Wenn Toyota als der größte Autohersteller der Welt in einem Schwellenland wie Indien mehr als 500 Millionen US-Dollar investiert, sorgt das bei vielen Wettbewerbern für Aufregung. Schließlich tut sich Indien trotz anderslautender Prognosen seit drei Jahrzehnten schwerer denn je, auf die weltweiten Autoexpress aufzuspringen. Speziell nach dem China-Boom setzen Analysten und Hersteller große Hoffnungen in den Mobilitätsmarkt Indien, der jahrzehntelang fast ausschließlich von Fahrrädern, Motorädern und dem allgegenwärtigen Ambassador dominiert wurde. Indien gehört mit knapp drei Millionen Neufahrzeugen pro Jahr zu den fünf größten Automobilmärkten der Welt. Aktuellen Prognosen zufolge könnte der Markt bis 2030 auf bis zu fünf Millionen Fahrzeuge anwachsen. Bislang wird der Markt von Fahrzeugen mit Diesel- oder Benzinmotor dominiert. Auf dem Klimagipfel 2021 in Glasgow hat sich Indien jedoch dazu verpflichtet, ab 2035 nur noch emissionsfreie Neufahrzeuge zuzulassen. Die Elektrifizierung des Pkw-Segments dürfte in den kommenden Jahren daher deutlich an Dynamik gewinnen. Branchenexperten gehen davon aus, dass im Jahr 2030 bereits mehr als die Hälfte aller Neufahrzeuge reine E-Autos sein werden.
Jetzt unterzeichnete die Toyota Group India eine Absichtserklärung mit der Regierung des indischen Karnataka, 530 Millionen US-Dollar in Elektrofahrzeuge zu investieren. „Die Investition der Toyota-Gruppe wird das Ökosystem der Elektrofahrzeugherstellung in Indien stärken. Es ist offensichtlich, dass die indische EV-Industrie an Dynamik gewinnt und die meisten der bestehenden Autohersteller derzeit danach streben, im Rennen zu sein“, erläutert Bakar Sadik Agwan, Senior Automotive Consulting Analyst bei Global Data, „gegenwärtig ist der einheimische Automobilhersteller TATA Motors der Spitzenreiter auf dem indischen Markt für Elektrofahrzeuge, aber auch die japanischen Hersteller von Personenkraftwagen bereiten sich langsam auf die Einrichtung von Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, Produktionsanlagen, die Herstellung von Komponenten und die erforderliche Lieferkette vor, um mehr Elektrofahrzeuge im Segment der Personenkraftwagen auf den indischen Markt zu bringen.“
Volkswagen und Mahindra loten derzeit den Einsatz von MEB-Komponenten in der neuen „Born Electric Platform“ von Mahindra aus. Beide Seiten haben dazu kürzlich eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet haben, um den Umfang der Zusammenarbeit zu evaluieren. Mahindra will seine Born Electric Platform mit MEB-Komponenten wie Elektromotor, Batteriesystem-Komponenten und Batteriezellen ausstatten. Thomas Schmall, Volkswagen Konzernvorstand für Technik: „Mahindra ist ein Elektro-Pionier in Indien und ein starker Partner für unsere Elektroplattform MEB. Gemeinsam mit Mahindra wollen wir maßgeblich zur Elektrifizierung Indiens beitragen, einem riesigen Automobilmarkt mit enormem Wachstumspotenzial und großer Bedeutung für den Klimaschutz. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass der MEB sowohl technologisch als auch wirtschaftlich voll wettbewerbsfähig ist. Er entwickelt sich zunehmend zur führenden offenen Plattform für die E-Mobilität und erzielt signifikante Volumen- und Skaleneffekte. In der Welt der E-Mobilität ist das für jedes Unternehmen von zentraler Bedeutung und der Schlüssel zu wettbewerbsfähigen Lösungen für unsere Kunden.“
Bisher ist der Volkswagen Konzern in Indien bevorzugt mit kleinen Verbrennermodellen unterwegs. Geführt wird der indische Bereich innerhalb von Volkswagen bei Skoda. Jüngst wurde mit dem Slavia eine Stufenheck-Limousine des A0-Segments als zweites Skoda-Modelle nach dem Kushaq eingeführt. Wie der Kushaq nutzt auch der Slavia die von Skoda speziell für Indien angepasste Variante des modularen Querbaukastens aus dem Konzern. Entwickelt wurde der neue Skoda Slavia – wahlweise mit 115 und 150 PS starken Verbrennungsmotoren zu bekommen - im Technologiezentrum Pune.
