Hyderabad ist eine gigantische Stadt im Herzen von Indien – irgendetwas zwischen viereinhalb und sieben Millionen Einwohnern – so genau weiß das hier niemand. Auf dem Weg vom neuen Flughafen in die nicht enden wollendende Innenstadt, wo das erste Formel-E-Rennen auf dem indischen Kontinent stattfand, ein Bild, das man von Indien kennt: ein geordnetes Verkehrschaos der besonderen Art. Jeder hupt im Sekundentakt, Fahrspuren interessieren nicht einmal am Rande und dann sind zwischen den Kleinwagen da noch diese tausenden von Roller und Tuk-Tuks. In der Ferne qualmt es aus Müllhaufen und die Einfallstraßen ins pulsierende Herz von Hyderabad sind dreckiger denn je. Skurril, dass in einer solchen Stadt der Rennzirkus der Saubermannliga Formel E Halt macht. Doch Indien hat viel vor – bis 2030 soll ein Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge elektrisch angetrieben sein und keiner weiß so recht, wie das in den nächsten Jahren passieren soll. Die internationalen Autokonzerne haben den indischen Subkontinent seit Jahren fest im Blick und erwarten ein Boom – der bisher jedoch eher ausgeblieben ist. Doch Toyota, Volkswagen oder Stellantis – sie alle wollen die Elektromobilität je schneller je lieber in den Milliardenstaat bringen.
Eine andere Welt

Während sich die Formel E speziell in Europa auch in ihrer mittlerweile neunten Saison unverändert schwer tut und eine Reihe von Autoherstellern trotz aller Elektrotrends aus der Rennserie mittlerweile ausgestiegen sind, sieht die Situation in Indien und speziell in Hyderabad ganz anders aus. Hier konnte man es gar nicht abwarten, dass die weltweite Elektroserie Station in der viergrößten Stadt des Landes macht. 25.000 Zuschauer sind bei der Erstveranstaltung allemal ein Erfolg. Zudem ist mit Maruti eines der bekannten Rennteams der mit Abstand größte Autobauer im Land. Maruti-Suzuki hat je nach Regionen einen Verkaufsanteil von 30 bis fast 50 Prozent – da kommt eine Elektrorennen mit einem starken Heimspieler gerade recht, wenn es um die Mobilität von morgen geht. Und Maruti ist nicht der einzige Starter im Feld, der in Indien seine Wurzeln hat, denn seit vielen Jahren gehört Jaguar zum indischen Tata-Konzern. Und auch der kommt aus Indien. Dass viele Inder das Formel-ERennen in eine neue Zukunft des Motorsports herbeibeten, mag da kaum überraschen.
Die Unterschiede zwischen Elektrorennen und Umgebung könnten dabei kaum größer nicht sein. Der Straßenkurs am Ufer des Hussein Sagar Sees mit all seinen Werbebannern, Absperrungen und Fanzelten steht im krassen Gegensatz zu angrenzenden Stadtteilen wie Kairatabad, Domalguda oder Nampally, in denen es oftmals ärmlich zugeht. Die Einwohner verdienen oftmals nur ein paar Rupien am Tag. Gleich daneben der schillernde Rennzirkus, der für eine knappe Woche seine Zelte mitten in Indien aufgeschlagen hat. Wie bei den anderen Formel-E-Rennen auch ist das Publikum direkt am Renngeschehen dabei – dann beinahe den Fahrwind der vorbeisurrenden Elektroboliden spüren und die Fahrer problemlos noch für ein Selfie erwischen – da zeigt die Formel E dem großen Bruder Formel 1 wie hautnah auch Motorsport auf Topniveau ist.
Die Rennwagen der Generation drei sind nicht nur optisch, sondern auch technologisch ein großer Schritt in die elektrische Zukunft. Gab es bei den Rennwagen der Vorsaison als Standardleistung 220 kW / 299 PS und standen im sogenannten Attack- Mode 250 kW / 340 PS zur Verfügung, so leisten die neuen Antriebe maximal 350 kW / 476 PS. Im Rennmodus sind es immer noch 300 kW / 408 PS. Damit sind Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 320 km/h drin und so kommt die Formel E erstmals in Temporegionen der Formel 1, wo die Fahrzeuge je nach Rennstrecke bis zu 350 km/h schnell sind. Die Modelle der neuen Generation haben erstmals Generatoren an der Vorder- und Hinterachse, was sich insbesondere in einer besseren Rekuperation bemerkbar machen soll. Eine echte Reibungsbremse gibt es aktuell jedoch noch nicht. Die Fahrzeuge sind insbesondere durch einen kleineren Akku nennenswert leichter und somit agiler geworden. Waren die Rennwagen der Generation II noch mit einem 52-kWh-Akkupaket unterwegs, so sind es nun nur noch schmale 38,5 kWh an Kapazität. Heißt, es liegt mehr denn je an den Piloten, mit dem intelligenten Nutzen von Akkupower und einem hohen Rückgewinn von Bremsenergie ebenso schnell wie erfolgreich ins Ziel zu kommen. An der Vorderachse kann mit 350 und an der Hinterachse mit 250 Kilowatt rekuperiert werden.
Den Fahrern machten bei den Trainingssessions und dem Rennen insbesondere die anspruchsvolle Strecke mit ihren engen Kehren, viel Staub und den heißen Temperaturen zu schaffen. 35 Grad im Schatten wirken im Rennanzug und bei den starken körperlichen Belastungen im Cockpit der noch jungen Rennwagen der mittlerweile dritten Generation wie 15 Grad Celsius mehr und so wird selbst das 45-Minuten-Rennen zum Hochleistungssport. Einmal mehr zeigte der Event in Hyderabad, wie spannend die Rennserie selbst ist – gerade durch die neuen Elektrorenner. Jean-Eric Vergne vom Team Penske DS konnte die Angriffe von Nick Cassidy (Envision) und Porsche-Pilot Felix da Costa bis ins Ziel abwehren und sich so über den Sieg beim ersten indischen Grand-Prix freuen. Für den Pascal Wehrlein reichte es nach einem schweren Trainingsunfall im Rennen und Startplatz zwölf noch für Platz vier. Da Jake Dennis in Hyderabad nach einem Rennunfall leer ausging, konnte der Porsche-Pilot Wehrlein seinen Vorsprung in der Formel-E-Gesamtwertung auf 18 Punkte ausbauen. In zwei Wochen zieht der Formel-E-Rennzirkus weiter nach Kapstadt.