Deutschland fährt Diesel. Über 40 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge werden inzwischen von einem Selbstzünder befeuert. Ähnlich wie vorher bei den Otto-Motoren, gehen die Autohersteller nun auf die Jagd nach PS-Rekorden. VW hat mit dem gewaltigen V10 TDI die vorläufige Bestmarke gesetzt. Konzerntochter Audi zieht nach und drängt mit einem 275 PS starken V8 TDI in die Luxus-Klasse. Die Verpackung für den druckvollen Selbstzünder: ein A8.
Aus VW-Fehlern gelernt
Lange mussten Phaeton-Kunden auf ihren Super-Diesel warten. In den Planungen der Wolfsburger hatte zunächst ein kompakter Zwölfzylinder Vorrang. Prestige-Denken. Inzwischen gibt man auch bei Volkswagen zu, dass es ein Fehler war, den Phaeton viele Monate ohne adäquaten Diesel in den Showrooms stehen zu lassen. Dabei hätten die Luxusklasse-Neulinge nur bei den Premium-gestählten Audi-Kollegen nachfragen müssen. In Ingolstadt ist man sich der Tragweite eines Diesel-Triebwerks bewusst. Nur wenige Wochen nach der Markteinführung des neuen A8 bringen die bayerischen Autobauer eine Diesel-Limousine an den Start, die in Sachen Sportlichkeit die Konkurrenz einfach stehen lässt.
Eigenständigkeit
Audis Vierliter-TDI ist eine komplette Neuentwicklung. Im A8 hätte auch der V10 TDI aus dem VW-Regal Platz gehabt. Der ist jedoch schwerer und größer als das neue Audi-Triebwerk und würde das Leistungsgewicht des A8 verschlechtern. Ganz abgesehen davon will man sich bei der Marke mit den vier Ringen nicht alles von den "Wolfsburgern" vorschreiben lassen. Immerhin haben sie es sich verkniffen, das VW-Triebwerk in Sachen Leistung zu übertreffen. Ingenieurs-Stolz...
Optik: wie gehabt
Auf den ersten Blick lässt sich der A8 4.0 TDI nicht von seinen Benzin-Brüdern unterscheiden. Elegant gespannte Oberflächen, große Klarglas-Scheinwerfer, eine hohe Schulterlinie und das markante Heck gehören auch zum Diesel-A8. Neu sind lediglich die verchromten Auspuffendrohre, die die Reste der Verbrennung nicht gerade hinauspusten dürfen, sondern ihre Öffnungen züchtig zur Straße neigen.
Anfassen erwünscht
Durch die großen Türen ist der A8 problemlos zu entern. Im Innenraum wartet ein pedantisch aufgeräumtes Cockpit. Sämtliche Knöpfe und Schalter wirken modern, sind ergonomisch sinnvoll platziert und beinahe intuitiv zu bedienen. Der erstaunlich klein wirkende Armaturenträger findet seine Fortsetzung in einer mächtigen Mittelkonsole. Anfassen erwünscht! Neben unterfütterten Kunststoffen und Leder sind unzählige Aluminium-Oberflächen ein haptisches Erlebnis. Selbst der Dachhimmel ist mit kuschelweichem Alcantara ausgeschlagen (3.950 Euro Aufpreis). Gut untergebracht ist man auch auf den elektrisch verstellbaren Sitzen. Der Kampf um die richtige Sitzposition artet jedoch unter Umständen zum Fingerspiel aus. Das Seitenteil des Sitzes ist mit unzähligen Knöpfen und Schaltern geschmückt, deren Funktion nicht immer selbsterklärend ist.
Audi A8 4.0 TDI quattro
Motor | Achtzylinder Turbodiesel mit Common-Rail-Direkteinspritzung |
Hubraum | 3.936 ccm |
Leistung | 275 PS / 202 kW |
Länge/Breite/Höhe | 5.051/1.894/1.444 Millimeter |
Bremsen | Scheibenbremsen rundum, ESP, ABS, EBV serienmäßig |
0-100 km/h | 6,7 Sekunden |
Höchstgeschw. | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
Leergewicht | 1.940 Kilogramm |
Durchschnittsverbr. | 9,6 Liter (Werksangabe) |
Grundpreis | 76.900 Euro |
"MMI" schlägt "iDrive"
Neben der Konsole für die Sechsgang-Automatik nimmt das Bedienfeld des für den A8 entwickelten Bediensystems "MMI" (Multi Media Interface) den größten Platz auf der Mittelkonsole ein. Als Antwort auf BMWs "iDrive" zeichnet sich MMI durch eine logischere Benutzerführung aus. Wichtige Funktionen sind per Knopfdruck erreichbar. Nur wer Details der Klimaanlage, des Radios oder der Luftfederung ändern möchte, muss sich per Dreh-Drück-Steller in Untermenüs stürzen. Das macht weniger Mühe als bei der Konkurrenz von BMW, bringt dafür aber eine geringere "Knopf-Ersparnis".
Der in dieser Klasse unumgängliche Multifunktionsbildschirm versteckt sich im A8 hinter einer Edelholz-Blende zwischen zwei Lüftungsdüsen. Erst nach dem Einschalten der Zündung (optional tut's auch ein Knopfdruck) dreht sich der Bildschirm im 16:9-Format ins Blickfeld von Fahrer und Beifahrer.
