"Um erfolgreich zu sein, wollen wir nicht einfach gläserne Fabriken bauen, wir wollen mit hervorragenden Autos zeigen: Wir beanspruchen mit unseren innovativen Produkten einen Platz ganz oben." Zum Glück kann man ein Auto nicht für Seitenhiebe eines Vorstandsvorsitzenden auf die Konkurrenz von Volkswagen verantwortlich machen. Sonst müsste man Opels neuen Signum, einen Zwitter aus Luxus-Gleiter und kompakten Mittelklasse-Abmessungen, an dieser Stelle kräftig abwatschen. Der mutige Mix hat jedoch besseres verdient.
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So funktioniert "FlexSpace"
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Markanter Auftritt
Verbuchen wir also Carl-Peter Forsters Auftritt als Nebensächlichkeit und wenden uns dem neuen Rüsselsheimer zu. Hohe Klarglas-Scheinwerfer, eine wuchtige Frontschürze und markant betonte Radläufe kennzeichnen den Signum als Abkömmling des aktuellen Vectra. Der trapezartig unterteilte, Lufteinlass des Frontspoilers rückt den jungen Rüsselsheimer optisch in die Nähe des dynamischen Vectra GST. Man mag an den kräftigen Linien Gefallen finden oder nicht - die Verkaufszahlen beweisen, dass sich die Kundschaft mit dem bulligen Auftritt anfreunden kann.
Sehenswertes Heck
Alles Vectra also? Mitnichten. Spätestens im Bereich der hinteren Türen wird's interessant. Die werden lang und länger und gehen dann in eine massive Hecksäule über. Das war's. Was bleibt ist eine steile Heckklappe, die dem Signum zusammen mit einer sehenswert geschwungenen Heckscheibe einen attraktiven Hintern verpasst. Ausreichend unkonventionell, um im Alltag aufzufallen, aber dezent genug, um nicht wie Renaults Avantime im avantgardistischen Nirvana zu landen.
13 plus
Um eine derart gestreckte Karosserieform zu erzielen, wurde die Vectra-Basis um 13 Zentimeter gestreckt. Formal an der automobilen Mittelklasse orientiert, entfiel der Stufenheck-Kofferraum. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Opel nennt das Ergebnis der Bastelarbeiten stolz "Signum Class", Signum Klasse. Ganz ohne verklärte Marketing-Brille ist der Wagen eine Mischung aus Limousine, Kombi und Coupé. Crossover also, und damit voll im Trend.
Platz satt
Was mit 13 zusätzlichen Zentimetern Radstand anfangen? "In den Innenraum investieren", lautet Opels einfache Antwort. Genauer gesagt in den Komfort der Font-Passagiere. Danke dafür, werden all jene sagen, die schon einmal längere Strecken auf der Rückbank eines Mittelklasse-Fahrzeuges hinter sich bringen mussten. Mit solchen Strecken werden Signum-Kunden zukünftig keine Probleme haben. Bereits der Einstieg verläuft dank riesiger Türen (Vorsicht in engen Parklücken) praktisch verbiegungsfrei. Auf den üppigen Einzelsitzen angekommen, steigt die Stimmung weiter. Weit und breit ist von beklemmender Enge und Platzmangel nichts zu spüren. Die Beine lümmeln, bequem ausgestreckt, im langen Fußraum, der Abstand zum Sitznachbarn erscheint endlos weit. Wer's noch bequemer haben möchte, kann die Sitzlehne mit einem Handgriff bis zu 30 Grad nach hinten neigen. Einen weiteren Handgriff später fährt der Sitz 13 Zentimeter Richtung Kofferraum. So sollten selbst Basketball-Spielern ansprechend unterzubringen sein. "FlexSpace" heißt das variable Sitzsystem in Anlehnung an das Gestühl von Meriva und Zafira. Dafür volle Punktzahl!
Flexible Sitze
Theoretisch haben auf den hinteren Signum-Plätzen sogar drei Mitfahrer Platz. In der Praxis ist es allerdings unwahrscheinlich, dass jemand ohne Not auf etwas sitzen möchte, das eigentlich als Armlehne gedacht ist. Dafür ist der Sitz-Rest äußerst flexibel. Ein Teil der Rückenlehne dient als Armauflage, die Sitzfläche lässt sich mit einem Handgriff drehen, so dass ein Ablagefach mit Dosenhalter zwischen den beiden äußeren Sitzen entsteht.
