Amerikaner, schrieb Alexis de Tocqueville 1831, seien "É ein Nomadenvolk, das sich weder durch Flüsse noch durch Seen aufhalten lässt, vor dem Wälder niedersinken und die Prärien sich mit schattigem Laub bedecken ..." Es ist acht Uhr morgens an einem Montag, über hundert wuchtige Geländewagen sind aufgereiht vor dem Aarchway Inn in Moab, Utah. Dahinter leuchten gigantische Felsmassive glutrot in der aufgehenden Sonne. Dorthin zieht es die Nachkommen des Nomadenvolks heute, hinein in die erhabene, steinerne Monstranz der Canyonlands. Die Natur muss immer noch erobert werden, wenngleich nicht mehr wie zu Tocquevilles Zeiten hoch auf dem Planwagen. "Hey, ein bisschen Abenteuer sollte in jedermanns Leben vorkommen", sagt Kate Apgar, erklimmt ihr Gefährt über ein kniehohes Trittbrett und gurtet sich an hinter zwei Funkgeräten, Nachtsichtgerät und Global-Positioning-System (GPS). "Wofür habe ich schließlich mein Baby?"
Das Baby ist dreieinhalb Tonnen schwer, zweieinhalb Meter breit, fasst 160 Liter Diesel und wird angetrieben von einem 6,5-Liter-Motor mit 220 PS. Kate fährt einen Hummer H1, schwarz- lackiert, dekoriert mit kleinen Aufklebern, die Einschusslöcher vortäuschen. "Wenn wir abends zurück sind", sagt die kumpelhaft wirkende Blondine, "wird er dazu ein paar Schrammen haben." Ihr Lebensgefährte George auf dem Beifahrersitz sagt: "Wenn du Angst hast um dein Auto, dann bist du hier falsch." Sie nennen die Kratzer Kussspuren und die Dellen Schönheitsflecken.
Der Treck aus zwölf Vehikeln,
zu dem Kate und George gehören, setzt sich in Bewegung, mit sattem Brummen Richtung Cliffhanger-Trail, der, laut Ausschreibung, "bei Höhenangst nicht zu empfehlen ist". Jeder musste eine Erklärung unterschreiben, bei Unfällen, dauerhafter Behinderung oder Lähmung auf Schadensersatz zu verzichten. Und dass im Todesfall die Hinterbliebenen dies ebenfalls tun müssten. Kein Problem, sie hatten gut gefrühstückt und lächelten zuversichtlich.
Kate Apgar und George Olsen sind Mitglieder im Hummer Club, dem 1700 Besitzer von H1 angehören oder von H2, der etwas ziviler anmutenden Version. Sechsmal im Jahr kommt der harte Kern dieser Truppe in möglichst unwegsamem Gelände zusammen wie hier in Utah, den Rocky Mountains oder den Badlands in South Dakota, um die dicken Brummer über Fels und Geröll zu manövrieren, durch Schluchten und Flüsse zu rollen. "Es geht darum, rauszugehen und es krachen zu lassen", sagt Alex McCamey und lässt grinsend den Motor aufheulen. "Das ist unsere Vorstellung von Spaß." Sein Trumm ist wie die US-Flagge lackiert. McCamey: "Ich will Solidarität demonstrieren mit den Soldaten im Irak, der Hummer ist auch ein Symbol für Freiheit."
Der H1 stammt von dem Militärfahrzeug Humvee (High Mobility Multi-purpose Wheeled Vehicle) ab, das die Firma AM General für die US Army entwickelt hat. Arnold Schwarzenegger war so angetan, dass er den Hersteller überredete, eine Version für den Straßenverkehr zu versuchen. So entstand der Terminator unter den Geländewagen, ein martialisches Kultobjekt mit der Aerodynamik eines Betonblocks, 106 000 Dollar teuer und nicht ganz billig obendrein im Unterhalt bei 24 Liter pro 100 Kilometer. General Motors erwarb die Rechte am Namen und brachte 2002 den H2 auf den Markt, dessen Karosserie immer noch an den Humvee erinnert, technisch gesehen aber einem Chevy Silverado mit Vierradantrieb entspricht.
Der Cliffhanger-Trail
also. Gleich hinter der asphaltierten Straße geht es über Granitplatten, die sich übereinanderschichten wie eine gewaltige Treppe. Der erste dumpfe Knall, als Kates H1 hinunterschlittert und -poltert. Die Eisbox rutscht vom Hintersitz, Eiswürfel klackern, blankes Metall knirscht auf Fels. Danach die erste Steigung hinauf mit Felsbrocken so groß wie Kühlschränke. Kate lässt Luft aus den Reifen, wodurch sich die Gummiwalzen an die Steinform schmiegen und die Griffigkeit erhöht wird. Zentimeterweise bugsiert sie das Gerät über die Geröllhalde, jeder Tritt aufs Gaspedal fein dosiert, eine ungeschickte Bewegung mit dem Lenkrad und ... da rutscht das linke Vorderrad von einem Brocken ab. Dreieinhalb Tonnen, die ansatzlos wegsacken, ein krachender Schlag. Kate: "Sorry." George: "Schon okay." Nichts passiert. Kate leicht indigniert: "Ich habe mich bei meinem Auto entschuldigt."
