Gesundheitsreform Wem tut es weh?

Weniger Beiträge, dafür höhere Steuern - so will die Große Koalition das Gesundheitssystem reformieren. Der stern hat berechnet, wer gewinnt und wer verliert.

Es war ein Überraschungs-Ei zu Ostern. Im Interview mit dem stern enthüllte CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder, wie die Große Koalition das Gesundheitssystem reformieren will. Künftig sollen Beiträge und Steuern in einen Gesundheitsfonds fließen, der dann für jeden Versicherten 150 bis 170 Euro an die Krankenkassen verteilt. Die durchschnittlichen Krankheitskosten der Kinder von je 80 Euro würden von allen Steuerzahlern getragen. Im Gegenzug zur Erhöhung von Steuern sollen die Beitragssätze sinken.

Kommt nun ein Gesundheits-Soli?

Der Aufschrei war gross: Schon wieder eine Steuererhöhung! Der stern hat nachgerechnet. Wer würde bei der geplanten Gesundheitsreform gewinnen, wer verlieren? Klares Ergebnis: Künftig ginge es bei der Finanzierung der Krankenversicherung deutlich gerechter zu.

Welche Abgabe erhöht oder neu eingeführt wird, ist noch nicht entschieden. So prüfen Union und SPD, den Einkommensteuertarif um drei Prozentpunkte zu erhöhen. Die wahrscheinlichere Variante ist ein Zuschlag von acht Prozent auf die Einkommensteuerschuld ("Gesundheits-Soli"). Der stern hat die Rechnung für die Soli-Variante gemacht.

Derzeit liegt der Beitragssatz der Krankenkassen im Durchschnitt bei 14,2 Prozent, davon zahlt der Arbeitgeber 6,65 Prozent, der Arbeitnehmer 7,55 Prozent. Wenn die Erhöhung der Steuern in eine Senkung der Beiträge fließen würde, könnte die Belastung für Unternehmen und Beschäftigte jeweils um 0,75 Prozent sinken.

Auf den ersten Blick sieht das so aus, als ob der Staat das Geld, das er in die rechte Tasche steckt, aus der linken wieder herauszieht. Im Durchschnitt stimmt das, aber im Einzelfall macht es einen gewaltigen Unterschied. Beiträge werden nur bis zur Bemessungsgrenze (3562,50 Euro im Monat) berechnet, Steuern dagegen auf das gesamte Einkommen. Die geplante Umfinanzierung würde deswegen zu einer gewaltigen Umverteilung führen - von oben nach unten.

Hauptverlierer wären Spitzenverdiener. Sie müssten künftig bis zu 3,4 Prozent ihres Einkommens abgeben. Auch gut verdienende Singles oder kinderlose Doppelverdiener würden zur Kasse gebeten. Gewinner wären Geringverdiener und gesetzlich versicherte Familien. Wie die Bilanz für privat versicherte Familien ausfällt, hängt von der Ausgestaltung der Reform ab.

Unionsfraktionschef Kauder hat vorgeschlagen, die neue Steuer gezielt für die Krankheitskosten der Kinder einzusetzen. Bekämen also künftig auch privat versicherte Familien aus dem Gesundheitsfonds einen Beitragszuschuss von 80 Euro pro Kind, zählten sie zu den großen Reformgewinnern. Ein Alleinverdiener mit zwei Kindern würde bis zu einem Monatsgehalt von 8000 Euro profitieren. Ähnlich sieht es für Beamte aus, deren Krankheitskosten zum Teil vom Arbeitgeber erstattet ("Beihilfe"), zum anderen Teil privat abgesichert werden.

Auch Rentner wären im Plus, selbst bei Zusatzeinkünften von 1000 Euro im Monat. Da die Älteren schon heute weniger als die Hälfte ihrer Krankheitskosten mit eigenen Beiträgen finanzieren, halten Experten das für problematisch. Der Chef der Wirtschaftsweisen Bert Rürup hat vorgeschlagen, die Beitragssätze für Rentner nicht zu senken. Eine so große Wählergruppe zu verprellen - davor schreckt die Koalition allerdings zurück.

Einführung erst später

Noch sind viele Details zwischen Union und SPD umstritten. In einem sind sich die Partner aber einig: Der Gesundheits-Soli soll keinesfalls zum 1. Januar 2007 kommen. Denn mit der Anhebung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte plant die Regierung für diesen Zeitpunkt bereits die größte Steuererhöhung der Nachkriegsgeschichte.

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