, Unternehmen und Arbeiter in Schweden legten ebenfalls die Arbeit nieder oder boykottierten Tesla.
So beschlossen etwa die Elektriker in Schweden, keine Arbeiten an Tesla-Ladestationen oder Tesla-Werkstätten durchzuführen. Maler und Lackierer verweigerten die Arbeit an Tesla-Autos. Zulieferer von Tesla stellten ihre Lieferungen ein und Reinigungskräfte weigerten sich, bei Tesla zu putzen. Sogar die schwedische Müllabfuhr kündigte an, den Müll bei Tesla nicht mehr abzuholen.
Arbeiter in vier Häfen des skandinavischen Landes schlossen sich Anfang November dem Streik ebenfalls an und blockierten das Be- und Entladen von Tesla-Fahrzeugen. "Es wird einen kompletten Stopp für Tesla-Autos in allen schwedischen Häfen geben", erklärte Tommy Wreeth, Chef der Transportgewerkschaft. Da Tesla keine Produktionsstätte in Schweden hat, müssen die Fahrzeuge über die Häfen importiert werden.
Auch die Post stellt sich gegen Musk: Briefe und Pakete über die Unternehmen PostNord und CityMail wurden nicht mehr an Tesla-Werkstätten im Land zugestellt oder dort abgeholt, erklärte die Gewerkschaft für Angestellte im Dienstleistungs- und Kommunikationssektor Ende November. Kennzeichen für neue Teslas wurden somit nicht zugestellt.
Elon Musk und Tesla schlagen gegen Streikende zurück
"Irre", nannte der Tesla-Chef den Arbeiteraufstand. Er äußerte in seinem eigenen Kurznachrichtendienst X Unverständnis darüber, dass aufgrund des Streiks der Postbeschäftigten die Lieferung von Nummernschildern für Neuwagen ausbleibe. Schwedischen Medienberichten zufolge sind die Auswirkungen des Poststreiks jedoch gering. Tesla lasse sich die Nummernschilder stattdessen per Kurier liefern.
Dennoch: Wer sich mit Elon Musk anlegt, wird herausgefordert. Der US-Autobauer hat Ende November zwei Klagen gegen den schwedischen Staat eingereicht. Sie richten sich gegen Postnord und die schwedische Verkehrsbehörde, die Tesla die Nummernschilder für Neuwagen per Post zuschickt.
Der Autobauer beantragte, die schwedische Behörde dazu zu verpflichten, dafür zu sorgen, dass die Nummernschilder an Tesla ausgeliefert werden. Außerdem forderte Tesla eine Strafe von einer Million Schwedischen Kronen, umgerechnet 87.000 Euro, sollte die Verkehrsbehörde dies nicht durchsetzen. In einer weiteren Klage forderte das Unternehmen ein Gericht auf, Postnord zur Herausgabe der Nummernschilder zu verpflichten. Postnord gehört dem schwedischen und dem dänischen Staat.
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Norwegen, Dänemark und Finnland solidarisieren sich mit Schweden
Ein Amtsgericht entschied in einem ersten Schritt, dass die Verkehrsbehörde zur Herausgabe der Kennzeichen verpflichtet ist, wenn Tesla diese selbst abholt. Ein erster Teilerfolg für Tesla und Musk.
Doch dabei sollte es nicht bleiben. Ein Berufungsgericht hob das Urteil auf. Damit dürfen die Nummernschilder vorerst nicht von Tesla abgeholt werden, eine endgültige Entscheidung steht noch aus, berichtete die Zeitung "Dagens Nyheter".
Pech hatte Tesla auch mit der Klage gegen Postnord. Die Richter entschieden am 7. Dezember, die Klage abzuweisen. Damit ist Postnord bis zu einem endgültigen Urteil nicht verpflichtet, die Nummernschilder herauszugeben. Tesla legte Berufung gegen diese Entscheidung ein, die jedoch am vergangenen Donnerstag zurückgewiesen wurde.
Der Anti-Tesla-Streik hat sich mittlerweile auch auf die Nachbarländer Dänemark, Finnland und Norwegen ausgeweitet. Für Musk dürften das schlechte Nachrichten sein, schließlich ist Nordeuropa ein wichtiger Markt. So war Norwegen im vergangenen Jahr der viertgrößte Markt für Neuwagenverkäufe, Schweden der fünftgrößte.

Dänischer Fonds verkauft wegen Tesla-Streit Aktien
Anfang Dezember kündigte die finnische Gewerkschaft AKT an, ab dem 20. Dezember keine Teslas mehr nach Schweden zu verschiffen.