Stundenlang geht's im Schneckentempo, immer wieder kommt's zum Stillstand. Dann wird philosophiert über die perfekte Route, Felsbrocken werden untergelegt, Seilwinden eingesetzt. George referiert über das TT4-System von Kates Wagen, das verhindert, dass das Rad mit Bodenhaftung durchdreht. Wenn sich einer festgefahren hat, setzen sie zu kollektiven Kraftanstrengungen an, heben, wuchten, schieben. Jedes überwundene Hindernis wird von Applaus und Gejohle begleitet. Manche demonstrieren auch übermütig, dass sie ihren Hummer so manövrieren können, dass er beinahe umkippt. Aber nur beinahe. Rechts eine Felswand, links gähnender Abgrund, die befahrbare Spur dazwischen kaum breiter als die Autos. Einmal bricht eine Lenkstange in schwierigem Terrain. George, der mal zwei Hummer-Werkstätten in Florida besaß, hat sie in 20 Minuten gewechselt. Als er wieder zu Kate ins Auto steigt, knurrt er: "Nicht jeder hat einen Hummer verdient."
Kate hat sich ihr Baby 1999
gekauft, es war der 17. Dezember, elf Uhr morgens. "Ich war sofort begeistert, obwohl ich gar nicht wusste, was ich damit alles anstellen kann." Das änderte sich bei einem Kurs der Hummer Driving Academy in South Bend, Indiana. Die befindet sich auf einem Versuchsgelände, auf dem die US Army auch ihre Soldaten in Humvees ausbildet. Dort lernte Kate vier Tage lang, wie sie mit ihrem H1 mehr als 60 Grad Steigung bewältigt, 40 Grad seitliches Gefälle schafft und ihn über 40 Zentimeter hohe Hindernisse bugsiert. Wer mit einem H1 kommt, bezahlt 5500 Dollar, der Kurs für den H2 dauert drei Tage und kostet 3500 Dollar. "Ich dachte", so Kate, "ich habe es mit reichen, blöden, arroganten Snobs zu tun, aber dann habe ich Freunde fürs Leben gefunden." Darunter George. Die Hummer-Käufer, sagt der Hersteller, sind im Schnitt 41 Jahre alt und verdienen 200 000 Dollar im Jahr; 73 Prozent sind Männer, die meisten haben Universitätsabschlüsse und sind selbstständige Unternehmer.
Nach Moab kamen Trucker, Mechaniker und Ärzte, aber auch ein Klavierstimmer, ein Hochzeitsfotograf und eine Hausfrau, die ihre beiden Kleinkinder mitgebracht hatte. Jeff Farmer, ein Hubschrauberpilot aus Las Vegas, sagt: "Dieses Auto braucht man nicht, dieses Auto kauft man sich, weil man es sich leisten kann." Jeff hat auch eine Harley, einen Porsche und zwei andere Geländewagen. Wozu? Der frühere US-Regierungssprecher Ari Fleischer sagte einmal, es sei Ausdruck des American Way of Life, dass das Land so viele fossile Brennstoffe verbrauche. Und dieser American Way of Life lässt sich kaum besser auf vier Rädern ausleben als in der faszinierenden Gegend um Moab.
"Ich liefere meinen Kunden hier an einem Tag Erlebnisse", sagt Dan Mick, "die ein Leben lang bleiben." Gewöhnlich fährt er Touristen in Jeeps durch die ruppige, verdörrte Landschaft, jetzt wurde er vom Hummer Club als Führer engagiert. Es heißt, der gesellige Dan könne sogar mit einem Honda Civic eine Felswand hochfahren. Er findet: "Letztlich entscheiden in einem Gelände wie diesem 70 Prozent Können, 20 Prozent Glück, der Rest hängt vom Auto ab." Die Umstehenden schauen ein bisschen missmutig, als er dies während einer Pause entlang des Cliffhanger-Trails sagt, denn so was ramponiert die Fahrerehre. Doch Dan geht noch weiter: "Der Hummer hat den Mythos, dass er alles kann, doch wir wissen, dass das nicht stimmt."
