Bei Maserati weht ein frischer Wind. Zum einen schwingt der effizienzgetriebene Stellantis- Konzern jetzt das Zepter, zum anderen soll der Grecale, was im Deutschen so viel heißt wie „griechischer Wind“, für mehr Umsatz sorgen und den Levante als bestverkauftes Modell der italienischen Dreizackmarke ablösen. Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass das SUV gegen Konkurrenten wie den Porsche Macan antritt. Allerdings gehören die trüben Tage in Modena, wo die Autos zwar gut aussahen, aber technisch nicht zwingend topmodern waren, der Vergangenheit an. Die Aufbruchsstimmung begann mit dem Prestige-Sportler MC20 und soll jetzt mit dem neuen Crossover fortgesetzt werden.
Hoffnungsträger

Der Grecale teilt sich die Giorgio-Plattform mit dem Alfa Romeo Stelvio. Doch mit einem simplen Aufguss, bei dem bewährten Unterbau ein neuer Hut aufgesetzt wird, ist nicht getan. Dieser Schuss muss sitzen, wenn der italienischen Traditionsmarke der Befreiungsschlag gelingen soll. Das wissen auch die Manager in Modena und haben den Ingenieuren ins Lastenheft geschrieben, wenn nötig jede Schraube anzufassen. Die technischen Änderungen sind tiefgreifend. Das geht schon beim Radstand los, der gegenüber dem Stelvio um acht Zentimeter auf 2,90 Meter wächst. „Uns ist die Raumökonomie wichtig“, erklärt Ingenieur Raneiro Bertizzolo und ergänzt: „Die Passagiere sollen sich auf jedem Platz im Auto wohlfühlen.“ Diesen Punkt können die Techniker getrost abhaken. Auch im Fond finden großgewachsene Personen auf neugestalteten Sitzen bequem Platz.
Einen großen Sprung legt Maserati beim Infotainment hin, bei dem die Italiener endlich in der Gegenwart ankommen. Der Grecale ist das erste Dreizack-Modell mit einem Head-up-Display, das zudem kein Mäusekino ist und auch bei hellem Sonnenlicht gut erkennbare Anzeigen liefert. Damit verebbt die Modernisierungswelle noch lange nicht. Der Maserati eifert dem Range Rover nach: Zwei 12,3 Zoll-Monitore bilden das Herz des Infotainments. Der Bildschirm hinter dem Lenkrad stellt die virtuellen Instrumente dar und der zentrale Touchscreen ist die Kommandozentrale, die durch ein darunterliegendes 8,8-Zoll-Komfort-Display ergänzt wird, auf dem man zum Beispiel die Klimaanlage einstellt. Alles in allem funktioniert die italienische Form der Unterhaltungsindustrie nach einer gewissen Eingewöhnungszeit gut. Allerdings ist das Lenkrad mit Knöpfen überladen. Sobald man sich eine Weile mit deren Funktionen beschäftigt, findet man sich ebenfalls zurecht. Das Smartphone lädt man auf einer induktiven Ladefläche und bindet es per Apple CarPlay oder Android Auto in das Infotainment ein. Apropos: Over-the-Air-Updates beherrscht der Grecale ebenfalls. Bei den Assistenzsystemen bietet der Maserati Zeitgenössisches, wie einen Toter-Winkel-Warner, einen Spurhalte-Assistent oder eine 360-Grad-Kamera.
Aber ein Maserati soll nicht nur gut aussehen, sondern auch beim Fahren Freude bereiten. Hier sind die Ingenieure schlau genug, keinen Porsche-Macan-Klon auf die Räder zu stellen. Der Grecale ist eher ein GT, mit dem auf Wunsch auch flink unterwegs sein kann. „Der Grecale muss jeder Fahrsituation gewachsen sein und darf den Fahrer im Alltag vor keinerlei Probleme stellen“, macht Raneiro Bertizzolo klar. Um diese Aufgabe zu lösen, haben sich die Techniker beim Sportwagen MC20 bedient und das VDCM (Vehicle Dynamic Control Module) auf den Crossover abgestimmt. Im Gegensatz zum vorherigen CDCM (Chassis Domain Control Module) verarbeitet das neue Hirn Informationen der verschiedenen Sensoren und Assistenzsysteme in Echtzeit und sorgt so dafür, dass der Fahrer keine unangenehmen Überraschungen erlebt.
Wir waren im Grecale Modena (kostet 82.000 Euro) unterwegs, der mit einem Vierzylindermotor inklusive Mildhybridsystem bestückt ist und es so auf 243 kW / 330 PS bringt. Das sind 22 kW / 30 PS mehr als die Einstiegsversion GT für 71.500 Euro. Das Topmodell Trofeo hämmert mit 390 kW / 530 PS auf die Straße ein und ist nicht unter 111.000 Euro zu haben. In unserem Testwagen war ein Stahlfahrwerk mit adaptiven Dämpfern verbaut, auf Wunsch gibt es auch eine Luftfeder, die nicht nur mehr Komfort, sondern auch einen Offroad-Modus mit sich bringt. Wir wählen mit einem schmucken Manettino zwischen drei Fahrprogrammen: Comfort, GT sowie Sport. Wer beim Grecale Komfort haben will, bekommt ihn. Dennoch teilt das Fahrwerk auskunftsfreudig mit, was sich unter den Rädern abspielt. Allerdings wippt die Karosserie bei langen Bodenwellen leicht nach. Auf guten Straßen ist daher der Sport-Modus unsere erste Wahl. Das ändert sich auch nicht, wenn die Luftfederung am Werk ist.
Die Lenkung hat die jahrelange maseratitypische Nervosität weitgehend abgelegt und simuliert auch nicht mit großen Rückstellkräften eine falsch verstandene Sportlichkeit. Lediglich beim Rapport über den Straßenzustand und die Traktion der Reifen könnte die Steuerung auskunftsfreudiger sein. Das schmälert den Spaß mit Allradantrieb, der die Hinterachse samt Sperrdifferenzial favorisiert, nur wenig. Das Heck beteiligt sich an jeder Kurve, ohne den Piloten zu stressen. Dazu passt der elektrifizierte Antriebsstrang, der uns schon im Ghibli gefallen hat und auch mit dem Grecale trotz des Gewichts von 1,895 Kilogramm gut zurechtkommt. Allerdings gehört es wohl beim Dreizack zur Unternehmens-DNA, dass der Motor aus seiner Anwesenheit keinen Hehl macht, was aber nie zu aufdringlich wird. Nach 5,3 Sekunden ist Landstraßentempo erreicht und bei 240 km/h ist Schluss. Maserati gibt einen Durchschnittsverbrauch von 9,3 l/100 km/h an. Bei uns waren es 2,6 l/100 km/h mehr.