In Dänemark kündigte die Gewerkschaft 3F am vergangenen Mittwoch ähnliche Aktionen an. Dänische Hafenarbeiter und Lkw-Fahrer stoppten daraufhin das Verladen von Tesla-Autos für den Transport nach Schweden.
"Wenn ihr hier sein wollt, seid ihr herzlich willkommen, aber ihr müsst euch an die Regeln halten", sagte Jan Villadsen von 3F Transport an Tesla und dessen Chef gerichtet. Auch in Dänemark ist die Tarifbindung mit 80 Prozent sehr hoch.
Der Gewerkschaftsboss erwartet, dass der Konflikt mit den nordischen Gewerkschaften andauern werde, bis eine Einigung mit Tesla erreicht sei. Er zeigte sich aber zuversichtlich: "Ich bin seit mehr als 25 Jahren in diesem Geschäft und habe noch nie einen Streik erlebt, der nicht mit einer Einigung endete. Alle Streiks enden mit einer Einigung."
Auch von anderer Seite wuchs der Druck: Der dänische Fonds PensionDanmark erklärte in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur Reuters, Aktien des Konzerns im Wert von rund 64 Millionen Euro verkauft zu haben, aufgrund der Haltung von Tesla. Auch der milliardenschwere norwegische Staatsfonds setzt sich für die Beschäftigten ein. "Wir erwarten, dass die Unternehmen, in die wir investieren, die grundlegenden Menschenrechte respektieren, einschließlich der Arbeitnehmerrechte", erklärte der Fondsmanager Norges Bank Investment Management (NBIM) am 8. Dezember der Nachrichtenagentur Reuters. Der 1,5 Billionen US-Dollar schwere Fonds ist der größte Aktieninvestor der Welt.
NBIM wollte sich jedoch nicht dazu äußern, ob die Haltung von Tesla Auswirkungen auf die Investitionsentscheidungen des Fonds haben wird.
Haben die Gewerkschaften gegen Tesla eine Chance?
Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich die Gewerkschaften mit ihren Aktionen letztendlich sein werden. IF-Chefin Marie Nilsson sagte bereits in den ersten Tagen des Streiks, dass dieser bisher nicht die erhoffte Wirkung gezeigt habe. So berichtete die Fachzeitung "Dagens Arbete", dass beispielsweise Tesla Streikmaßnahmen umgehe.
Auch in den USA und in Deutschland konnten sich die Gewerkschaften bisher nicht gegen die harte Haltung von Firmenchef Elon Musk durchsetzen.
In Deutschland haben die Gewerkschaften Druck auf Tesla ausgeübt, eine ähnliche Vereinbarung für die 11.000 Beschäftigten in Grünheide bei Berlin umzusetzen. Obwohl die Löhn erhöht wurden, kritisierte die deutsche IG Metall, dass sie immer noch rund 20 Prozent unter den Tarifverträgen liegen.
Sollte die schwedische IF Metall verlieren, wäre das eine herbe Niederlage. Zu sehr hochgeschaukelt wurde der Konflikt. Sollte die Gewerkschaft aber gewinnen, wäre das eine Botschaft mit Signalwirkung: Als David kann man den Goliath Tesla in die Knie zwingen.
Bent Greve, Professor und Arbeitsmarktforscher an der Universität Roskilde in Dänemark, schätzt in der Zeitung "Berlingske", dass der Streik noch eine Weile andauern wird. Er sieht zwei mögliche Szenarien: Entweder geben die Streikenden wegen des Lohnausfalls nach – oder Tesla tut es. Der Autobauer habe ein Interesse daran, solche Konflikte zu vermeiden, um nicht von anderen Autoherstellern auf dem schwedischen Markt überholt zu werden. "Es ist nicht schön, wenn ein Unternehmen, das einen großen Marktanteil anstrebt, negative Publicity bekommt", sagt Greve. Tesla werde seiner Ansicht nach aber abwarten, ob sich der Streik auf die Verkaufszahlen auswirkt.
In Schweden ist man jedenfalls entschlossen, weiterzumachen. IF-Chefin Nilsson erklärte Reuters, dass der Streik der Tesla-Mechaniker so lange dauern werde, wie es nötig sei. Inzwischen bewegen sich beide Parteien aber wieder aufeinander zu: Tesla und die Gewerkschaft haben wieder Gespräche aufgenommen, wie "Dagens Nyheter" berichtet.
Quellen: Nachrichtenagenturen AFP, DPA und Reuters, IF Metall, Göta Hovrätt, "Dagens Nyheter", "Aftonbladet", "Berlingske", "Dagens Arbete", "Dagens Industri", "Politiken", SVT, Yle, "Wirtschaftswoche", Statista