Tim Marasciullo regt sich darüber nicht auf. Was ihn wütend macht, ist etwas anderes. "Wir sind doch bloß die Zielscheibe für alle, die mit solchen Autos Probleme haben", sagt er. "Die Kritiker und Umweltschützer sollten mal bei uns mitmachen, dann würden sie lernen, einen Hummer zu genießen." Tim ist unterwegs im Onion Creek, einer schmalen Schlucht mit einem Bach. Dort muss der Hummer-Treck durch. Wie Hochhauswände wächst der rote Fels in den Himmel, später wieder Geröllhalden, steinige Aufstiege.
Man kann ihnen ansehen,
dass die Herausforderung auch Angst macht. Einem beleibten Herrn rinnt der Schweiß über das hochrote Gesicht. Sein Wagen schlittert bedrohlich nahe an den Abgrund. Die Umstehenden zucken zusammen. Tim schreit: "Stopp! Lass mich mal." Er beordert den Treck 100 Meter zurück, lässt den Hummer nach unten rollen, manövriert ihn über eine andere Route, die Böschung entlang. Geschafft, so einfach. Der beleibte Herr: "Heute abend gebe ich dir einen aus." Tim arbeitet als Klempner in Los Angeles und hat zumeist Promis als Kunden. Er sagt: "Wenn du dieses Fahrzeug einmal beherrschst, fühlst du dich unbesiegbar." Jetzt krächzt es aus Tims Funkgerät: "Gibt es hier wilde Tiere?" Tim: "Nein, nur Schlangen und Eidechsen." Rückfrage: "Nicht mal Spinnen oder Skorpione?" Tim: "Die Skorpione sind so klein wie Kakerlaken."
Die Tour Durch den Onion Creek
mit anschließendem Abstecher zu einer Hochebene namens Top of the World wird in einem Führer für Offroad-Enthusiasten als technisch einfach eingestuft; "Materialschäden nicht zu erwarten", heißt es in der Ausschreibung des Clubs. Zur Mittagspause wird an Campingtischen noch ausgiebig gescherzt. Doch schon kurz darauf platzt der Kühler in Bonnie Helms H1, an dessen Stoßstange ein Sticker klebt mit der Aufschrift: "Terrorist Hunting License." Während ihr Fahrzeug abgeschleppt wird, kocht die Bremsflüssigkeit, was die Laune der zierlichen Mutter von zwei Kindern nicht bessert. Schließlich war bei der Anreise nach Moab schon die Wasserpumpe kaputtgegangen.
Dann kommt über Funk die Nachricht, dass Tim kurz vor Top of the World ein Reifen geplatzt und bei einem anderen Hummer die Transmission im Eimer ist. Sicher, sie haben Ersatzreifen dabei, neben Spaten, Getriebeöl, Benzin, Farbe zum Lackieren von Kratzern, Abschleppseilen, Kühlschränken, Generatoren und diversen Ersatzteilen. Aber dass die Kraftübertragung krepiert, damit konnte niemand rechnen beim dominantesten Geländewagen des Planeten, der Seitenspiegel groß wie Elefantenohren hat.
Abends auf dem Parkplatz des Aarchway Inn fasst Tim den Tag der Pechvögel zusammen: "Das ist nur eine Verkettung unglücklicher Umstände, so was gab es bisher noch nie." Bonnie sagt, dass die Garantie ihres Hummer abgelaufen sei. Woraufhin George meint: "Da wird dich die Werkstatt ordentlich zur Kasse bitten." Kate verspricht, zum Trost in der nächsten Bar ein paar Margaritas zu spendieren. Die beiden Frauen haben sich in der Hummer Driving Academy kennen gelernt und sind seither dicke Freundinnen.
Kates Rücken ist verspannt seit dem Cliffhanger-Trail tags zuvor, weil sie sich ständig recken musste, um das Terrain vor der Windschutzscheibe gut erkennen zu können. Dabei hatte sie für die Rückfahrt George das Steuer überlassen, wohl auch, weil sie von seinen pausenlosen Maßregelungen genug hatte. Am liebsten, sagt Kate, würde sie am nächsten Tag shoppen gehen.
Sie sind dann doch wieder raus,
nicht nur am nächsten Tag, sondern auch noch am übernächsten. Die Hindernis-Touren heißen Hell's Revenge, Behind the Rocks und Golden Spike oder Golden Crack, Golden Stairs und Double Whammy. Kate: "Manchmal findest du dich in der Mitte von Nirgendwo wieder, und manchmal findest du in der Mitte von Nirgendwo dich selbst." Bonnie verbringt die Tage an Tims Seite.
Sie ist geschieden: "Mein Hummer ist mein bester Freund, ohne ihn hätte ich niemals die Trennung von meinem Mann durchgestanden." Auch Tim ist geschieden: "Als ich verlassen wurde, dachte ich, kauf dir einen Hummer, es wird Zeit, das Leben zu genießen, bevor es zu spät ist."