Motor | 3.2 V6 Ecotec | 3.0 V6 CDTI | |||
Bauart | Sechszylinder Benzinmotor | Sechszylinder Dieselmotor mit Common-Rail-Direkteinspritzung | |||
Hubraum | 3.175 ccm | 2.958 ccm | |||
Leistung | 155/ 211 kW/PS | 130/ 177 kW/PS | |||
0-100 km/h | 7,9 Sekunden | 9,4 Sekunden | |||
Höchstgeschwindigkeit | 237 km/h | 221 km/h | |||
Durchschnittsverbrauch | 10,1 Liter | 7,4 Liter | |||
Bremsen | Scheibenbremsen rundum, ABS, ESP Plus, Bremsassistent | Scheibenbremsen rundum, ABS, ESP Plus, Bremsassistent, Traktionskontrolle | Getriebe | Fünfgang-Schaltgetriebe | Sechsgang-Schaltgetriebe |
Länge/ Breite/ Höhe | 4.636/ 1.798/ 1.466 Millimeter | 4.636/ 1.798/ 1.466 Millimeter | |||
Gewicht | 1.610 Kilo | 1.670 Kilo | |||
Grundpreis | 27.700 Euro |
Mehr Euro bringen mehr Komfort
385 Euro später ist vom Notsitz nichts mehr zu sehen. Dann macht sich auf dem dritten Platz ein so genannter "Travel Assistant" breit. Der wuchtige Reisebegleiter bietet auf Wunsch so ziemlich alles, was ein chauffierter Mensch auf langen Fahrten brauchen könnte. Kühlschrank, einen Halter für einen portablen DVD-Player, Arbeitsutensilien, Dosenhalter, Klapptischchen und 12-Volt-Anschlüsse. Wer noch ein paar Euro drauflegt, bekommt "Twin Audio" dazu. Ein System, mit dem sich die Passagiere auf den Rücksitzen über Kopfhörer ihr eigenes Audio-Programm machen können. Nicht schön: die beiden Klapptische sind für den Einsatz als Laptop-Halter viel zu klein.
Stauraum-Unsinn?
Ausreichend Platz dagegen am Dachhimmel. Direkt über dem Mitteltunnel, der sich für einen Fronttriebler untypisch durchs gesamte Fahrzeug zieht, sind fünf mehr oder weniger große Klappfächer eingelassen. Eine nette Idee, im Alltag jedoch nicht wirklich überzeugend. Die Fächer sind von keinem Passagier bequem zu erreichen und bieten für größere Gegenstände (Geldbeutel, Brillenetuis) zu wenig Stauraum.
Vectra-Anleihen
Da die wenigsten Autofahrer einen Chauffeur dabei haben, muss sich auch der Signum einen Blick auf die vorderen Sitzplätze gefallen lassen. Der erste Eindruck: alles Vectra - also doch. Aus Kostengründen wurde das Interieur, mit einige Zierleisten aufgepeppt, praktisch unverändert in den Signum übernommen. Wuchtige Mittelkonsole, ein Armaturenbrett, das seinem Namen alle Ehre macht und hochwertige Materialen. Über das Design lässt sich streiten, über die Funktionalität nicht. Alles da, alles gut zu erreichen. Was stört, sind Kleinigkeiten. Der Blinker reagiert zwar auf kurzes Antippen des Blinkerhebels mit dreimaligem Aufleuchten - die Lichtsignale nach einem festeren Druck auf den unförmigen Fühler hinterm Lenkrad wieder abzustellen, erfordert etwas Übung. Hinzu kommen ungenau eingepasste Abdeckungen und die zu kleinen Knöpfe des integrierten Telefons (Aufpreis 820 Euro).
Super-Sitz
Um die angepeilte Kundschaft durch die Design-Nullrunde nicht zu verprellen, dürfen sich Signum-Käufer aus einer erweiterten Zubehörliste bedienen. Darauf steht neben verschiedenen Farbvariationen und Dekorleisten (leider alle aus Plastik) auch ein für viel Geld entwickelter Multikontursitz. 75 Millionen Euro hat Opel in das edle Gestühl gesteckt und dafür postwendend das Gütesiegel der "Aktion Gesunder Rücken e.V." (AGR) bekommen. Elektromotoren übernehmen das Einstellen von Sitzhöhe, Entfernung zum Lenkrad und höhenverstellbarer Lordosenstütze. Je nach Witterung lässt sich der gesamte Sitz heizen oder belüften. Das kennt man so nur aus der Luxusklasse. Unschön: Der Ventilator der Sitzklimatisierung nervt auf längeren Strecken mit lautem Brummen.
Zitat
"Wir sind überzeugt, dass wir mit dem Signum auch Kunden anderer Marken ansprechen, die bisher nicht an Opel gedacht haben". Opel Chef Carl-Peter Forster über die 40 Prozent Eroberungsrate, die man mit dem Signum anpeilt.
