Es war der bislang größte Corona-Ausbruch in Deutschland: Vor wenigen Wochen wurden mehr als 1500 Mitarbeiter beim Fleischbetrieb Tönnies am Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück positiv auf das Coronavirus getestet. Vorübergehend waren deshalb zusätzliche Einschränkungen des öffentlichen Lebens für den Kreis Gütersloh und auch für den Nachbarkreis Warendorf verhängt worden. So mussten Schulen und Kitas wieder schließen, der betroffene Betrieb hat die Produktion vorerst eingestellt.
Doch erledigt ist der Fall damit längst nicht. Denn nun fordert Fleischbaron Clemens Tönnies Geld vom Land zurück. Weil seine Schlachthöfe bis mindestens 17. Juli geschlossen bleiben müssen, verlangt er nun eine Erstattung der Lohnkosten. Entsprechende Anträge der Firma Tönnies sowie einiger Subunternehmer sind beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe eingegangen.
Klöckner: "Ich habe dafür wenig Verständnis"
Schließen Gesundheitsämter Betriebe und ordnen eine Quarantäne an, sieht das Infektionsschutzgesetz vor, dass Lohnkosten erstattet werden können. In der Politik kommt die Forderung jedoch gar nicht gut an: "Ich habe dafür wenig Verständnis", sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner im Gespräch mit der "Bild am Sonntag". Durch den Fall sei eine ganze Region in Mitleidenschaft gezogen worden, und der Ärger der Bürger darüber werde "durch das jetzige Vorgehen sicherlich nicht kleiner werden."
Auch Karl-Josef Laumann, Gesundheitsminister in Nordrhein-Westfalen, richtet deutliche Worte an Tönnies: Der Unternehmer solle sich "sehr genau überlegen, was man den Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen eigentlich noch alles zumuten will", zitiert ihn die "Bild am Sonntag". Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bezeichnete die Forderung schlicht als "dreist".

Und Katja Mast, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, sagte am Freitag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: "Lohnkostenerstattung vom Land zu fordern ist ein Unding. Da reibt man sich die Augen, das versteht doch kein Mensch." Das Infektionsgeschehen und Tönnies' Geschäftsmodell würden unmittelbar zusammenhängen, "und jetzt soll die Allgemeinheit bezahlen?"
Welche Summen gefordert werden, ist derzeit nicht bekannt. Unklar ist auch, warum Tönnies zum jetzigen Zeitpunkt die Anträge eingereicht hat, wo der öffentliche Druck auf den Unternehmer gewaltig ist. Denn ein Antrag auf Entschädigung kann bis zu zwölf Monate nach der Quarantäne eingereicht werden.