Fingerabdruck erwünscht
Vor den Start haben die Audi-Konstrukteure die Sache mit dem Fingerabdruck gesetzt. Zumindest, wenn man 1.150 Euro für das so genannte "Advanced Key"-System investiert hat. In diesem Fall bleibt der Zündschlüssel in der Tasche, gestartet wird per Knopfdruck - nachdem sich der Fahrer per Fingerabdruck als rechtmäßiger Fahrzeuglenker identifiziert hat.
Dick verpackt
Finger drauf und drücken - schon nimmt der weltweit stärkste Diesel-V8 in einem Serienfahrzeug seine Arbeit auf. Von Genuss keine Spur. Kein Nageln, keine Vibrationen - nichts. Das 275 PS-Kraftwerk ist akustisch ebenso sorgfältig verpackt wie Audis V8-Motoren mit Benzin-Feuerung. Das ändert sich auch nicht, wenn etwas mehr Gas ins Spiel kommt. Von der Sechsstufen-Tiptronic unauffällig dirigiert, beschleunigt der TDI-A8 mit ungeheurem Nachdruck. Schon ab 1.800 Umdrehungen steht das maximale Drehmoment von 650 Newtonmetern zur Verfügung. Dafür sind vor allem die beiden Turbolader verantwortlich, die den Achtzylinder zwangsbeatmen.
Spurtqualitäten
Die beiden Lader sind harmonisch aufeinander abgestimmt. Rüpelhaftes Auftreten ist nicht die Sache des nur 51 Zentimeter langen Achtzylinder-Triebwerks. Harmonisch, aber ausgesprochen dynamisch. In 6,7 Sekunden knackt der A8 die 100er-Marke, bei 250 Stundenkilometern beendet die Elektronik die Beschleunigungs-Orgie. Ohne elektronische Beschränkung würde der Vierliter-A8 "weit über 260 km/h laufen", vermeldete ein Audi-Sprecher während der Präsentation nicht ohne Stolz. Das ist bei einem 1.940 Kilo schweren Fahrzeug keine Selbstverständlichkeit.
Common-Rail statt Pumpe-Düse
In der Praxis hinterlässt das Triebwerk auch jenseits der 200er-Marke einen überzeugenden Eindruck. In die Windgeräusche der Außenspiegel und das Summen der Reifen mischt sich ab knapp 4.000 Umdrehungen ein dezentes Brummen aus dem Motorraum, das an einen überdimensionalen Bienenschwarm erinnert. Entspannte Gespräche sind bei jeder Geschwindigkeit möglich. Hier zeichnet es sich aus, dass sich die Audi-Entwickler für eine Common-Rail-Einspritzung entschieden haben. Die von VW bevorzugte Pumpe-Düse-Technik zeichnet sich durch einen etwas besseren Wirkungsgrad aus, ist jedoch wesentlich schwerer und in Sachen Geräuschkulisse längst nicht so zurückhaltend.
Auf Luft gebettet
Um die nötige Bodenhaftung müssen sich A8-Kunden keine Sorgen machen. Der serienmäßige "quattro"-Antrieb verteilt die Antriebskraft sinnvoll auf die mindestens 17-Zoll großen Räder. Die serienmäßige Luftfederung sorgt stets für die passende Bodenfreiheit. Wer gerne selbst Hand anlegt, kann per MMI-Knubbel aus drei Federungs-Konfigurationen wählen.
Darf's ein bisschen Landstraße sein?
Trotz einer Länge von über fünf Meter und knapp zwei Tonnen Leergewicht sollte man im TDI-A8 keine Abzweigung auf winkelige Landstraßen verpassen. Allerdings erst, nachdem die Federung auf ein sportliches Niveau umgestellt wurde. Das bringt mehr Kontakt zur Fahrbahn und weniger Lastwechsel-Reaktionen, im Gegenzug aber auch einen ruppigeren Umgang mit Schlaglöchern und Querfugen. Der Komfort-Verlust ist zu verschmerzen. Die Kombination aus Allrad-Antrieb, bulligem Diesel-Drehmoment und sportlicher Abstimmung ermöglicht mit dem großen Audi Kurvengeschwindigkeiten, die weit über die Schmerzgrenze der Mitfahrer hinausgehen.
Knausern gehört zum Geschäft
Trotz des 90-Liter-Tanks ist der Abstecher zur Tankstelle ein angenehmer Ausflug. Unser Testwagen gab sich bei sportlich-forscher Fahrweise mit 10,1 Litern Diesel auf 100 Kilometern zufrieden, Wer's sanfter angehen lässt, darf sich über eine Neun vor dem Komma freuen. Damit steht der Audi neben BMW 7er und Mercedes S-Klasse nicht schlecht da. Konkurrent 7er bringt es, ebenfalls mit einem Achtzylinder-Motor, auf ähnliche Werte. Hier rechnet sich die Aluminium-Karosserie des Audi, die den Gewichtsnachteil des "quattro"-Antriebs wettmacht.
Fazit
Den Kampf um den stärksten Diesel hat Audi konzernintern verloren. Dafür haben die Ingolstädter den sportlichsten Selbstzünder im Programm. Der A8 4.0 TDi quattro steckt die Konkurrenz jedoch locker in den Sack. Allrad-Antrieb, Luftfederung und Aluminium-Karosserie sind in Sachen Sportlichkeit nicht zu schlagen. Vorsprung durch Technik, der mit hartem Euro bezahlt werden muss. 76.900 Euro sind auch in großen Geldbörsen ein dicker Brocken. Vor allem, da man mit einigem technischen Schnickschnack auch gerne über die 100.000-Euro-Marke stolpern kann.