Der Signum soll vor allem die Autobahn als Revier erobern. Dafür werden insgesamt sieben Motoren zur Verfügung stehen. Auf unseren Testfahrten waren wir jeweils mit der Benzin, bzw. der Diesel-Spitzenmotorisierung unterwegs.
Kräftiger Benziner
211 PS aus 3,2 Litern Hubraum. Der V6-Benziner ist ein alter Bekannter. Bullig aus dem Drehzahlkeller, aber nur ungern in höhere Drehzahlregionen zu bewegen. Ein Triebwerk, mit dem man garantiert nichts falsch macht und das obendrein keinerlei Probleme hat, den 1.610 Kilo schweren Signum flott zu bewegen. Auf der Autobahn reichen die maximal 300 Newtonmeter Drehmoment für 237 Stundenkilometer - dann fließen aber auch mehr als die werksseitig angegebenen 10,1 Liter Super durch die Kraftstoffleitungen.
Klangstarker Diesel
Wesentlich sparsamer und mindestens genauso kräftig: der V6 CDTI - Opels erster Sechszylinder-Diesel mit Common-Rail-Einspritzung. Wer das Triebwerk bei der Arbeit erlebt fragt sich schon, warum man in Rüsselsheim erst jetzt ernsthaft ins Diesel-Geschäft einsteigt. Know-How ist zweifelsohne vorhanden. Der 177 PS starke Selbstzünder klingt mächtig kernig, hängt gut am Gas, frühzeitig stehen 370 Newtonmeter Kraft zur Verfügung. Das reicht locker für ausgedehnte Autobahn-Touren und kurze Landstraßen-Abstecher. Eine gute Figur macht dabei auch die ebenfalls taufrische Fünfgang-Automatik.
Gewichtsprobleme
Abseits der topfebenen Autopisten fühlt sich der Signum nicht ganz so wohl. Kraft gibt's im Überfluss und an einem ausgewogenen Fahrwerk mangelt es auch nicht. Es ist sein üppiges Gesamtgewicht, das den Signum kein rasantes Wedeln um enge Kurven erlaubt. Hinzu kommt die direkte Servolenkung, die in Verbindung mit sportlichen Breitreifen und üblem Fahrbahnbelag viele Fahrbahneinflüsse ans Volant weiterreicht.
Schönheitsfehler
Test bestanden, alles toll? Nicht ganz. Opels Idee vom chauffeurgelenkten Mittelklasse-Schlitten hat Schönheitsfehler. Fahrzeuge dieser Preis- und Größenkategorie sind Fahrerautos, das heißt, der Besitzer fährt selbst. Der hat auf den vorderen Sitzplätzen aber außer ein paar neuen Zierleisten im Vergleich zum Standard-Vectra keinerlei Vorteile. Nicht einmal das Design ist anders. Einem Opel-Neuling dürfte es sehr schwer fallen, Vectra und Signum anhand der Innenraumgestaltung auseinander zu halten.
Ein Schnäppchen?
Hinzu kommt die Kostenfrage. Mit einem Einstiegspreis von 23.000 Euro ist der Signum nicht teuer. Allerdings fehlen im in der Basis-Ausstattung bis auf das erweiterte Platzangebot beinahe alle Tugenden, die ihn für die angepeilten Entscheider in mittleren und großen Industriebetrieben interessant machen sollen. Um wirklich eine Alternative zu einem gut ausgestatteten Audi A6 Avant zu kaufen, kommt man um den Zweiliter-Turbomotor nicht herum - mindestens. Fürs innere Wohlbefinden ist die "Elegance"-Ausstattung Pflicht. Die gibt's in Verbindung mit dem stärkeren Motor aber erst ab 27.280 Euro. Wer's auf die Spitze treibt, kommt mit dem Signum "Cosmo" und V6 CDTI auf stolze 34.580 Euro.
Fazit:
Der Opel Signum ist eines der interessantesten Auto-Projekte der vergangenen Jahre. Vieles neu, vieles anders, aber nicht schlecht gemacht. Die Qualität stimmt, der Preis in den Grundzügen ebenfalls. Was fehlt, ist die klare Ausrichtung auf eine Zielgruppe. Opel will verstärkt ins Geschäft mit Firmenwagen zurück. Eine gute Idee. Allerdings suchen diese Leute praktische Autos für Selbstfahrer. Mit dem Business-Ambiente im Font fängt kaum jemand etwas an. Was zählt, ist hinterm Lenkrad und da ist der Signum leider nur ein Vectra.