Maruti Suzuki, Hersteller Nummer eins in Indien, stellte jüngst seine Planungen für die Elektromodelle der kommenden Jahre vor, wonach das erste rein elektrische Fahrzeug von Maruti Suzuki 2025 seinen Markteintritt feiern soll. Der lokale Gigant hat erklärt, dass das Ziel der Regierung, bis 2030 einen Anteil von 30 Prozent an Elektrofahrzeugen zu erreichen, schwierig werden könnte. Das Unternehmen geht davon aus, dass die Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen bis 2030 allenfalls zwischen acht und zehn Prozent liegen wird. Seit der 30-Prozent-Ankündigung der indischen Regierung im Jahre 2018 hat Indien seine Bemühungen zur Förderung des gesamten EV-Ökosystems zwar intensiviert, aber die Elektronachfrage und das Angebot blieben angesichts des vorherrschenden Billigmarktes überschaubar. Aktuell werden nur wenige reine Elektroautos angeboten.
Wettbewerber Honda hat vor einigen Monaten mit dem Honda City eine Hybridversion seines Topmodells auf den lokalen Markt gebracht. Die Investition von Toyota ist Teil der globalen Strategie, mit zum Jahre 2050 und damit deutlich später als manche Wettbewerber, CO2-neutral zu sein. Das Unternehmen will in Indien eine eigene Lieferkette für Elektrofahrzeuge aufbauen, um den Bedarf sowohl im Inland als auch für den Export zu decken. Bereits seit 2013 produziert der japanische Autobauer sein Mittelklassemodell Camry als Hybridversion in Indien. Auf das Liefernetzwerk des Camry will Toyota auch bei seinen Elektroplänen zurückgreifen.
„Toyota hat auch eine globale EV-Allianz mit Suzuki Motors und es wurde viel darüber spekuliert, dass die beiden ein erschwingliches EV-Modell für Indien mit einer gemeinsamen Plattform auf den Markt bringen werden“, so Bakar Sadik Agwan, „die Prognosedaten für Hybrid- und Elektrofahrzeuge von Global Data gehen davon aus, dass Toyota in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts ein Elektroauto auf den Markt bringen wird, das möglicherweise ein SUV des B-Segments und eine Elektro-Limousine umfassen wird. Außerdem wird bis 2030 eine EV-Version der von Maruti Suzuki übernommenen Modelle Glanza und Urban Cruiser erwartet.“ Toyota will in den nächsten zehn Jahren 70 Milliarden US-Dollar in die Einführung von 30 neuen Elektrofahrzeugen investieren. In Indien ist nur der Hersteller erfolgreich, der auch lokal fertigt, da die produktionsgebundenen Anreize der Regierung beträchtlich sind.
Auch Stellantis hat in Indien nach wie vor große Pläne. Seit 2015 wurde jedoch über alle Konzernmarken hinweg gerade einmal eine Milliarde Euro investiert. „Wir sind fest entschlossen, unsere Präsenz in Indien auszubauen und zu stärken und diesen strategischen Markt zu einer zentralen Säule unserer internationalen Ambitionen im Rahmen des Plans ‚Dare Forward 2030‘ zu machen“, sagt Stellantis-CEO Carlos Tavares. „Ich bin stolz auf unsere 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Indien, die jeden Tag daran arbeiten, Stellantis zu einem wichtigen Akteur in der Automobilindustrie zu machen, der saubere, sichere und erschwingliche Mobilitätslösungen für seine indischen Kundinnen und Kunden anbietet und zugleich den Weg zu einer nachhaltigen Zukunft für die kommenden Generationen ebnet.“ Stellantis betreibt in Indien drei Produktionsstätten (Ranjangaon, Hosur, Thiruvallur), einen ICT-Hub (Hyderabad) und ein Softwarezentrum (Bengaluru) sowie zwei Forschungs- und Entwicklungszentren in Chennai und Pune. Der Digital Hub in Indien hat sich wie bei anderen Marken zu einer der größten Digitalorganisationen innerhalb des Unternehmens entwickelt.